Frankfurter Großmarkthalle

Das Comeback der "Gemüsekirche"

Die ehemalige Großmarkthalle (u.) und die Doppeltürme (l.) in Frankfurt am Main sind als Teile der neuen Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) nahezu fertig gestellt.
Die ehemalige Großmarkthalle (u.) und die Doppeltürme (l.) in Frankfurt am Main sind als Teile der neuen Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) nahezu fertig gestellt. © picture alliance / dpa
Von Ludger Fittkau · 22.10.2014
Der Abriss von Teilen der alten Großmarkthalle löste in Frankfurt am Main vor zehn Jahren große Empörung aus. Ein Wiener Architekturbüro hat es geschafft, den Hauptteil der Halle auf spektakuläre Weise in den Neubau der Europäischen Zentralbank zu integrieren.
Thomas Rinderspacher von der Europäischen Zentralbank bugsiert eine Gruppe Journalisten in die "Gemüsekirche". So nannten die Frankfurter die Ende der 1920er Jahre erbaute Großmarkthalle des damaligen Stadtbaumeisters Martin Elsässer. Die "Gemüsekirche" wird ab November als umbauter Kommunikationsraum für die rund 3000 Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank dienen, die im benachbarten Bürohochhaus ihren neuen Arbeitsplatz haben werden.
"Wir sind hier in der Eingangshalle. Sie sehen hier sehr schön nebeneinander das Alte und das Neue der Großmarkthalle. Die vollständig sanierte Struktur der Großmarkthalle. Und nebenan das Moderne. Das 21. Jahrhundert neben dem 20. Jahrhundert. Das moderne 21. Jahrhundert von Coop Himmelb(l)au."
Vorher prestigeträchtige Projekte in München und Dresden
Coop Himelb(l)au – das ist der Name des Wiener Architekturbüros von Weltformat, das mit dem Neubau der Europäischen Zentralbank beauftragt wurde.
Der in Stuttgart geborene Frank Stepper gehört dazu. Der Architekt des neuen EZB-Gebäudes war zuvor etwa an den Plänen zur gelungenen Sanierung des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden beteiligt. Oder auch an der Umgestaltung der Akademie der Bildenden Künste in München. Doch die Europäische Zentralbank ist selbstverständlich ein ganz besonderer Arbeitsnachweis für Frank Stepper:
"Bisschen sehr stolz und es freut einen natürlich, wenn man so etwas realisieren kann. Die ganzen Mühen haben sich gelohnt, würde ich sagen."
Gelohnt haben sich insbesondere die Mühen bei der Sanierung der noch erhaltenen Teile der von
Martin Elsässer in den 20er Jahren gebauten "Gemüsekirche". Der Begriff ist im Hinblick auf die
Person Elsässers tatsächlich mehrschichtig: Bevor er 1925 Stadtbaumeister in Frankfurt am Main
wurde, hatte er bereits eine Vielzahl moderner protestantischer Kirchenbauten in Deutschland
geschaffen.
Vermittler zwischen Tradition und Avantgarde
Elsässer verstand sich als Vermittler zwischen Tradition und Avantgarde und dachte ausgehend von Schinkel sogar über einen genuin evangelischen Kirchenbau nach – etwa über Architektur als "gefrorene Musik". Anklänge an einen Sakralbau hat eindeutig auch das Innere der Großmarkthalle.
Das arbeitet Coop Himmelb(l)au trotz Umnutzung heraus. Mit großer Liebe zum Detail wie dem Fensterglas oder den Fugen der Backsteine gelingt es dem Wiener Büro, das vor einem Jahrzehnt schon reichlich baufällige Gebäude Martin Elsässers wieder glänzen zu lassen. Frank Stepper:
"Das ist ein Gebäude aus den Jahren 1928 und 1929. Wie man weiß, war das die Weltwirtschaftskrise, es gab wenig Stahl, wenig Beton. Entsprechend waren die Zustände jetzt."
Nach dem "Haus im Haus"- Prinzip hat Coop Himmelb(l)au die alte Halle liebevoll saniert und innen Konferenzräume, eine Kantine und großzügige Wandelhallen integriert. Das Ensemble wirkt jetzt an vielen Stellen futuristisch oder erinnert an Fritz Lang´s expressionistischen Film „Metropolis". Coop Himmelb(l)au widmete der geschwungenen Decke der Halle eine besondere Aufmerksamkeit bei der Sanierung. Diese ist nur sieben Zentimeter dick, so Architekt Frank Stepper:
"Das ist fast wie eine Eierschale. Und die haben wir auch geschützt."
Noch vor Baubeginn waren allerdings zum Entsetzen vieler Frankfurter zwei große Kopfbauten der Großmarkthalle abgerissen worden. Man hatte deshalb die Befürchtung, dass der Elsässer-Bau durch die Europäische Zentralbank in ein Schattendasein getrieben werde. Frank Stepper ist deshalb zu Recht über die jetzige Kombination der EZB-Belange mit der alten Halle sehr glücklich:
"Man sieht und spürt den Raum der Großmarkthalle nach wie vor."
So ist es in der Tat. Unter dem Strich entsteht das großartige Raumerlebnis, auf das es Coop Himmelb(l)au besonders ankam. Spektakuläres Comeback der "Gemüsekirche".
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