Frank Wehrheim

Steuerfahnder im Räderwerk der Politik

Ex-Steuerfahnder Frank Wehrheim
Für sein Engagement wird Frank Wehrheim 2016 mit dem "Whistleblower-Preis" geehrt. © imago/Reiner Zensen
Moderation: Ulrike Timm · 29.03.2018
"Ein Steuerfahnder muss so viel kriminelle Fantasie haben wie seine Gegner", sagt Frank Wehrheim über seine langjährige Arbeit. Doch er jagt nicht nur Steuersünder, sondern deckt auch einen Behördenskandal auf.
Beinahe 30 Jahre lang verfolgte der gebürtige Bad Homburger als Steuerfahnder in Hessen Steuersünder und brachte dem Staat mehrere Millionen Euro ein. Gerechtigkeitsempfinden sei für ihn während seiner gesamten Berufslaufbahn eine Antriebsfeder gewesen. Auch seine Erfahrungen als junger Finanzbeamter in der Lohnsteuerstelle seines Heimatorts Bad Homburg hätten dazu beigetragen.

Antriebsmotor Gerechtigkeit

"Da hat man also den Leuten die Kilometer gekürzt und solche Dinge. Ich habe dann später, als ich bei der Fahndung war, wenn ich meine Kollegen aus der Lohnsteuer getroffen habe, gesagt: `Seid bei den kleinen Leuten großzügig. Das, was ich jetzt sehe, ist etwas völlig anderes.´ Da wird oft mit zweierlei Maß gemessen. In den gewerblichen Bereichen, die haben viel mehr Möglichkeiten, etwas abzusetzen. Da war immer das Gefühl, eine Gerechtigkeit, auch innerhalb der Finanzverwaltung, das ist gar nicht so einfach herzustellen. Gerechtigkeit hat mich eigentlich immer umgetrieben."
Es sei ihm sehr leichtgefallen, als Mittzwanziger seine Stelle in der Lohnsteuerstelle gegen den ungleich aufregenderen Job des Steuerfahnders aufzugeben, der vom Anfangsverdacht bis hin zur Hausdurchsuchung reichen konnte.
"Es sind die verrücktesten Geschichten möglich: Es sind Geschichten gewesen, wo wir in Räumen von durchaus hochintelligenten Menschen waren, die am Schreibtisch in ihrem Büro im Privathaus eine Kladde geführt haben 'Für mich / fürs Finanzamt', d.h. eine Aufzeichnung, die wir auch verwenden konnten, die sich auch als richtig herausgestellt hat. Die meisten Menschen können sich nicht vorstellen, dass in ihrem Intimbereich, in ihrem Büro zuhause, jemand von der Finanzverwaltung kommt und dort durchsucht."

Skandal um die Commerzbank

Später war Frank Wehrheim einer der Protagonisten in der sogenannten "Hessischen Steuerfahnder-Affäre", die ihren Ausgang mit Ermittlungen gegen die Commerzbank Mitte der 1990er-Jahre nahm, als Frank Wehrheim und seine Kollegen geradewegs in die Vorstandsetage marschiert waren.
"Das war Unverständnis. Das konnten sich die Vorstände der Bank nicht vorstellen. Deswegen gab es auch Reaktionen bis in die Politik, weil im Grunde genommen die Vorstände der Bank gedacht haben, das sei Gebiet, was außerhalb von solchen Zugriffen war."
Es war der Ausgangspunkt einer bis in die Politik reichenden Affäre, deren erste Konsequenzen Frank Wehrheim und seine Kollegen zunächst gar nicht auf ihre Arbeit bezogen.
"Wir haben geglaubt, dass innerhalb der Verwaltung ein paar Leute irgendwo verrückte Sachen machen, spinnen, und dass wir das nur nach oben tragen müssen, und das war sehr naiv von den bei uns handelnden Personen."

Von den Vorgesetzten zwangsversetzt

Unter dubiosen Umständen und mit fadenscheinigen Begründungen wurden schließlich ermittelnde Beamte zwangsversetzt, auch Frank Wehrheim.
"Man hat eine Stelle neu geschaffen mit unerledigten Rechtsmitteln und hat dann behauptet: `Steuerfahnder sind breit aufgestellt, die sind da genau richtig.´ Bei mir kam noch dazu, dass man nach zehn Jahren gemerkt hat, dass ich mal einen Herzinfarkt gehabt habe mit 42 und gesagt hat ´Ja, da müssen wir Sie aus dem Stressberuf rausnehmen und dann bearbeiten Sie jetzt bitte Rechtsmittel.´ Dann bin ich in eine Abteilung versetzt worden, wo keine Arbeit war und da habe ich gemerkt, dass ich am Zenit meiner Arbeit angekommen bin. Dass mein Arbeitgeber nichts Positives mehr mit mir vorhat, sondern mich schlichtweg fertigmachen will."
Andere Kollegen traf es noch härter. Sie wurden mithilfe falscher psychiatrischer Gutachten für psychisch krank erklärt. Der verantwortliche Arzt ist zwar mittlerweile verurteilt, trotzdem bleiben für Frank Wehrheim die Vorgänge von damals ungeheuerlich.
"Man muss sich das mal vorstellen: Wenn Sie mitten aus dem Leben gerissen werden – der Marco Wehner war unter 40 – und Sie kriegen bescheinigt: Sie sind paranoid-querulatorisch und Sie können nie wieder im Staatsdienst arbeiten, und das Ganze von einem Gutachter, der dafür bestraft wurde; und wenn dann Ihr Arbeitgeber in den entscheidenden Phasen sich nicht vor Sie stellt, sondern hinter den Gutachter, dann können Sie ungefähr bemessen, wie groß der Skandal in einem Bundesland wie Hessen - in einem demokratischen Land - war."

Mit dem "Whistleblower-Preis" geehrt

Für sein Engagement, diese Vorgänge aufzudecken und zu kritisieren, bekam Frank Wehrheim 2009 den "Whistleblower-Preis" verliehen. Mittlerweile hat der Bad Homburger, der nächstes Jahr seinen 70. Geburtstag feiert, die Seiten gewechselt. Als Steuerberater berät er unter anderem Steuersünder, die mit dem Gedanken spielen, sich selbst anzuzeigen. Und wirklich gewechselt habe er die Seiten auch eigentlich nicht: Als Steuerberater komme er sich manchmal vor "wie der Pressesprecher der Steuerfahndung".
Mehr zum Thema