"Francesco und der Papst"

Von Bernd Sobolla · 16.04.2011
Der argentinische Filmemacher Ciro Cappellari hat in einer Art Doppelporträt einen Fußball spielenden Sängerknaben und den Musik liebenden Papst Benedikt XVI. fast ein Jahr lang begleitet. Der Dokumentarfilm "Francesco und der Papst" kommt am 21. April in die Kinos.
Auch wenn es nicht so klingt: der Film sollte eigentlich nicht von einem elfjährigen Jungen handeln, sondern vom Vatikan. Denn der argentinische Regisseur Ciro Cappellari wurde vor zwei Jahren von seinem Produzenten Peter Weckert nach Rom geschickt, um den Kirchenstaat und Papst Benedikt XVI. zu portraitieren. Auf der Suche nach der idealen Perspektive stieß er dabei auf den Chor der Sixtinischen Kapelle und auf den Sängerknaben Francesco.

"Der Vatikanstaat ist schon ein besonderer Ort. Und irgendwie gehören wir auch dazu."

Aus den Augen dieses Jungen wollte Cappellari seinen Film drehen. Allerdings wusste der Filmemacher nicht, ob es tatsächlich einen Solo-Auftritt geben würde. Denn nach einer 1400 Jahre alte Tradition, dürfen nur Erwachsene für den Papst Soli singen. Genau genommen verfolgt der Film zwei Erzählstränge, die er dann am Ende verbindet: Einerseits zeigt er, wie Francesco auf ein geplantes Konzert vorbereitet wird. Andererseits begleitet Cappellari den Papst auf dessen Reisen.

In Jordanien, wo er von König Abdullah II. und Königin Rania in Amman empfangen wird, betritt Joseph Ratzinger zum ersten Mal als Papst arabischen Boden. Bei seinem anschließenden Besuch in Israel reist er zu den Stätten, an denen Jesus gelebt und gewirkt hat und betritt als erstes Oberhaupt der katholischen Kirche den Felsendom auf dem Tempelberg in Jerusalem.

Ciro Cappellari: "”Die Reisen waren etwas ganz Besonderes. Also wenn der Papst auf Reisen ist, ist nicht nur Francesco daran interessiert, sondern die ganze Welt: Was macht der Papst? Was sagt der Papst? Wie wird er aufgenommen? Es ist ein kulturelles, ein Politikum, wenn der Papst in einem Land zu Besuch ist. Es öffnet so ein Fenster. Zum Beispiel in Afrika sah er sehr glücklich aus, was er in Rom meistens nicht ausdrückt. Er hat immer ein Lachen, er war immer sehr froh. Liegt es wahrscheinlich an den Gläubigen in Afrika. Die Afrikaner haben ihn sehr herzlich empfangen.""

Im Flugzeug auf dem Weg nach Kamerun und Angola spricht der Papst davon, dass die Ausbreitung von Aids auf dem Kontinent durch Kondome nicht reduziert werden könne, sondern diese das Problem vergrößern würden. Dieser Logik kann keiner mehr folgen. Hier erwähnt der Film zumindest Kritiker des Papstes, ohne allerdings näher auf das Thema einzugehen. Ciro Cappellari zeigt, dass es dem Papst oft nicht gelingt, sich dem Volk zu nähern.

Die Besuche sind minutiös geplant, jeder Schritt von den Offiziellen vorbestimmt, Platz für Spontanes gibt es kaum. Immerhin: Wenn Benedikt XVI. in Israel die Holocaust-Gedenkstädte Yad Vashem besucht oder ein palästinensisches Flüchtlingscamp, scheint sein Interesse aufrichtig, sieht und hört er die Menschen dort, spricht ihnen Mut zu. Das versteht jeder, und man glaubt es ihm. In Rom verfolgt Francesco zuhause jede Reise des Papstes aufmerksam im Fernsehen. Parallel dazu bereitet er sich auf sein mögliches Solo vor.

"Form das E zu einem I! / Wenn Don Marcus wütend wird, ist es besser, sich nicht zu bewegen. Dann muss man sich unsichtbar machen. Das weiß jeder hier. / Musik / Aber obwohl er so streng ist, mag ich ihn. Denn er ist immer für uns da, und man kann viel bei ihm lernen. / Und noch mal das E richtig formen!"

Die stärksten Momente hat der Film, wenn er die harten Proben zeigt und beleuchtet, welche Arbeit die Verantwortlichen an der Basis leisten: So schildert Don Marcus, wie mühsam es ist, in Rom jedes Jahr auch nur zwölf neue Familien zu finden, die bereit sind, ihre Kinder in den Chor der Sixtinischen Kapelle und die angeschlossene Schule zu schicken. Für Regisseur Ciro Cappellari gab es noch andere Überraschungen.

Ciro Cappellari: "Dass die Priester diese Kinder erziehen, dass nicht der Akzent auf der Religion steht, sondern auf der Musik. Sie sind sehr offen. Sie sagten: 'Wenn ein muslimisches Kind hier herkommt oder ein jüdisches oder ein orthodoxes, es wird gern aufgenommen.' Es wird natürlich verlangt, dass es teilnimmt an der Messe, er muss an der Messe teilnehmen.

Aber es wird nicht verlangt, dass es gläubig ist. Das hat eine große Offenheit der Kirche gezeigt, das hat mich sehr interessiert, Ich habe bei diesem Priester, Monsignor Markus Pavan, gesehen, dass er wirklich den Kindern etwas schenkt, die Musik schenkt und nicht erwartet dafür, den Glauben von ihnen zu haben."

Auch die Familie von Francesco steht nicht gerade für das katholische Ideal: Die Eltern sind geschieden, der Vater lebt mit einer anderen Frau zusammen, und seine Brüder lehnen die Kirche eher ab. Verständnis dafür, dass Francesco so engagiert für den Chor probt, haben sie nicht. Zumal er dafür noch nicht einmal Geld bekommt.

"Francesco und der Papst" ist ein Musikfilm und ein Doppelportrait, das manchmal etwas gefällig wirkt, ohne aber zu beschönigen. Es zeigt einen Vatikan, der selbst in Italien nicht mehr die einstige herausragende Stellung hat. Gerade deswegen bemühen sich einige seiner Repräsentanten darum, alte Traditionen zu erneuern, um die Kirche in der heutigen Gesellschaft zu behaupten.

Und fast nebenbei ist das Werk auch eine Verurteilung des Hedonismus´ und ein Loblied auf langfristige Mühen. Die einzige Chance, in der Musik etwas zu erreichen. Leider stört die deutsche Synchronisation den Charakter des Dokumentarfilms. Umso belebender sind dafür die Gesänge des Chores.