Fraktionschef Kauder mahnt Union zu Geschlossenheit

Carsten Burtke und Ulrich Ziegler im Gespräch mit Volker Kauder |
Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Volker Kauder, hat seine Partei zu mehr Geschlossenheit aufgerufen. In der Großen Koalition mit der SPD sei manches, was sich beispielsweise die Mittelstandsvereinigung der Union wünsche, nicht umzusetzen, sagte Kauder in Reaktion auf die Kritik des Wirtschaftsflügels der Union in den vergangenen Tagen. Künftig wolle sich seine Partei wieder stärker an die Leistungsträger wenden. Für Hartz IV-Empfänger sei viel getan worden.
Deutschlandradio Kultur: In zwei Wochen beginnt die erste Sitzungswoche im Deutschen Bundestag nach der parlamentarischen Sommerpause. Dann geht es um Haushaltsberatungen. Herr Kauder, wie sieht es denn aus mit Peter Struck? Reden Sie wieder mit ihm? Auch im Du, oder sind Sie schon beim Sie angelangt?

Volker Kauder: Wir haben nach wie vor eine gute Zusammenarbeit. Das ist auch notwendig. Wir haben ja noch einige schwierige Themen vor uns, wo es darauf ankommt, dass die Koalition zusammenhält. Also, mit Peter Struck gibt es da keine Probleme.

Deutschlandradio Kultur: Aber wenn die SPD "kein verlässlicher Partner" mehr ist, die Aussage stammt von Ihnen, dann kommen doch schwierige Zeiten auf uns und auf Sie zu.

Volker Kauder: Es ist tatsächlich in der SPD schwieriger geworden, die unterschiedlichen Positionen herauszufinden. Auch die Bundeskanzlerin hat mal gesagt, sie sei sich nicht sicher, ob sie Frau Nahles oder Herrn Beck oder wen auch immer fragen muss. Wir sehen ja auch, dass die SPD im Augenblick sehr mit sich selbst beschäftigt ist. Darin sehe ich das größte Problem, durch die Situation in Hessen, durch die Frage, wer wird Kanzlerkandidat. Eine Partei, die so sehr mit sich beschäftigt ist und auch noch unterschiedliche Positionen bei diesen Fragen hat, tut sich in der Regierung schwer. Ich hoffe, dass wir in diesem Herbst noch die zwingend notwendigen Gesetzesvorhaben miteinander auch verabschieden können.

Deutschlandradio Kultur: Welche wichtigen Gesetzesvorhaben stehen ganz oben auf der Tagesordnung - außer dem Haushalt, der natürlich verabschiedet werden muss?

Volker Kauder: Da ist das Thema Erbschaftssteuerreform, das vor allem für unsere mittelständische Wirtschaft von größter Bedeutung ist, auch unter emotionalen Gesichtspunkten, dass gerade die mittelständische Wirtschaft, das Handwerk sagen: Das, was wir aufgebaut haben, müssen wir auch durch unsere Kinder fortgeführt bekommen können, also ein sehr zentrales Thema.

Es geht noch in der Gesundheitsreform um den Beitrag für die Gesetzlichen Krankenkassen. Wir haben noch eine Maßnahme durchzuführen, die eine Entlastung für die Menschen bedeutet, nämlich die bessere Absetzbarkeit von Beiträgen zur Gesetzlichen und Privaten Krankenversicherung von der Steuer. Da gibt es schon noch einige schwerwiegende Fragen miteinander zu beraten. Und dann glaube ich, dass auch das Thema Außenpolitik, Situation zu Russland, uns in der Koalition und auch im Deutschen Bundestag noch intensiv beschäftigen wird.

Deutschlandradio Kultur: Sprechen wir mal ein paar Punkte davon an. Erbschaftssteuer ist ein wichtiges Stichwort, das Sie genannt haben. Da ist es vielleicht sogar einfacher, mit der SPD darüber zu reden als mit Ihrer Schwesterpartei. Denn es gibt ja den einen oder anderen in der CSU, der wäre gar nicht so unglücklich, wenn es nicht zu dieser Erbschaftssteuerreform käme.

Volker Kauder: Ich glaube, es ist klar, dass die Bundesländer auf die etwa vier Milliarden, die da zusammenkommen, nicht verzichten werden. Wir haben ja das System, dass wir für die Erbschaftssteuergesetzgebung im Bund zuständig sind, aber das Geld bekommen die Länder. Die CSU hat aber völlig recht, wenn sie sagt, dass da noch eine ganze Reihe von Fragen ungeklärt sind, die noch geklärt werden müssen: Der Wunsch der CSU, eine Regionalisierung der Erbschaftssteuer vorzunehmen, aber auch die Frage der sogenannten Bindungsfrist, dass in einer Firma 15 Jahre lang im Wesentlichen nichts verändert werden kann, das ist völlig unakzeptabel. Deswegen stimmt es, was die CSU sagt, dass wir noch eine ganze Reihe von Fragen haben, die mit der SPD geklärt werden müssen. Und das, was jetzt als Eckpunkte vorliegt, kann so nicht in allen Punkten verabschiedet werden. Aber dass eine Erbschaftssteuerregelung kommt, ist klar. Da soll sich niemand einer Illusion hingeben.

Deutschlandradio Kultur: Sind Sie sicher, dass das noch in dieser Legislaturperiode passiert?

Volker Kauder: Muss ja.

Deutschlandradio Kultur: Muss ja nicht. Wenn sie nicht gefunden wird, dann fällt sie weg.

Volker Kauder: Ja, das ist richtig. Dann müssen die Länder auf vier Milliarden Einnahmen verzichten. Die Tatsache, dass wir eine Regelung finden müssen, weil sonst die Erbschaftssteuer wegfällt, wird uns alle dazu zwingen, sehr konzentriert zu arbeiten und aufeinander Rücksicht zu nehmen und sich nicht zu überfordern.

Deutschlandradio Kultur: Es geht also um die Haushaltskonsolidierung. Herr Kauder, da sieht es ja im Moment so aus, als ob die CSU gerne in Zeiten von Wahlkampf auch Steuergeschenke verteilen wollte, zumindest damit Wahlkampf macht. Kann man mit dieser Schwesterpartei Haushaltskonsolidierung machen, wenn die sagen: Wir wollen die Wiedereinführung der Pendlerpauschale. Wir wollen Steuerentlastungen. Wir wollen mehr Netto für alle. Wir wollen Wahlgeschenke verteilen. Das passt doch gar nicht zusammen mit dem Ziel, das die Kanzlerin ausgegeben hat: Wir wollen einen ausgeglichenen Haushalt haben.

Volker Kauder: Die Bayern haben einen ausgeglichenen Landeshaushalt. Und sie haben damit Spielräume geschaffen, die wir uns erst noch schaffen wollen. Deswegen ist die CSU geradezu ein Garant dafür, dass eine solide Haushaltspolitik gemacht wird. Da können Sie sich drauf verlassen, dass Erwin Huber, Peter Ramsauer und die CSU mit uns von der CDU zusammen genau dafür sorgen werden, dass der ausgeglichene Haushalt auch kommt.

Entlastungen, haben wir gesagt, wird es geben in der nächsten Legislaturperiode. Dann können wir, wenn wir keine neuen Schulden mehr machen, zum ersten Mal Entlastungen machen, die nicht mehr auf Pump finanziert werden. Es gibt einen Unterschied. Das ist die Pendlerpauschale. Da sind wir von der Union der Auffassung, dass wir zunächst einmal das Urteil des Bundesverfassungsgerichts abwarten müssen. Da hat die CSU eine andere Auffassung, das ist durchaus in einer großen Volkspartei ja auch einmal üblich. Es gibt im Übrigen auch in unserer Partei, in der CDU, durchaus auch Leute, die der Meinung sind, dass die Pendlerpauschale wieder vom ersten Kilometer an bezahlt werden soll.

Ich bin dieser Auffassung nicht, weil auch die Pendlerpauschale nicht die richtige Antwort auf erhöhte Benzinpreise ist, weil sie nämlich vom Einkommen abhängig ist. Je höher das Einkommen, desto höher die Pendlerpauschale. Das halte ich für sozial nicht gerecht.

Deutschlandradio Kultur: Wie gehen Sie intern mit diesen Vorschlägen der CSU jetzt um? Sagen Sie, lasst die doch erst mal in Bayern wählen, danach werden sie eh wieder ruhiger werden? Oder sagen Sie, das wird sich im Laufe der Zeit fügen? Oder, die dritte Variante: Warten wir auf die nächste Legislaturperiode.

Volker Kauder: Die CSU ist eine selbständige, bundesweit arbeitende Partei, die eigene Vorstellungen formuliert. Wir sind uns einig, dass wir im Frühjahr nächsten Jahres mit der CSU zusammen ein Steuerentlastungskonzept formulieren. Wir werden jetzt im Herbst zum Bundesparteitag als CDU schon einmal Eckpunkte sagen. Aber die Details, wie ein Entlastungskonzept aussehen soll, wird es dann im Frühjahr 2009 geben. Da gibt es mit der CSU überhaupt kein Problem.

Deutschlandradio Kultur: Die SPD hat doch auch das Interesse, dass die Leute mehr Kaufkraft haben. Sie haben es angesprochen, mit hohen Energiepreisen, dass man etwas tun muss. Warum warten Sie bis nach der nächsten Bundestagswahl?

Volker Kauder: Wir werden im Herbst noch ein großes Entlastungspaket verabschieden. Es wird der Kinderfreibetrag beim Einkommen angehoben. Es wird das Kindergeld angehoben. Wir werden die Krankenversicherungsbeiträge besser bei der Steuer berücksichtigen. Da handelt es sich allein bei den Krankenversicherungsbeiträgen um ein Volumen von zehn Milliarden Euro. Wir werden weiter den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung senken. 3,0 Prozent stehen schon im Raum. Ich will alle Spielräume nutzen. Also, es gibt da Entlastung. Und dann nehmen wir noch mal neue Schulden auf in der Größenordnung von zehn Milliarden.

Das heißt also: Solange wir noch immer neue Schulden machen, ist das Entlastungspotenzial, die Entlastungsmöglichkeit, noch sehr eingeschränkt. Es gibt Entlastungen, wie ich es gerade angedeutet habe, aber darüber hinaus dürfen wir nicht gehen. Wenn wir den Fehler machen, den 40 Jahre lang Regierungen gemacht haben, immer wieder dann doch nachzulassen und die Anstrengungen nicht fortzuführen, dann werden wir den ausgeglichenen Haushalt nicht schaffen. Und ich möchte gerne erreichen, dass nach 40 Jahren im Jahre 2011 keine neuen Schulden mehr gemacht werden.

Deutschlandradio Kultur: Herr Kauder, noch mal nachgefragt: Wenn Sie in diesem Jahr diese vielen Entlastungen machen, die Sie angekündigt haben, und Sie wollen nach der nächsten Bundestagswahl weitere Steuerentlastungen, schaffen Sie das alles und auch noch eine Haushaltskonsolidierung, und das bei Zeiten eintrübender Konjunktur? Das geht alles zusammen?
Volker Kauder: Natürlich ist eines ganz klar, da haben Sie recht: Ohne Wachstum werden wir diese Herausforderungen nicht bewältigen. Deswegen ist natürlich eine entsprechende Wirtschaftspolitik auch Voraussetzung für die Konsolidierung der Haushalte. Eine entsprechende Wirtschaftspolitik, die Arbeitslosigkeit bekämpft, ist auch Voraussetzung dafür, dass die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sinken können. Da haben Sie völlig recht. Ein konsolidierter Haushalt setzt auch Wachstum voraus. Deswegen muss die Wirtschaftspolitik entsprechend auf Wachstum hin ausgerichtet sein.

Deutschlandradio Kultur: Ist sie doch.

Volker Kauder: Sie ist auf Wachstum hin ausgerichtet. Also, insgesamt sehe ich deswegen die Zeichen auch auf Positiv stehen. Ich halte auch gar nichts davon, jetzt über eine eintrübende Konjunktur zu reden. Wir werden auch im nächsten Jahr Wachstum haben. Es wird nicht mehr so stark, nicht mehr so robust sein, aber wir werden Wachstum haben.

Deutschlandradio Kultur: Herr Kauder, der Wirtschaftsflügel Ihrer Partei will, dass nach der nächsten Bundestagswahl zentrale Reformen der Großen Koalition rückgängig gemacht werden. Dem Wirtschaftsflügel passt die ganze Richtung der letzten Jahre überhaupt nicht. Liegt da das Problem, dass vieles nicht umgesetzt werden konnte?

Volker Kauder: Ich glaube, auch der Wirtschaftsflügel muss sehen, dass wir eine Unternehmenssteuerreform gemacht haben, in einer Größenordnung Entlastung von sechs, sieben Milliarden, die an die Wirtschaft weitergegeben worden sind, dass wir die Beiträge senken, was der Wirtschaft auch hilft. Wir haben klar gesagt, das nimmt der Wirtschaftsflügel auch zur Kenntnis, dass es mit uns keinen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn gibt.
Natürlich ist in einer Großen Koalition mit der SPD manches, was der Wirtschaftsflügel sich wünscht, nicht umzusetzen. Deswegen ist in einer Großen Koalition mit der SPD der Wirtschaftsflügel unzufriedener, und in einer Koalition mit der FDP war manchmal der Arbeitnehmerflügel nicht ganz zufrieden.

Deutschlandradio Kultur: Werden zentrale Reformen rückgängig gemacht oder schließen Sie das gänzlich aus?

Volker Kauder: Ich sehe überhaupt keine Notwendigkeit, das, was wir jetzt in der Großen Koalition an zentralen Reformen gemacht haben, zu verändern. Ich sage mal: Beispielsweise die Unternehmenssteuerreform wird niemand verändern wollen. Das sehe ich auch nicht. Wir werden Dinge in die richtige Richtung weiterentwickeln, beispielsweise im Gesundheitswesen. So, wie jetzt der Gesundheitsfond organisiert ist, ist es in Ordnung für den Start, aber die wettbewerbshemmenden Elemente, die eingebaut worden sind bei der Möglichkeit, dass die Kassen auszahlen können, wenn sie gut gewirtschaftet haben, oder Zusatzbeiträge erheben müssen, da wird sich sicher noch einiges ändern müssen. Aber die Grundausrichtungen in der Großen Koalition sind in Ordnung.

Deutschlandradio Kultur: Trotzdem noch einmal nachgefragt: Mit den Mindestlöhnen hat die Fraktion, hat die CDU Probleme. Das war ein Thema der SPD. Beim Gesundheitsfond hatte man den Eindruck, das ist ein Kompromiss, der nach der nächsten Bundestagswahl möglicherweise neu aufgeschnürt werden kann. Ist denn schon klar, was die CDU - sollte es eine bürgerliche Mehrheit nach der nächsten Bundestagswahl geben - grundsätzlich verändern will?

Volker Kauder: Wir werden die Gesundheitspolitik weiterentwickeln, auch auf dem Hintergrund der Erfahrungen, die wir jetzt im Jahr 2009 machen. Wir werden uns sehr intensiv mit der Energiepolitik beschäftigen müssen. Das ist eines der zentralen Themen überhaupt. Das wird auch im Wahlkampf ein Thema werden, nicht als - wie es immer so schön heißt – "Atompolitik", sondern einfach die Frage: Auch unter veränderten weltpolitischen Gesichtspunkten haben wir Dinge gemacht in der Großen Koalition, die richtig sind mit dem Erneuerbare-Energie-Gesetz: Da bin ich der Meinung, müssen wir immer wieder überprüfen, ob die Förderung, die wir bei erneuerbaren Energien ausgeben, noch zeitgemäß ist. Wir haben auch gesagt, dass die Förderung zurückgeht. Da haben wir also den richtigen Weg beschritten. Aber wir müssen beispielsweise in einer neuen Koalition ein klares Signal geben, dass Kernkraftwerke, die sicher Strom produzieren, weiterlaufen können und nicht abgeschaltet werden.

Deutschlandradio Kultur: Die Leute erleben im Moment hohe Inflation, kalte Progression, steigende Energiepreise und dass sie am Schluss trotz Lohnerhöhungen weniger in der Kasse haben als noch vor einem Jahr. Die erwarten Lösungen in den nächsten Monaten. Können Sie, kann die CDU den Leuten da helfen, noch in diesem Jahr oder zu Beginn des nächsten Jahres?

Volker Kauder: Die Politik kann auf gar keinen Fall Energiepreise subventionieren. Wir müssen den Menschen schon sagen: Energie wird nicht billiger. Wir müssen überall dafür sorgen, dass wir weniger Energie verbrauchen. Das fängt im Haushalt an, das fängt bei den Wohnungen an. Deswegen ist alles, was wir an Programmen machen, beispielsweise das energetische Wohnraumsanierungsprogramm, wo wir mit Zuschüssen helfen, dass in einem Haus innerhalb von einem Jahr die Hälfte weniger an Energie verbraucht wird, das sind die richtigen Wege.

Auch dass beim Benzin weniger verbraucht wird. Ich fahre gern Auto, fahre gerne schnell Auto. Jetzt habe ich mich aber auch gemäßigt aufgrund der hohen Benzinpreise. Manchmal wundere ich mich, wie ich dann, wenn ich auf der Autobahn mit 140 fahre, überholt werde, wie wenn das Benzin nichts kosten würde. Da müssen also noch viele auch an sich überlegen: Wo kann ich einsparen, wo kann ich etwas reduzieren? Der Staat kann also hier nicht subventionieren.
Eines sage ich allerdings auch: In dem Umfang, wie wir den Haushalt konsolidieren, keine neuen Schulden machen, gibt es Spielräume, über die wir dann in der nächsten Legislaturperiode reden können. Jetzt kurzfristig sehe ich aufgrund der Haushaltslage keine Möglichkeit, zu mehr Entlastung zu kommen, als ich sie schon gesagt habe.

Deutschlandradio Kultur: Herr Kauder, man hat so den Eindruck, dass in der CDU, in der Union allgemein, bei allem, über das diskutiert wird, immer an die Zeit danach gedacht wird, nämlich an die nächste Legislaturperiode. In der Hoffnung, dann gibt es eine bürgerliche Mehrheit und wir können vieles einfacher durchsetzen als jetzt. Das ist aber noch nicht so ausgemacht. Sie setzen darauf, die Umfragen sprechen im Moment vielleicht auch dafür, aber was denn, wenn es nicht so kommt?

Volker Kauder: Also, es darf jetzt nicht der Eindruck vermittelt werden, als ob wir nichts machen, sondern auf den Wahlkampf warten und eine neue Mehrheit. Ich habe eine klare Vorstellung. Ich glaube, dass es nach der Großen Koalition für unser Land und für die Menschen in unserem Land gut wäre, wenn wir wieder eine klare Richtung bekommen. Große Koalitionen sind in der Regel Kompromisskoalitionen. Kleine Koalitionen sind Richtungskoalitionen. Deswegen treten wir dafür an, eine Koalition CDU-CSU mit der FDP zu bilden, um das, was wir mit der Großen Koalition begonnen haben, fortsetzen zu können im Sinne unseres Landes. Die SPD hat dann Gelegenheit, in der Opposition wieder neue Kraft zu sammeln und vor allem ihr Verhältnis zur Linkspartei neu zu orientieren.

Deutschlandradio Kultur: Wer eine klare Richtung will, muss auch wissen, wo er selbst steht. Jetzt gibt es Leute wie Christian Wulff oder Peter Müller, die sagen: Die CDU könne gar keinen guten Wahlkampf 2009 führen, wenn sie überhaupt nicht genau weiß, wo sie eigentlich selbst steht.

Volker Kauder: Die CDU weiß, was sie will. Sie macht Politik auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes. Das heißt, wir wollen Menschen Chancen eröffnen in unserem Land. Wir wollen diese Chancen auch dadurch ermöglichen, dass die Leute Eigenverantwortung übernehmen können, dass sie sich frei entscheiden können, wie sie ihr Leben gestalten wollen. Wir geben dazu einen Rahmen, beispielsweise in der Familienpolitik Wahlfreiheit. Die jungen Familien sollen selbst entscheiden können, ob sie ihre Kinder in eine Kinderkrippe, eine Fremdbetreuung bringen - dafür müssen Möglichkeiten geschaffen werden - oder ob sie es zu Hause betreuen wollen. Dafür müssen sie auch dann eine finanzielle Leistung erhalten. Wir haben eine klare Orientierung.

Und ich rate dringend, dass gerade diejenigen, die in der Union auch Führungsverantwortung als stellvertretende Parteivorsitzende tragen, ihre Positionen in den Parteigremien formulieren und, wenn sie der Meinung sind, da muss noch etwas geklärt werden, das eben in Parteigremien machen, so dass wir nicht ständig in der Öffentlichkeit darüber reden, dass die Union kein Profil hat, weil dies nicht stimmt.

Deutschlandradio Kultur: Haben Sie denn schon beispielsweise mit Roland Koch telefoniert, der diese Woche gesagt hat: "Wir dürfen nicht mehr so einen Wahlkampf wie 2005 machen. Der war einfach zu kalt. Wir müssen dichter bei den Menschen sein."

Volker Kauder: Die Aussage, dass wir uns ganz konkret um die Anliegen und Sorgen und Nöte der Menschen kümmern müssen, ist doch richtig. 2005 ist es vielleicht nicht so rübergekommen. Aber auch damals war doch klar, dass wir uns an die Menschen gewandt haben, indem wir gesagt haben: Mit uns wird es so nicht weitergehen, fünf Millionen Arbeitslose sind genug!

Deutschlandradio Kultur: Herr Kauder, Sie haben gesagt, die CDU hat eine klare Linie. Dann sagen Sie uns doch mal bitte: Wofür steht eigentlich die CDU? Steht die Union zu Jürgen Rüttgers, der versucht, die SPD links zu überholen? Zu Günter Oettinger, der einen wirtschaftsnahen Kurs vertritt? Dann gibt es noch Friedrich Merz, der wieder die Mikrophone sucht, und Roland Koch findet plötzlich die Grünen sexy. Was also spricht für die CDU? Wo steht die CDU?

Volker Kauder: Die CDU ist eine Volkspartei, vielleicht bald die einzige Volkspartei, was ich nicht hoffen möchte. Und in einer Volkspartei gibt es natürlich auch unterschiedliche Positionen. Es gab früher auch schon den Wirtschaftsflügel, beispielsweise auch vertreten durch Stoltenberg. Und es gab Norbert Blüm, den Sozialflügel. Es gab da auch immer wieder Diskussionen, beispielsweise bei der Pflegeversicherung. Was haben wir uns da für Diskussionen über ein kapitalgedecktes System oder über das umlagefinanzierte System geleistet? Die klare, übereinstimmende Position der Union heißt: Wir wollen den Menschen helfen, ihr Leben zu meistern. Wir wollen einer jungen Generation Chancen geben. Und wir wollen, dass derjenige, der arbeitet, mehr hat, wie wenn er nicht arbeiteten würde.

Deutschlandradio Kultur: Das macht die FDP doch auch. Genau mit dieser Forderung geht sie in die Wahlkämpfe.

Volker Kauder: Nein, das ist bei uns schon noch eine andere Seite. Wir sagen: Leistung muss sich lohnen. Wir wollen aber auch denjenigen helfen, diejenigen unterstützen, die sich selber nicht helfen können. Wir haben in der letzten Zeit sehr viel für den Bereich Hartz IV, soziale Leistungen getan. Da geben wir trotz sinkender Arbeitslosigkeit wegen der gestiegenen Energiekosten 25 Milliarden in diesem Jahr wieder aus. Jetzt müssen wir uns an die wenden, die auch zur Arbeit gehen.

Deutschlandradio Kultur: Aber offenbar kommt diese Botschaft bei den Bürgern nicht so richtig an. Sie sind zwar in den Umfragen relativ stabil, aber trotz der Schwäche der SPD gehen die Zahlen nicht so richtig nach oben. Und die Zahl der Mitglieder in der CDU geht auch weiter nach unten. Was machen Sie da falsch?

Volker Kauder: Ich glaube, dass sich bei uns eine ganze Reihe von Leuten geparkt haben, die mit der Großen Koalition nicht zufrieden sind, die das auch zum Ausdruck bringen, aber die - wenn es dann in den Bundestagswahlkampf 2009 geht - sich schon sehr überlegen werden, ob sie daheim bleiben wollen, ob sie sich weiter parken wollen und zusehen, wie die Linkspartei an ihnen vorbei fährt.

Da bin ich also zuversichtlich, dass wir im Wahlkampf 2009 unser Potenzial auch mobilisieren können, und zwar mit der klaren Botschaft: Leistung muss sich lohnen, Entlastung für die unteren und mittleren Einkommensschichten, Perspektiven für die junge Generation durch Bildung, Aufstieg. Es muss wieder Aufstiegschancen in unserem Land geben für alle, und eine realistische, wirklichkeitsnahe Energiepolitik. Energie ist wie ein Grundnahrungsmittel.

Deutschlandradio Kultur: Und Sie denken immer an die Atomkraft?

Volker Kauder: Wenn es ohne Atomkraft ginge, wäre ich doch auch froh. Mir geht es doch nur darum, dass wir die Energieversorgung sicherstellen und nicht den Strom immer teurer machen, und die Menschen dadurch erhebliche Probleme haben. Es ist Vernichtung von volkswirtschaftlichem Eigentum - denn das haben die Bürgerinnen und Bürger bezahlt - wenn wir jetzt Kernkraftwerke einfach abschalten, wenn sie sicher laufen, und den Strom nicht ins Netz einspeisen

Deutschlandradio Kultur: Und wenn wir Atomstrom länger einspeisen, kriegen wir dann günstigere Stromtarife?

Volker Kauder: Es haben die großen Stromproduzenten gesagt. Beispielsweise Herr Großmann von der RWE hat mir genau dieses zugesagt, dass die zusätzliche Rendite, die dadurch erwirtschaftet werden kann, an die Stromkunden zurückgegeben, weitergegeben wird.

Deutschlandradio Kultur: Kommen wir noch mal zurück zu Ihren Versprechungen: Sie versprechen den Bürgern Steuererleichterungen, mehr Netto in der Tasche. Wenn die Linkspartei so was versprechen würde, dann würden Sie sagen: "Das ist populistisch und wirklichkeitsfremd". Sie dürfen das aber?

Volker Kauder: Wir werden doch gerade dafür kritisiert, vor allem die Bundeskanzlerin und ich, dass wir angeblich so hartleibig sagen, es gibt jetzt in dieser Legislaturperiode keine Steuerentlastung, weil wir es nicht finanzieren können. Also, von Steuergeschenken kann überhaupt keine Rede sein. Ganz im Gegenteil, wir haben eine klare Position und sagen: Es dient unserem Land. Es dient den Chancen unserer Menschen, wenn wir jetzt endlich den Haushalt in den Griff bekommen.

Im Übrigen, die Haushaltskonsolidierung, die Nettoneuverschuldung null im Jahre 2011, steht nicht in der Koalitionsvereinbarung drin, sondern war eine Initiative aus der CDU-CSU-Bundestagsfraktion, zusammen mit der SPD-Bundestagsfraktion. Das ist also aus den Fraktionen gekommen. Deswegen muss die Fraktion ja ein Interesse haben, dass das, was sie als Ziel vorgegeben hat, jetzt auch erfüllt wird.

Deutschlandradio Kultur: Wo sehen Sie strukturelle Einsparmöglichkeiten in den nächsten Jahren, um vielleicht noch schneller Schulden abbauen zu können?

Volker Kauder: Also, eine zentrale Strukturverbesserung ist, wenn wir keine neuen Schulden mehr machen. Schulden sind praktisch auch Ausgaben.

Deutschlandradio Kultur: Aber, wenn nicht jetzt, wann dann?

Volker Kauder: Ja, wir sind ja dabei. Sie müssen eben überlegen, es ist ja alles nicht ganz so einfach. Wir haben über 30 Milliarden Nettoneuverschuldung noch im Jahr 2005 gehabt und sind sukzessive davon runter gekommen. Sie sehen ja auch, dass wir immer wieder neue Herausforderungen haben, beispielsweise die Krankenversicherungsbeiträge - zehn Milliarden auf einmal durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von heute auf morgen. Das Kindergeld und die Kinderfreibeträge anheben ist auch eine Größenordnung von zwei Milliarden. Und dann haben wir natürlich ein Thema, 24, 25 Milliarden Hartz IV, die trotz sinkender Arbeitslosigkeit wegen der steigenden Energiekosten uns natürlich auch jedes Jahr ordentlich belasten.

Daneben haben wir beschlossen, die Kinder in der Krankenversicherung nicht mehr über die Beiträge der Versicherten, sondern über die Steuer zu finanzieren. Das wächst sich im nächsten Jahr auf sieben Milliarden aus. Also, wir tun da sehr viel für die Familien. Mehr war bei den Herausforderungen und Aufgaben, die im Bundeshaushalt zu erfüllen waren, nicht drin.

Deutschlandradio Kultur: Hinzu kam noch die IKB-Pleite, die Ihnen natürlich auch negativ ins Kontor gehauen hat.

Volker Kauder: Die IKB-Pleite hat sich jetzt noch nicht unmittelbar auf den Haushalt ausgewirkt, aber es ist völlig richtig, was Sie sagen. Das hat auch uns in der Fraktion schon geärgert, dass man sagt: Also, wir haben keine Milliarde dafür oder keine zwei Milliarden dafür, aber über Nacht wird einfach mal für die IKB eine Milliarde rübergeschoben.

Deutschlandradio Kultur: Zehn Milliarden!

Volker Kauder: Zunächst einmal war es eine, jetzt kommen da zehn Milliarden. Da werden wir natürlich auch noch den Finanzminister fragen, wie das finanziert werden soll. Also, an dem Beispiel kann man nur sehen: Der Staat sollte eben keine eigene Bank betreiben.

Deutschlandradio Kultur: Wird das Ganze noch ein parlamentarisches Nachspiel haben? Werden Sie in einem Untersuchungsausschuss den Finanzminister befragen?

Volker Kauder: Ich brauche keinen Untersuchungsausschuss, um meine Fragen beantwortet zu bekommen. Ich sehe die Notwendigkeit für einen Untersuchungsausschuss nicht. Aber das ist ein Recht der Opposition. Darüber will ich mich jetzt aber nicht äußern.

Deutschlandradio Kultur: Vielen Dank, Herr Kauder.

Volker Kauder: Bitteschön.