Fotos gegen die Mafia

Von Frank Hessenland · 29.09.2007
Letizia Battaglia ist eine der beeindruckensten Persönlichkeiten in der italienischen Fotografie. Seit 1978 dokumentiert sie Mafia-Morde und die dazu schweigende Gesellschaft Siziliens. In Deutschland wird Battaglias Gesamtwerk nun mit dem Erich-Salomon-Preis der deutschen Gesellschaft für Fotografie, gewürdigt. Eine Ausstellung ihrer Fotografien kann man in Ludwigshafen auf dem zweiten internationalen Fotofestival besuchen.
"Palermo ist eine tote Stadt. Die Leute sind verzweifelt, sie trinken, bezahlen ihr Schutzgeld. Das ist es. Es gibt keine kulturellen Angebote mehr von der Stadt. Nichts. Die Mafia hat die Kontrolle über das Leben im Süden wieder vollständig übernommen. "

Es klingt fast schon resignativ, wenn die große alte Dame des Anti-Mafia-Kampfes, Letizia Battaglia, wie hier auf einem Akademie der Künste Gespräch in Berlin, über die heutigen Verhältnisse in Süditalien und vor allem in Sizilien spricht, so als wäre ihr 30-jähriger Kampf gegen die Mafia mit nichts als einer alten Leica-Kamera, ein paar schwarz-weißen Filmen und einem wachen und immer empörten menschlichen Blick auf die Realitäten in ihrer Stadt Palermo fast vergebens gewesen

"Das Parlament Siziliens, wo lauter ehrenwerte Volksvertreter sitzen, besteht heute zu 40 Prozent aus angeklagten oder verurteilten Mafiosi. Wie kann man damit leben? Wie kann man dabei vertrauen in die Verwaltung und den Rechtsstaat entwickeln? Die Leute geben langsam auf und resignieren. Und viele sind verzweifelt."

Anfang der 90er Jahre zu Zeiten der Mani-Pulite-Anklagen der Staatsanwälte um Antonio Di Pietro in Mailand und der intensiven Anti-Mafia-Ermittlungen um den später ermordeten Richter Giovanni Falcone sah das noch anders aus. In diesen Jahren war Letizia Battaglia Stadträtin für Lebensqualität in Palermo. Sie schuf die erste nennenswerte Kulturförderung der Stadt. Ihre Popularität hatte die dreifache Mutter und geschiedene Ehefrau sich unter Einsatz ihres Lebens in jahrelangem Kampf gegen die Mafia erarbeitet.

Als Reporterin für verschiedene linke Tageszeitungen hörte sie den Polizeifunk in Palermo ab, fuhr zu den Tatorten hunderter Mafia-Morde, fotografierte. Später ließ sie von ihren Fotos auf eigene Kosten Plakate drucken und klebte sie in Nacht-und-Nebel-Aktionen an Häusermauern und auf leere Plakatwände. Ihre Art der ehrenwerten Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. In ihrem Fotoarchiv, dass aus Sicherheitsgründen nach Paris ausgelagert ist, finden sich Bilder einer von der Mafia durchseuchten Kultur.

Kinder im Alter von zehn bis zwölf, die mit echten Pistolen die Gestik und Mimik der Mafiosi aus dem Film der Pate nachzuspielen scheinen. Stille Bilder von umgesunkenen Menschen auf heimeligen Sofas vor laufendem Fernseher unter Fußball- oder Pirellikalendern. Liegende Körper in Trenchcoat oder Anzug auf einer Tiefgarageneinfahrt. In ihren Kleidern kleine Löcher, unter ihren Körpern die dunkle Lache ihres Blutes. Alltägliche Mordopfer. Doch es sind niemals Paparazzi-Fotografien. Sie schafft Abstand durch ihre Farbwahl in schwarz-weiß, und öffnet den Blick für die ganze Alltäglichkeit der Umstände, in denen auf Sizilien diese Grausamkeiten verübt werden können. Damit erreichen ihre Fotografien eine dauernde menschliche und künstlerische Qualität, beschreibt auch der Präsident der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck, ein Freund und Förderer der Fotografin Battaglia:

"Das sind eigentlich Dokumente tiefster menschlicher Erniedrigung auch. So würde ich es formulieren. Eigentlich für mich schwebt über all diesen Fotos eine tiefe Trauer auch von Versagen letztlich auch von Zivilgesellschaft, von Versagen, dass eine Kultur, wie die große italienische Kultur so ein Phänomen wie die Mafia hervorbringt, wo das Leben einzelner gar nichts mehr gilt."

Dass Letizia Battaglia nun den renommiertesten deutschen Fotografiepreis auf dem 2. Internationalen Fotofestival in Mannheim/Ludwigshafen/Heidelberg überreicht bekommt und ihre Fotografien prominent ausstellt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, denn in Italien ist sie aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit fast vollständig verschwunden. Der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus und auch die Forza Italia Politik Berlusconis haben die Mafia aus dem Fokus des öffentlichen Interesses verdrängt. Zudem sind die Morde seltener geworden, weil sich die die Mafia nun mehr auf ihre europäische Ausbreitung konzentriert. Dennoch hört Battaglia nicht auf vor der Krake, ihrem skrupulösem Geschäft und der Gefahr, die von ihr ausgeht zu warnen.

"Die Mafia ist elegant geworden im Vergleich zu früher. Ihre Drogen, das Kokain, das Heroin wird heute offen auf den Partys der reichen Buerger gereicht. Die Kinder der Mafiosi studieren heute in Deutschland. Aber es sind immer noch Mafiosi. Es sind die Kinder von Mördern, von Killern und Drogenhändlern. Es sind die Mörder von Menschen und von unserer Kultur."