Fotokunst im Osten Deutschlands

Offene Brüche und Kontinuitäten

Die Arbeit "Contest 19", 2011, von Erasmus Schröter ist im Kunstmuseum Moritzburg auf dem Handy einer Frau zu sehen.
Die Arbeit "Contest 19", 2011, von Erasmus Schröter ist im Kunstmuseum Moritzburg auf dem Handy einer Frau zu sehen. © Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/ZB
Carsten Probst im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 30.06.2018
Die Ausstellung "Ins Offene" widmet sich der Frage, welchen Einfluss der Mauerfall auf das Werk, die Biografie und die künstlerische Weltsicht von Fotografen hatte und bis heute hat. Der Kunstkritiker Carsten Probst hat sich die Arbeiten im Kunstmuseum Moritzburg angeschaut.
Vor gut fünf Jahren zeigte die Berlinische Galerie die erste umfassende Schau zur künstlerischen Fotografie in der DDR, wobei der Begriff "künstlerisch" durchaus umstritten war, weil manche der gezeigten Fotografen sich selbst gar nicht vorrangig als Künstler begriffen. Jetzt haben dieselben Kuratoren die damalige Ausstellung am Museum Moritzburg in Halle thematisch weitergeführt - über die Zeit der DDR hinaus. Sie stellen "Fotokunst im Osten Deutschlands seit 1990" vor. Der Kunstkritiker Carsten Probst hat sich die Arbeiten angeschaut.

Nicht wissen, wohin und wie weit

Mit der Schau im Museum Moritzburg sei keineswegs eine verspätete Nachwendeeuphorie gemeint. Die beteiligten Fotografen seien in ihrer Mehrheit schon vor der Wende kritische Beobachter gewesen. Im Westen habe dieses Offene als Titelbegriff eine gewisse Prominenz, man denke nur an Umberto Ecos offenes Kunstwerk beispielsweise oder Karl Poppers‘ offene Gesellschaft, sagt Carsten Probst.
Es gehe in der Ausstellung darum, den Eintritt in diese vermeintlich offene Gesellschaft als sehr gemischte Erfahrung nicht nur für Ostdeutsche darzustellen. "Dieser Titel ‚Ins Offene‘ hat uns von Anfang an überzeugt. Wir gehen da raus, aber wo es hingeht und wie weit und was dann passiert, keine Ahnung", sagt Ausstellungskurator Uwe Warnke. Es gehe auch darum zu zeigen, wie vielfältig die Fotografie in der DDR gewesen sei, allerdings mit einer Konzentration auf das Menschenbild, so Carsten Probst weiter.
Die Berliner Fotografin Sibylle Bergemann auf einem undatierten Selbstporträt.
Die Berliner Fotografin Sibylle Bergemann auf einem undatierten Selbstporträt. © dpa/OSTKEUZ

Vorher-nachher-Vergleich

Bei einigen Künstlern könne man auch Vorher-nachher-Effekte erkennen. Brüche beispielsweise bei Hans-Christian Schink, dessen heutiges Werk überhaupt keine Rückschlüsse auf seine Arbeit vor 1990 zulässt, heute sei es sachlich-poetisch. Auch Ute und Werner Mahler fielen eher in die Sparte Brüche. Sibylle Bergemann hingegen könne man unter "Kontinuität" anführen mit ihren nicht offiziellen Fotografien und ihrer situativen Porträtfotografie, die sie nach der Wende mit leicht verschobenen Akzenten weitergeführt habe.
Der Fotograf Hans-Christian Schink posiert im MKM Museum Küppersmühle in Duisburg vor einem Werk der Serie "1h".
Der Fotograf Hans-Christian Schink posiert im MKM Museum Küppersmühle in Duisburg vor einem Werk der Serie "1h". © Victoria Bonn-Meuser dpa/lnw/lth

Auch westdeutsche Fotografen zu sehen

Im Unterschied zur Vorgängerausstellung sind jetzt auch westdeutsche Fotografen zu sehen, weil nach 89 auch Westdeutsche nach Ostdeutschland gekommen seien, um zu fotografieren, jedoch meist als Besucher. Besonders interessant seien die Arbeiten von Carl Ludwig Lange, dessen Fotografien der Berliner Innenstadt vor und nach dem Mauerfall Postkarten schmückten: Lücken, die das Fehlen der Mauer in die Stadt gerissen hat.
2003 habe Lange dann wieder Haus für Haus abfotografiert, ganz lange Reihen seien dabei entstanden - eine echte Zeitfotografie in der Stadt. Auch Katharina Sieverding mit ihrer Plakataktion am Alexanderplatz "Deutschland wird deutscher" oder Michael Weseley, der den Umbau Berlins zur Bundeshauptstadt mit Langzeitbelichtungen verfolgt hat, seien zu sehen.

Die Ausstellung "Ins Offene. Fotokunst im Osten Deutschlands" ist noch bis zum 16. September im Museum Moritzburg in Halle zu sehen.

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