Fotografische Malerei

Von Carsten Probst |
Die Künstlerin Beate Gütschow stellt in der Dresdner Kunsthalle im Lipsiusbau 30 fotografische Arbeiten aus den letzten zehn Jahren aus. Sie sieht sich eher als Malerin denn als Fotografin - denn ihre Bilder erinnern an Ideallandschaften alter Meister des 17. und 18. Jahrhunderts.
Täuschungsmanöver, Spiele mit der Wahrnehmung und vermeintlicher Authentizität hier wie dort. Beate Gütschow sieht sich dabei zuerst in einer malerischen und nicht in einer fotografischen Tradition. Das machen insbesondere ihre fotografischen Re-Arrangements von Ideallandschaften alter Meister des 17. und 18. Jahrhunderts deutlich, wie Poussin, Claude Lorrain oder Jacob Ruisdael.

"Ich hatte überhaupt nicht mit Fotografie gearbeitet und saß halt in meinem Raum in der Hochschule, und hatte die Idee: Was ist, wenn ich Landschaftsgemälde als Fotografie noch mal wiederhole. Mir war bewusst, dass Landschaftsmalerei im 18. Jahrhundert bestimmten regeln folgte. Also da war oft immer die Baumgruppe an der gleichen Stelle, Personen an einer anderen Stelle, Vorder-, Mittel-, Hintergrund, Sie kennen das. Und ich hatte so die Idee: Was ist, wenn ich diese Regeln auch beachte und aus verschiedenen Stücken eben ein Landschaft komponiere. Das geht natürlich nur in der digitalen Fotografie. Draußen kann man sich einen Standpunkt suchen, der ähnlich ist, aber dieses Bauen der Landschaft war gebunden an den Rechner und an die Möglichkeiten der digitalen Fotografie."

Gütschow führt durch ihre Ausstellung von etwa 30 Arbeiten aus den letzten zehn Jahren in der Dresdner Kunsthalle. Von diesem Bau aus geht der Blick hinunter über die Brühlschen Terrassen auf das Elbtal und lässt dieses selbst fast schon wie ein Fotografie gewordenes Canaletto-Gemälde erscheinen. Das passt zu Beate Gütschows Präsentation hier, die mit ihren Formaten und auch ihrer Hängung bewusst das Gemäldehafte und den Rückbezug auf ihre malerischen Ursprungsideen betont. Gütschow hat sogar bewegte Bilder in Form von gesampelten Videos komponiert, die sich auf zwei Motive des niederländischen Landschaftsmalers Jacob Ruisdael aus dem 18. Jahrhundert beziehen. Ein Wäldchen, ein rauschender Bach und Gräber, über die Wolken hinweg ziehen. Die Magie der Illusion wird zugleich zur Frage, was wir sehen, wenn wir etwas sehen.

"Mir sind die Positionen Jeff Wall, Wolfgang Tillmans sind mir näher als zum Beispiel die gesamte Becher-Schule. Die Becher-Schule ist für mich sozusagen die andere Seite, aber das ist auch klar, weil deren Ausgangspunkt ist die Statue Photography, die Dokumentarfotografie. Und ich komme eben genau von der anderen Seite."

Wir stehen im hohen, zentralen Saal der Kunsthalle mit seinen kahlen Betonwänden und abgebrochenen Deckengesimsen, hier hängen großformatige Schwarzweißbilder, die zusammengesetzte Architekturen zeigen. Moderne, meist menschenleere Bauten, die wie verlassene Solitäre von einer unklaren Nutzung künden. Man erfährt nichts über ihre Bedeutung, aber sie gleichen ihrer Art nach Gebäuden, wie man sie überall finden könnte. Nur dass Gütschow aus ihnen ebenfalls so etwas wie Idealgebilde gemacht hat. Hässliche, bedeutungsleere, unbrauchbare Idealgebilde einer hybrid gewordenen Moderne.

"Da ist mir halt wichtig, dass es eben keinen Ort gibt und auch keinen Zeitpunkt, den man den Bildern zuordnen könnte. Normalerweise, wenn man Fotografie anschaut, dann denkt man ja eigentlich immer sofort, wo ist das und wann ist das aufgenommen. Man versucht immer, Kontext herzustellen und Ereignis herzustellen. Und das ist so eine Grunderwartung die wir an Fotografie haben, und die wird in diesen Bildern einfach nicht erfüllt. Man wird so alleingelassen und kriegt die Frage nie beantwortet."

Drüben auf der anderen Seite des Saals hängen in einem eigenen Kabinett neueste Arbeiten, in denen sich Gütschow mit einer Form von Fotografie auseinander setzt, die per se nur das Ideale zeigt und daher auch kollagiert und geschönt ist wie keine andere: die Reklamefotografie.

"Ausgangspunkt hier war die Ästhetik, beziehungsweise auch die Produktionsmethoden der Reklamefotografie zu übernehmen, auch die Präsentation wieder im Display der Reklame zu machen. Was aber, glaube ich, sehr ähnlich ist wie bei den schwarzweißen Arbeiten, dass so eine Zuordnung nicht stattfinden kann. Man denkt, was wird hier eigentlich gezeigt? Eine Reklame hat ja normalerweise eine Message. Ein Produkt wird präsentiert. Also damit wird man wieder so alleine gelassen, und das Produkt, was präsentiert wird, ist eigentlich völlig wertlos."

Gütschow präsentiert dagegen mit aufklärerischem Gestus eine höchst präzise ausgemessene Ordnung ohne Sinn. Die Dingwelt ihrer Reklameleuchtkästen ist absurd, oder nicht einmal das: Sie überführt das Verlangen nach Wiedererkennbarkeit der Realität als die große Sinnsuche des Betrachters – und damit als dessen ständige Verführ- und Manipulierbarkeit.