Fotografin Candida Höfer

Gespür für gläsernes Licht

Die Fotografin Candida Höfer am 12.9.2013 in Düsseldorf
Die Fotografin Candida Höfer am 12.9.2013 in Düsseldorf © dpa / picture alliance / Roland Weihrauch
Von Simone Reber · 02.12.2016
Berühmt wurde die Fotografin Candida Höfer mit ihren menschenleeren Bildern von Bibliotheken, Museen und Opernbühnen. Jetzt stellt der Neue Berliner Kunstverein frühe Arbeiten wie ihre Serie über "Türken in Deutschland" aus dem Jahr 1979 neuesten Bildern gegenüber.
Eine Wand mit Glasbausteinen. Sie sind gesprungen, so dass sich das Licht bricht. Dann eine Treppenstufe aus Granit, mit einem dunklen Abflussloch. Dann ein Gulli, Pflastersteine, eine Ecke neben der Jalousie, in der sich grauweißer Vogeldreck gesammelt hat.
Im Rhythmus eines ruhigen Atems überblenden sich die projizierten Fotos in hellem Grau. Licht und Stein senden die widersprüchlichen Signale eines gewöhnlichen Hauseingangs aus. Offenheit und Abgeschlossenheit, Transparenz und Undurchdringlichkeit wechseln sich irritierend ab.
"Berlin 2016" heißt die Serie, für die Candida Höfer die unauffälligsten Ecken der Stadt fotografiert hat:
"Berlin 2016, den Monat weiß ich leider nicht mehr, habe ich einen Spaziergang gemacht und meine Kamera meistens gegen den Boden oder Häuserfassade und Bürgersteig gerichtet. Dann bin ich eine Straße, die ziemlich lang war, entlang gegangen und dann irgendwann mal um eine Ecke. Und die Idee war eigentlich, möglichst etwas festzuhalten, was sich ähnelt."
"Nach Berlin" – den ironischen Titel der Ausstellung im Neuen Berliner Kunstverein hat sich Candida Höfer bei Erich Kästners "Emil und die Detektive" geborgt:
(Film) "Wohin geht denn die Weltreise? − Nach Berlin. − So, nach Berlin, haben wohl Ferien. − Ja, aber ich habe auch noch etwas Geschäftliches zu erledigen. − Geschäftliches? Ei, ei."
Candida Höfer: "Da geht es ja darum, dass ein kleiner Junge, der in einem kleinen Ort in der Nähe von Berlin lebt, in die Großstadt Berlin mit dem Zug fährt. Und da kommt wahrscheinlich schon vorher die Ansage: 'Nach Berlin'. Und die kommt so, dass mich das gepackt hat und ich dachte: Ja, nach Berlin, das sollte der Titel sein."

Jungs in Lederjacke, Frauen in Pluderhose

Nach Berlin hat Candida Höfer ihre erste große Serie über "Türken in Deutschland" aus dem Jahr 1979 mitgebracht. Bilder von Jungs in Lederjacke und Schlaghose, die für die Fotografin posieren. Von Männern, die auf dem Betonmobiliar einer Fußgängerzone sitzen und rauchen, von Frauen in Pluderhose und Wollweste.
Die Arbeit lässt schon Candida Höfers Präzision erkennen, aber auch ihre Distanz. Danach werden die Räume menschenleer. Ein Pflanzenkübel aus Kunststoffsteinen steht auf einem wasserblauen Teppichboden mit Wellenmuster. Draußen vor dem breiten Fenster wartet ein Flugzeug – die Vorstellung von den abwesenden Reisenden belebt die unscheinbare Einrichtung der Halle, die nur im leeren Raum sichtbar wird.
Candida Höfer: "Ich finde einfach, dass der Raum sichtbarer macht, was ich zeigen will und die verschiedenen Strukturen, die Farbigkeit und eben, was sich in dem Raum befindet."
– "Und vor allem das Licht wird sichtbar, wie machen Sie das eigentlich sichtbar?"

Candida Höfer: "Ja, das macht sich sichtbar."

Absolute Ruhe und leere Räume

Das treffendste Porträt von Candida Höfer stammt von ihrem portugiesischen Kollegen Rui Xavier. Für das Buch "Silent Spaces" hat er die Künstlerin durch mehrere Glasscheiben hindurch aufgenommen, so dass sich Spiegelungen und Gestalt überblenden, bis die Fotografin selbst fast durchsichtig wirkt.
Candida Höfers Gespür für gläsernes Licht ist auch in der Ausstellung des Neuen Berliner Kunstvereins zu erleben. Zwischen Pfeilern aus hellgrauem Sichtbeton, wie er gerade in der Kreativszene hip ist, hängt diffuses Licht wie ein Nachhall. Die Fotografin arbeitet nie mit Scheinwerfern. Schon deshalb müssen die Räume leer sein:
"Das heißt aber, da die Belichtungszeiten ziemlich lang sind, dass wirklich keine Bewegung da sein kann. Es muss wirklich, sowie angefangen wird zu belichten... Geräusche gehen natürlich, aber die Geräusche ziehen dann auch die Leute an. Also besser absolute Ruhe."
In den reglosen Bildern wirken die leeren Räume seltsam vertraut und doch fremd, sehr konkret in ihrer Funktion und dennoch abstrakt. Durch die Zentralperspektive der Fotos bleibt auch der äußerste Winkel scharf. Der subjektive Blick der Fotografin verschwindet, so dass man sich fragt, wie sie die Position ihrer Kamera bestimmt?
"Ja, wenn ich das wüsste. Ich gehe da rein und baue die Kamera auf und das Stativ, ich mache das nach Gefühl. Dann werden Teste gemacht, und an Hand der Teste wird dann noch mal fein gearbeitet. Im Grund genommen ist eigentlich die Ausarbeitung viel aufwendiger als das Fotografieren selbst."
"Nach Berlin" – detektivisch erkundet Candida Höfer den Zwischenraum, in dem sich Öffentlichkeit und Privatsphäre überlappen. Da trifft die lichte und genaue Ausstellung das neue Lebensgefühl der schick gewordenen Stadt zwischen glänzender Selbstdarstellung und rauer Anonymität.
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