Die Ausstellung "Fette Beute. Reichtum zeigen" ist noch bis zum 11. Januar im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg zu sehen. Mehr Informationen: auf der Webseite der Ausstellung
Verstörende Bilderwelt

Jugendliche im Champagnerbad oder mit goldenen Mobiltelefonen: Reichtum wird immer schamloser inszeniert, zum Beispiel in Blogs. Die Ausstellung "Fette Beute. Reichtum zeigen" beschäftigt sich als erste damit, wie Reichtum in der zeitgenössischen Fotografie dargestellt wird - ein beeindruckendes Projekt, das den Blick für Missstände schärft.
Ein Chinese steht lachend auf dem Sprungbrett seines Swimming-Pools. Hinter ihm öffnet sich der Blick auf seine Villa, und auf einen Schwarzen, der den Pool reinigt. Paolo Wood fotografierte diese Szene 2007 im Kongo. Etwas weiter sieht man einen lasziv blickenden Jungen mit einem Brillanten-Collier um den nackten Oberkörper. Die Werbung für eine Schmuckauktion inszenierte Jürgen Teller 2005.
Schwerpunkt der ungewöhnlichen und doch so nahe liegenden Ausstellung bildet die aktuelle Fotografie. Doch präsentiert Kuratorin Esther Ruelfs auch andere Medien. zum Beispiel den Blog "Rich Kids".
"Wo rich kids ganz affirmativ ihren Reichtum vorzeigen: Sie zeigen sich beim exzessiven Feiern, im Champangnerbad, goldene Mobiltelefone. All diese Insignien von Reichtum werden vorgeführt. Dann gibt es so jemanden wie Slim Aarons, einen Society-Fotografen, der auch ein völlig unkritisches Bild davon zeichnet. Und dann gibt es eben viele künstlerische Arbeiten. Und natürlich ist die Aufgabe des Künstlers die, auch einen bestimmten Zustand von Gesellschaft kritisch ins Auge zu nehmen."
Gnadenloser Zoom auf Fettwülste und Kleiderflecke
Es ist eine verstörende und perverse Bilderwelt, die sich einem da zeigt. Eine, der jegliches humanes Maß, jede Vorstellung von einer menschlichen, sozial gerechten Gesellschaft fehlt. Eine, die umgehend den Blick schärft für die unterschiedlichen Formen der Inszenierung von Reichtum. Dabei entpuppt sich die herrische Selbstinszenierung als ebenso beklemmend, wie das, was Künstler an Bildern entwickeln. Martin Parr etwa schlägt genau dann zu, wenn sich die feine Gesellschaft unbeobachtet fühlt.
"In seiner Serie Luxury besucht er die Orte des Reichtums. Das sind sowohl die klassischen Orte wie der Rennplatz, aber eben auch die neuen Orte des Reichtums, die Haute-Couture-Show, die Modemesse. Er hat so ein entlarvendes Moment."
Gnadenlos zoomt er auf Fettwülste in zu engen Kleidern, auf Kleiderflecke, auf zerlaufendes Make-up. Der Aufklärer Parr zeigt Reichtum so hässlich und grotesk, wie es die Existenz einer zutiefst sozial gespaltenen Gesellschaft nun einmal ist.
Orte des Reichtums
Seit Jahren wird Luxus immer exzessiver und schamloser ausgestellt. Die Ausstellung widmet sich dem mit geradezu soziologischem Interesse.
"Mir ging es darum, diese Bilder, die wir an ganz verschiedenen Orten sehen, wie ein Instrumentarium an die Hand zu geben: Diese Bilder auch zu analysieren und kritisch damit umzugehen."
Grob thematisch geordnet lenkt die Kuratorin den Blick auf bestimmte Aspekte der Darstellung von Reichtum: Man sieht die feine Gesellschaft beim Feiern. Man sieht die Orte des Reichtums: Konzern-Zentralen, Anwesen, Schlösser. Bewachte Orte, abgesichert und geschützt vor dem Draußen."
Zu einigen dieser Orte erhielt der brasilianische Filmemacher Gabriel Mascaro Zutritt: In abgeschotteten Luxuswohntürmen von Rio de Janeiro besuchte er Penthausbesitzer, …
… "die er in ihren Penthäusern zeigt, und die die unterschiedlichen Funktionen, die diese Umgebung hat, zum Thema machen: sich abzuschotten von dem, was auf der Straße passiert; die Wohnung als Statussymbol; das Penthouse als Metapher für Reichtum. Das Penthouse ist wie eine Insel. 'Wir sind dort näher zu Gott', sagt einer."
Demaskierung der Profiteure des neoliberalen Kapitalismus
Die Ausstellung verdeutlicht auch: Es gibt eine Ikonografie von Macht und Reichtum. Weltweit präsentieren sich Reiche vor der Kamera ähnlich. Die High-Society-Damen, die die Libanesin Lamia Maria Abillama 2007 in Rio fotografierte, sitzen mit den gleichen starren Gesichtern in ihren riesigen Salons vor alten Gemälden und antiken Möbeln, wie die Damen auf einigen Fotografien aus den 20er- und 30er-Jahren.
"Es sind bestimmte Bildformen, wie man sich zeigt: Da sieht man, das die Porträtierten eigentlich immer in ihrer eigenen Umgebung gezeigt werden. Also in ihren Wohnzimmern. Und es sind wiederkehrende Möbelstücke - antike Möbel, Gemälde, die im Hintergrund zu sehen sind, es sind die Rokoko-Möbel, es ist das Silber, was gezeigt wird."
Jahrzehntelang dokumentierten kritische Fotografen vor allem Armut. Doch seit den 1980er-Jahren, seit Beginn des neoliberalen Kapitalismus, gerät die Gegenseite in ihr Visier. Ironisch und sarkastisch demaskieren die Künstler die Profiteure dieser Politik.
Mit der ersten zusammenfassenden Präsentation ihrer unglaublich abgehobenen und gleichzeitig so ätzend realistischen Bilderwelten ist dem Museum für Kunst und Gewerbe ein beeindruckendes Projekt gelungen. Ein Projekt, das aus einer ungewöhnlichen Perspektive heraus den Blick schärft für die zutiefst ungerechten gesellschaftlichen Missstände, die uns umgeben, und das damit in bleiernen Zeiten vorrevolutionäre Gefühle erzeugt.