Fortschritt oder Folklore

Von Claus Stäcker · 09.03.2011
Botswanas Regierung scheinen sie immer irgendwie im Weg zu stehen: die San, die Ureinwohner der Kalahari. Gegen eine geplante Umsiedlung aus ihrer angestammten Heimat haben sie sich erfolgreich gewehrt.
Die Nachricht hat sie gerade erst erreicht: Die Buschleute von Metsiamanong inmitten der Wüste Kalahari, dessen zentraler Teil in Botswana ein Nationalpark ist, ein Naturschutzgebiet von der Größe Dänemarks, eines der größten der Welt. Mithilfe der britischen Menschenrechtsorganisation Survival International haben sie nach achtjährigem Gerichtsstreit von der Regierung das Recht erkämpft, ihren einzigen Brunnen, 50 Kilometer entfernt, wieder zu öffnen.

Spontan singen sie einen Wassersong - denn Wasser ist Leben. Niemand weiß das so genau wie die Buschleute, die seit mindestens 20.000 Jahren in der Wüste leben.

Im Moment ist Regenzeit, seit Jahrzehnten hat es nicht mehr soviel geregnet. Die Kalahari ist grün, die großen Salzpfannen, auf denen sich Antilopen, Löwen und Geparden tummeln, sind gut bewachsen. Und die Fässer, die die San aufgestellt haben, um Regenwasser zu sammeln, sind gut gefüllt.

Aber für die Trockenzeit reicht es nicht, deshalb brauchen sie den Brunnen, den der Diamantenkonzern De Beers einst bohren und die Regierung vor wenigen Jahren wieder schließen ließ. Sie wollte, dass die Basarwa, wie sie sie nennt, das Schutzgebiet verlassen - und siedelte sie zwangsweise um.

Das Gericht in Lobatse, gute zehn Autostunden entfernt, hat das als verfassungswidrig zurückgewiesen und nun in einem zweiten Urteil der Regierung mit klaren Worten untersagt, die Buschleute vom Wasser abzuschneiden. Grauenvoll seien die Konsequenzen. Die Regierung will das Urteil nicht mehr anfechten, wie die Informationsdirektorin des Außenministeriums, Tshenolo Modise, erklärt.

"Wir haben bereits reagiert und gesagt, dass wir das Urteil respektieren."

Allerdings schränkt sie auch sofort ein:

"Die Regierung wird nicht die Bohrlöcher wiedereröffnen, das ist im Urteil nicht vorgesehen, das müssen die Basarwa-Buschleute auf eigene Kosten tun."

Im Schatten eines Apfelblatt- oder Regenbaumes diskutieren die Männer nun, wie sie die Wasserstelle wieder freilegen und in Betrieb nehmen können. Ob mit Dieselpumpe oder lieber solarbetrieben. Die ältesten Bewohner Afrikas, die einzigen noch in ihrem angestammten Gebiet lebenden Buschleute, tragen keinen Lendenschurz mehr. Auch Jagen mit Speer, Bogen und Giftpfeil findet nicht mehr statt. Die Regierung hat es innerhalb des Parks verboten. Und auf die Jagdlizenzen und trostlosen neuen Siedlungen außerhalb verwiesen. Aber das ist kein Leben, sagt der alternative Nobelpreisträger von 2005, Roy Sesana, der wieder in den Park zurückgekehrt ist und im zerschlissenen T-Shirt um Essen und Tabak bittet.

"Wovon kann ich dort leben, die Stadt braucht mich nicht. Ich habe also einen Wasserbehälter genommen und bin in die Heimat meiner Vorfahren zurückgekehrt, das ist meine Kultur, meine Tradition."

Überleben kann Sesana aber in Dürrezeiten nur mit Wasser, das von außen herangekarrt wird, von Wildmelonen und Bohnen, aber auch von Hühnern und Ziegen, deren Haltung im Park verboten ist. Jederzeit können sie die Tiere holen, und jagen dürfen sie auch nicht. Die Regierung hat bisher keinen überzeugenden Plan, wie die San integriert werden können, ohne sie zu entwurzeln.

Alternativnobelpreisträger Roy Sesana möchte wieder leben wie früher, Giraffen jagen, und von den Jungen per Signalschleuder über besonders zartes Beutefleisch informiert werden. Aber auch er hat keinen Plan, wie sein Volk in der Moderne bestehen kann, ohne sich zu verlieren.