Forschungsprojekt "Homestories"

Wie Hotel-Ästhetik und Wohnungen sich angleichen

05:10 Minuten
Impression von der internationalen Wohn- und Einrichtungsmesse in Köln.
Immer mehr Wohnungen sehen aus, als wäre man im Hotel. © picture-alliance/Geisler-Fotopress
Christian Demand im Gespräch mit Anke Schaefer  · 17.01.2020
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Privates und Öffentliches scheinen zu verfließen. Das beobachtet der Kunsthistoriker Christian Demand beim Wohnen, wo sich die Hotel-Ästhetik auch in den privaten vier Wänden immer stärker durchzusetzen scheint.
Überall da, wo ein überdurchschnittliches Wohlstandsniveau zu beobachten sei und überdurchschnittliche geschmackliche Ansprüche visualisiert würden, treffe man auf Wohnwelten, die von Hotels kaum noch unterscheidbar sind, sagt der Kunsthistoriker Christian Demand.
Der Herausgeber der Kulturzeitschrift "Merkur" ist derzeit Senior Fellow am Archiv der Avantgarden in Dresden und erforscht in dem Projekt "Homestories" das Wohnen. Gerade wenn man sich ambitionierte Einrichtungszeitschriften und Architekturzeitschriften anschaue, sei dieser Trend zu beobachten. "Es fließt ineinander", sagt er über die Angleichung von Hotel- und Wohnungsästhetik.
Christian Demand
Der Kunsthistoriker Christian Demand forscht über das Wohnen. © Deutschlandradio / Jana Demnitz
Historisch sei interessant, dass im 19. Jahrhundert erstmals systematisch darüber nachgedacht worden sei, wie Wohnungen aussehen sollten. Der Prozess der Verstädterung entwickelte sich, sehr viele Menschen seien umgezogen. Die Wohnung sei ein Rückzugsort vollständiger Privatheit, der Behaglichkeit und des Familiären gewesen – und damit unterscheidbar von öffentlichen Räumen. "Es gibt so eine Insel des Rückzugs – heute würde man sagen ein Hygge-Gedanke des 19. Jahrhunderts."

Wohnung als Rückzugsort

Daraus habe sich eine Typologie des Wohnens und ein Nachdenken über Wohnen entwickelt, in dem privat und öffentlich stark getrennt wurden. "Was daran eben spannend ist, dass sich das auflöst." Schon im 20. Jahrhundert greife diese Ästhetik des Heimeligen nach außen aus.
So seien beispielsweise in großen Warenhäusern plötzlich Bereiche geschaffen worden, die kennzeichnen sollten, dass dort auch etwas Privates stattfinde. Da seien die Ästhetik und die Art des Einrichtens im privaten Raum in den öffentlichen, kommerziellen Raum eingezogen. "Und umgekehrt schiebt sich das Öffentliche in das Private."

Wenig Einblick in konkrete Wohnungen

Es mache ihm Spaß, diesen Dingen nachzugehen, so Demand. Bei seinem Forschungsprojekt erfahre er zwar sehr viel über Bilder, die geschaffen würden, um ideales Wohnen zu zeigen, aber wenig über reelle Wohnungen. Wenn man über Wohnen forsche – und das gelte vermutlich für alle Disziplinen – ergebe sich das Problem, dass man Diskurse und Bildwelten studieren könne, "aber dass sie ganz wenig aussagekräftiges Material über das reale Wohnen haben."
Wie ein Journalist sich zu verabreden und Wohnungen zu besuchen, reiche nicht aus, um zu sehen, wie die große Menge der Menschen wohne. Auch in den sozialen Medien sei die "Hotel-Ästhetik" des Wohnens sehr verbreitet, um beispielsweise Weltläufigkeit zu demonstrieren. Deshalb sei die Zeit gut gewählt, um zu zeigen, welche Bilder über das Wohnen Menschen heute freigäben und wie sie sich inszenierten, so Demand.
(gem)
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