Forschung mit Kleinstlebewesen

Finden wir über Biopigmente Leben im All?

Ein Junge beobachtet durch ein selbstgebautes Teleskop den Himmel.
Sind wir irgendwann so weit, von der Erde aus Energieschübe von Kleinstlebewesen aus dem All wahrzunehmen? © imago/Westend61
Von Thomas Wagner · 01.08.2017
Svetlena Berdyugina und ihre Kollegen an der Universität Freiburg könnten die Suche nach Leben im All revolutionieren. Mit ihrer Methode könnten Wissenschaftler von der Erde aus Spuren von Leben auf Planeten finden, die weit entfernt sind. Die Umsetzung dauert aber noch.
"Der Weltraum – unendliche Weiten..." – so lautet der Einstieg in die Serie "Raumschiff Enterprise". Aber so unendlich müssen die Weiten gar nicht sein - bei der Suche nach außerirdischem Leben. Vielleicht werden wir ja schon in der direkten Nachbarschaft unseres Sonnensystems fündig, beispielsweise im Doppelsternsystem Alpha Centauri, schlappe 4,34 Lichtjahre entfernt, macht gerade mal um die 35 Billionen Kilometer.
Svetlana Berdyugina und ihre Kollegen haben dort einen bestimmten Planeten im Auge:
"Wir glauben, dass er der Erde sehr stark ähnelt."
Der Planet habe die richtige Distanz zur nächsten Sonne, damit dort flüssiges Wasser auf der Oberfläche möglich wäre, wenn es denn eine Atmosphäre gebe. "Und es könnte sein, dass es dort tatsächlich eine Atmosphäre gibt. Und dann wäre Wasser auf der Oberfläche denkbar", sagt Berdyugina.
Wenn Svetlena Berdyugina über ihr Forschungsprojekt redet, scheinen ihre Augen zu funkeln vor Begeisterung. Die gebürtige Russin arbeitet seit 2008 in Freiburg, leitet in Personalunion das Physikalische Institut der Universität und das Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik im gleichen Gebäude. Die engagierte Physikerin hat ein Ziel vor Augen, dem sie jetzt so nahe gekommen ist wie nie zuvor:
"Das ist mein größter Wunsch: Leben irgendwo im Universum finden - und zu sehen, ob das was völlig Neues ist, oder ob es dem Leben auf der Erde ähnelt."

Ein Leuchten vom Planeten könnte auf Leben hindeuten

Und da kommt der neue, erdähnliche Planet im Nachbar-Sonnensystem Alpha Centauri ins Spiel - ein potentieller "Kandidat" für die Entstehung von Leben. Das Problem: Wie soll dieses Leben von der Erde aus überhaupt detektiert, wahrgenommen werden?
Deshalb hat die Freiburger Physikerin Svetlana Berdyugina gemeinsam mit Wissenschaftlern der University of Hawaii und der dänischen Universität Aarhus ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich Leben auf anderen Planeten nachweisen lässt: Es geht um eine Art "biologischen Fußabdruck", der sich im reflektierten Licht wiederfindet:
"Wir suchen nach winzig kleinen Organismen, die aber bereits den Prozess der Photosynthese beherrschen."
Vereinfacht gesagt, gewinnen die Kleinstlebewesen bei diesem Prozess Energie.
"Und jetzt kommt das Wichtigste: Diese Lebewesen nutzen das Licht des nächstgelegenen Sterns."
Alpha Centauri AB und Proxima Centauri
Alpha Centauri AB und Proxima Centauri© dpa / picture alliance
Und genau dieses Licht aus dem All, das Kleinstlebewesen auf einem fernen Planeten zur Photosynthese nutzen, könnte den Forschern um Svetlana Berdyugina verraten, ob es auf dem Planeten Leben gibt oder auch nicht. Denn reflektiert ein Lebewesen, das zur Photosynthese fähig ist, das Licht, dann findet eine winzige, aber durchaus messbare Spektralverschiebung statt.
Und daraus können die Experten tatsächlich auf Leben schließen:
"Wenn diese Kleinstlebewesen also dieses Licht aus dem All absorbieren, erzeugt das eine Art 'Fußabdruck' in dem Licht, das ins All zurückreflektiert wird."
Die Wissenschaftler könnten dieses reflektierte Licht analysieren.
"Und wenn es da tatsächlich kleine Organismen gibt, können wir die an diesem 'Fußabdruck' im reflektierten Licht erkennen."

Erst einmal müssen passende Teleskope gebaut werden

Soweit die Theorie. In der Praxis sind die Wissenschaftler noch Lichtjahre von der Umsetzung des neuen Verfahrens entfernt. Erst mal müssen spezielle Teleskope in der notwendigen Größe gebaut werden. Das wird, da ist sich Svetlana Berdyugina sicher, noch Jahre dauern. Aber dann, glaubt die Wissenschaftlerin, kommt möglicherweise dank des neuen Verfahrens der ganze große Wurf, die ganz neue Erkenntnis:
"Das ist eine wirklich faszinierende Angelegenheit: Denn bisher kennen wir ja nur einen einzigen Planeten mit Leben: Das sind wir selber."
Schon auf der Erde gebe es eine riesige Vielfalt an Leben. Alles basiere auf der gleichen DNA, also auf den gleichen Grundbausteinen des Lebens.
"Wenn wir jetzt aber draußen im All eine andere Lebensform entdecken, kommt die entscheidende Frage auf: Wird dieses Leben ebenfalls auf den gleichen Bausteinen aufgebaut sein wie bei uns? Oder ist das dann etwas völlig anderes?"
Beide Varianten wären höchst spannend, sagt Berdyugina:
"Wenn wir Leben finden mit den gleichen Elementarbausteinen wie auf der Erde, müssen wir davon ausgehen, dass unser Leben aus dem All zu uns gekommen ist."
Fänden Forscher aber Leben mit anderen Grundbausteinen, dann sei das der Beweis, dass auch Leben entstehen könne, wenn es ganz anders aufgebaut sei.

"Ich möchte, dass wir das noch zu meinen Lebzeiten schaffen"

Die Freiburger Astro-Physikerin Svetlana Berdyugina kann sich das auch nicht vorstellen. Und deshalb baut sie voll auf die Möglichkeit der neuen Nachweismethode mit dem optischen "Fussabdruck", das solches Leben im reflektierten Licht hinterlässt.
Das Problem ist nur: Die Mühlen der Wissenschaft mahlen nicht besonders schnell, wenn es darum geht, die dafür nötigen Messinstrumente und Teleskope bereitzustellen. Deshalb äußert Svetlana Berdyugina einen Herzenswunsch:
"Ich bin natürlich äußerst ungeduldig. Ich möchte, dass wir das noch zu meinen Lebzeiten schaffen."
Vielleicht sei die Forschung in zehn Jahren schon weiter. Gleichzeitig halte sie es für möglich, dass auf den Planeten, auf die sie sich konzentrierten, kein Leben vorhanden sei.
"Und selbst dann wissen wir, dass es noch viele, viele weitere Planeten gibt. Und wir müssen lernen, sie zu entdecken, zu beobachten."
Mit dem Leben im All sei es ähnlich:
"Vielleicht entdecken wir ja auf einem dieser Planeten eine neue Lebensform - und lernen dabei, wie wir nach dieser neuen Lebensform auch auf all den vielen anderen Planeten im All suchen müssen."
(Online-Bearbeitung: ske)
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