Forscher hoffen auf Zugang zum NS-Archiv in Bad Arolsen

Von Philipp Krohn · 25.04.2006
Seit Jahren bemühen sich Historiker vergeblich um Zugang zum Opfer-Archiv des Internationalen Suchdienstes im Hessischen Bad Arolsen. Dort lagern etwa 47 Millionen Einzeldokumente mit Hinweisen auf 17 Millionen NS-Opfer. Bislang war das Archiv aus Datenschutzgründen nur Privatpersonen zugänglich. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hatte kürzlich bei einem Besuch in Washington signalisiert, das Archiv für die Forschung öffnen zu wollen.
Um das Opfer-Archiv des Internationalen Suchdienstes ist der aktuelle Streit entbrannt. Der Suchdienst wurde noch während des Zweiten Weltkriegs von den Briten ins Leben gerufen. Seit 1946 ist sein Sitz im hessischen Arolsen. Die Leitung des Archivs liegt in den Händen des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes. Vertreter aus neun europäischen Staaten sowie aus den USA und Israel kontrollieren seine Arbeit. Die Sammlung umfasst mehr als 45 Millionen Einzelnachweise über Opfer der Nationalsozialisten, darunter Totenlisten aus Konzentrationslagern und Berichte über medizinische Experimente an lebenden Menschen.

Bislang darf die Akten nur einsehen, wer die Vollmacht eines Betroffenen oder eines Angehörigen der Opfer besitzt. Genau das finden Vertreter des Holocaust Museums in Washington zu restriktiv. Sie meinen, auch Forscher müssten Einsicht in die Akten erhalten dürfen. "Wissentliches Verbergen von Holocaust-Dokumenten ist eine Form der Leugnung", warf der Historiker Paul Shapiro der deutschen Leitung des Archivs in der New York Times vor.

Das Archiv beruft sich auf Beschlüsse des Kontrollgremiums, in dem die USA einen von elf Sitzen haben. Die Regeln sehen vor, dass nicht gegen die Interessen der Opfergruppen verstoßen werden darf. Denn die Akten enthalten intime Angaben - die zum Teil frei von den NS-Behörden erfunden wurden. So sind beispielsweise die Begründungen der Behörden zu lesen, warum eine Person während des Dritten Reichs inhaftiert wurde.

Der Internationale Suchdienst hat die Vorwürfe aus den USA zurückgewiesen. Das Archiv arbeite seit 60 Jahren für die Verfolgten, betonte eine Sprecherin. Doch die Diskussion ist nicht zum ersten Mal entflammt. Bereits mehrfach haben sich einzelne Mitgliedsstaaten dafür ausgesprochen, die Bestimmungen zum Datenschutz zu lockern: bislang ergebnislos, weil sich das elfköpfige Gremium nie einstimmig dazu durchringen konnte.

Das Gespräch zum Thema mit Volkhardt Knigge, Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Player hören.