Forderung nach längerer Speicherung von Telefondaten findet Unterstützung

Moderation: Birgit Kolkmann |
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Heribert Rech (CDU), hat sich der Forderung nach einer längeren Speicherung von Mobilfunk- und Internetverbindungsdaten angeschlossen. Eine Speicherung von bis zu drei Jahren, wie sie Bundesinnenminister Schily gefordert hat, sei aber wahrscheinlich nicht notwendig, erklärte der baden-württembergische Innenminister.
Kolkmann: Das Bankgeheimnis ist praktisch aufgehoben, Telefondaten für mindestens ein halbes Jahr gespeichert. Ist unsere Privatsphäre längst öffentlich? Zumindest für den Staat, oder doch weitgehend, und der will noch mehr wissen, was die Bürger tun und denken, möglichst alle Telefon- und Handygespräche abhören können, die Verbindungsdaten jahrelang speichern, auch die von SMS, Emails usw. Damit könnte von jedem der 400 Millionen EU-Bürger ganz schnell ein Bewegungsprotokoll erstellt werden. Für Datenschützer ist diese Anhäufung von gesammelten Daten eine Horrorvision. Heute wird das Bundesverfassungsgericht über das niedersächsische Polizeigesetz verhandeln. Das erlaubt die Überwachung von Telefon und Handys schon im Vorfeld vermeintlicher Straftaten, und das ohne den berühmten Anfangsverdacht. Wir sind jetzt mit dem Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech von der CDU. Herr Rech, hätten Sie das niedersächsische Polizeirecht auch gern?

Rech: Also wir fordern aus fachlicher Sicht - und insoweit stimmen wir völlig überein - eine Speicherdauer von zwölf Monaten. Es geht, wenn ich das vorweg gleich klarstellend sagen darf, nicht darum, dass etwa Telefonate abgehört werden, sondern es geht darum, dass die Speicherfristen für einen Zeitraum festgelegt werden, der den Ermittlungsanforderungen auch gerecht wird. Ohne Speicherung von Verbindungsdaten führt die digitale Spur ins Leere.

Kolkmann: Zwischen der Verbrechensprävention und der Terrorismusabwehr haben ja viele Datenschützer und Juristen die Befürchtung, dass die Grundrechte auf der Strecke bleiben.

Rech: Zunächst einmal ist dem entgegenzuhalten, dass die Daten größtenteils schon jetzt bei den Telekommunikationsunternehmen gespeichert werden. Also die Polizei kann auch heute schon bei Vorliegen eines richterlichen Beschlusses darauf zugreifen. An diesem Richtervorbehalt möchte ich nichts ändern. Es geht, wie gesagt, lediglich darum, die Art der gespeicherten Daten zu vereinheitlichen und die Speicherfristen auf einen Zeitraum festzulegen, der den Ermittlungserfordernissen dann auch gerecht wird.

Kolkmann: Bundesinnenminister Schily möchte ja gerne in diesem so genannten Sicherheitspaket III noch ein bisschen mehr als das, was wir eben besprochen haben, nämlich etwas, was durchaus auch auf EU-Ebene kontrovers diskutiert wird, also eine Speicherung von Telefondaten bis zu drei Jahren. Ist das nicht ein bisschen übertrieben?

Rech: Nun, also so lange Speicherfristen muss man zunächst mal an den praktischen Erfordernissen messen. Ich bin mir gar nicht sicher, ob wir eine so lange Speicherfrist tatsächlich brauchen. Ich stehe auf dem Standpunkt, zwölf Monate würde zunächst mal genügen. Aber es ist in der Vergangenheit in einer Vielzahl von Ermittlungsverfahren eine Identifizierung oder eine Überführung des Täters nicht oder nicht mehr möglich gewesen, weil die notwendigen Daten vom betroffenen Dienstanbieter bereits gelöscht oder gar nicht erst gespeichert waren. Aber die grundsätzliche Problematik besteht darin, dass Ermittlungen häufig über einen längeren Zeitpunkt andauern und beispielsweise erst sehr spät die Nutzung eines bestimmten Kommunikationsmittels durch den Täter bekannt wird. Dann kommen die entsprechenden Anträge oft zu einem Zeitpunkt, zu dem die Daten bereits nicht mehr vorhanden sind.

Kolkmann: Wie groß ist denn eigentlich konkret der Nutzen, wenn man in Kauf nimmt, dass wir beinahe so etwas wie den gläsernen Bürger haben?

Rech: Also der gläserne Bürger ist nicht das Ziel, aber den Nutzen können Sie im Anschluss an die fürchterlichen Anschläge von Madrid sehen. Die wären letztlich nicht oder jedenfalls sehr viel schwerer aufzuklären gewesen, wenn die Kommunikationsdaten für die Zündung der Sprengsätze, verwendet in Mobiltelefonen, nicht mehr gespeichert gewesen wären.

Kolkmann: Verhindert worden sind die Attentate aber nicht.

Rech: Verhindert wurden sie nicht, aber sie wurden sehr schnell aufgeklärt, jedenfalls schneller als es ohne den Zugriff auf diese Verbindungsdaten möglich gewesen wäre. Aber es gibt auch andere Fallbeispiele.

Kolkmann: Wenn diese Datensammelei diese Ausnahme annehmen würde, was würde das denn eigentlich vom Kostenfaktor her bedeuten? Kann man das noch bezahlen und gibt es überhaupt so viel Speicherplatz?

Rech: Das ist eine Frage, die gegenwärtig mit den Anbietern diskutiert werden muss. Sie wenden ja ein, dass die Kosten im Vergleich zu dem möglichen Nutzen ihnen zu hoch seien. Das muss man miteinander noch sehr genau ausdiskutieren. Ich habe bislang Informationen, die im Ergebnis sagen, dass die erforderliche Hardware jetzt schon vorhanden wäre und dass es mit relativ überschaubaren Kosten verbunden wäre, die ganze Geschichte auszubauen. Aber die technische Seite der Angelegenheit muss man noch sehr genau ausdiskutieren, wie ich im Übrigen auch der Meinung bin, dass wir in rechtlicher Hinsicht die Datenschützer natürlich mit in die Verhandlungen und Überlegungen von vorne herein einbeziehen sollten.

Kolkmann: Wenn man diese Diskussion nun vergleicht mit den doch sehr kontroversen Diskussionen der 80er Jahre, wo es noch um vergleichsweise harmlose Datensätze und alles ohne Handy und Internet ging, sind wir längst in einer ganz anderen Dimension der möglichen Überwachung angelangt?

Rech: Wir sind in einer anderen Dimension der Bedrohung angelangt, und da müssen die Ermittlungsbehörden Schritt halten können, auch was die Geschwindigkeit der Ermittlungen anbelangt. Die international agierenden Verbrecher bedienen sich der modernsten Kommunikationsmittel und der modernsten Technik. Unsere Polizei muss, was die Ermittlungsarbeit anbelangt, da einfach Schritt halten.

Kolkmann: Sie sprechen die Polizei an. Wenn so viel mehr Daten zur Verfügung stehen auf den unterschiedlichsten Datenträgern, gibt es eigentlich genug Personal bei der Polizei, das zu kontrollieren?

Rech: Ja, natürlich. Ich sage noch einmal, es geht ja nicht darum, jede Verbindung, jedes Telefonat abzuhören, permanent zu überwachen, sondern es geht darum, die Verbindungsdaten, wer hat mit wem wann telefoniert, zu speichern, und dann greift die Polizei ja gezielt bei Vorliegen eines Verdachts auf konkrete Verbindungsdaten zu. Es werden nicht alle Milliardenverbindungen, die es da EU-weit gibt, überwacht. Der Vorstoß der Europäischen Union, eine solche Rahmenvereinbarung zu treffen, geht sehr weit, aber im Grunde ist es richtig.

Kolkmann: Vielen Dank für das Gespräch.
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