Folsäure

In den USA gehört die Folsäureanreicherung von Grundnahrungsmitteln wie Mehl längst zum Alltag. Damit soll unter anderem die Bevölkerung vor kardiovaskulären Erkrankungen geschützt werden. In der Tat senken Folsäuregaben erhöhte Homocysteinspiegel. Aber verhindert das auch Herzinfarkt und Schlaganfall?
Die Ergebnisse der „Vitamin Intervention for Stroke Prevention“, lassen daran zweifeln. Probanden waren 3680 Patienten, die bereits einen Schlaganfall ohne bleibende gravierende Beeinträchtigung überlebt hatten. Sie erhielten über zwei Jahre einen Cocktail mit 20 Mikrogramm oder 2,5 Milligramm Folsäure sowie den Vitaminen B6 und B12. Zwar vermochte die hohe Dosis die Homocysteinspiegel unter den Grenzwert von zwölf Mikromol pro Liter zu senken, doch das hatte weder Auswirkungen auf das Schlaganfallrisiko noch auf das Herzinfarktrisiko oder die Mortalität. Damit kommt Homocystein bei Schlaganfall und Herzinfarkt keine ursächliche Bedeutung zu. Vom ernüchternden Ergebnis der groß angelegten Studie dürften nicht nur die Wissenschaftler enttäuscht sein, sondern auch der Vitaminhersteller Roche, der die Folsäurepräparate zur Verfügung gestellt hat. (Toole JF et al: Lowering homocysteine in patients with ischemic stroke to prevent recurrent stroke, myocardial infarction. JAMA 2004/291/S.565-576)

Inzwischen haben sich die Labors auf das Homocystein eingeschossen. Da wäre es schade, wenn die teuere Analytik wegen einem eindeutigen Ergebnis wertlos würde. Gleiches gilt für die Anbieter hoch dosierter Folsäure zur Prophylaxe gegen was auch immer. Gerade noch rechtzeitig gelang es zwei Forscherteams nachzuweisen, dass mit erhöhten Homocysteinwerten ein erhöhtes Risiko für Osteoporose und Hüftfrakturen einhergeht. Mal sehen, wie lange die Hoffnung trägt. (New England Journal of Medicine 2004/350/S.2033-2041 & 2042-2049)

Entnommen aus: EU.L.E.nSpiegel 2005/Heft 1/S.16

Risiko Folsäure
Folsäure kann die Schutzwirkung einer Sichelzellanämie aufheben. Kenianische Kinder mit diesem Gendefekt erkrankten an Malaria, nachdem sie gegen die chronische Anämie mit Folsäure behandelt worden waren. Versuche mit Rhesusaffen bestätigten einen ursächlichen Zusammenhang: Unter Folsäuremangel hatten die Erreger der Affen-Malaria (Plasmodium cynomolgi) keine Überlebenschance. Sie starben innerhalb von 48 Stunden in den Erythrocyten ab. Rhesusaffen, bei denen Folsäure substituiert wurde, erkrankten alle schwer an Malaria. (Herbert V: Folate deficiency to protect against malaria. New England Journal of Medicine 1993/328/S.1127)

Malaria wird mit auch mit so genannten Antifolaten therapiert. Sie blockieren die Folsäureversorgung der Plasmodien. (Parasitology Today 1997/13/S.459-461) In ihren Nährwertempfehlungen 2000 weist die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ausdrücklich auf eine Folatverarmung durch die Einnahme von Antimalariamitteln hin, erwähnt aber nicht, dass diese zur Abwehr der Erreger erwünscht ist. Deshalb sollten Ärzte erwägen, im Rahmen Malariaprophylaxe ihre Patienten vor der Einnahme von Folsäure oder Riboflavin zu warnen.

Entnommen aus: EU.L.E.nSpiegel 2000/Heft 8/S.11

Antivitamine: bewährte Therapeutika
Während die meisten Vitamine immer noch auf den Beweis ihres medizinischen Nutzens in Prävention und Therapie warten, ist dies für ihre Gegenspieler, die Antivitamine längst erbracht. Antivitamine entfalten ihre Wirkungen auf zwei Wegen: Entweder binden oder zerstören sie das Vitamin oder sie verhindern dessen Wirkung, indem sie beispielsweise Vitaminrezeptoren blockieren. Viele Lebensmittel enthalten Antivitamine. Wirkstoffe gegen Vitamin B1 sind beispielsweise in Kaffee, Bohnen, Shrimps und Heidelbeeren enthalten.

Vitamin B1-Antagonisten spielen eine wichtige Rolle bei der Geflügelproduktion. Wirkstoffe wie Amprolium bekämpfen die Coccidiose, eine gefürchtete Darmkrankheit durch Protozoen. Ohne Coccidiostatika wäre die moderne Massengeflügelhaltung undenkbar.

Die therapeutisch wichtigsten Antivitamine sind die Folsäureantagonisten zu denen auch Methotrexat gehört: Es hat einen festen Platz bei der Behandlung von Leukämien, wird aber auch zur Therapie von anderen Krebsarten und Psoriasis eingesetzt. Andere Antifolate wie Trimethoprim dienen zur Bekämpfung von Infekten.

Vitamin K-Antagonisten wie zum Beispiel Cumarine heben die Wirkung von Vitamin K auf und vermindern die Gerinnungsfähigkeit des Blutes. Als Anticoagulantien sind sie vielen Jahren Standardtherapeutika bei Thrombosen und Embolien eingesetzt

Antifolate in der Therapie
Methotrexat: Leukämien, Tumoren, rheumatoide Arthritis
Sulfasalazin: Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, rheumatiode Arthritis
Trimethoprim: Pneumocystis, Harnwegsinfekte, Malaria
Triamteren: Diuretikum
Piritrexim: Pneumonie, Pneumocystis
Pentamidin: Pneumocystis, Leishmaniose, Trypanosomiasis
Fluoropyrimidin: Brust- und Ovar-Krebs
Edatrexat: Lungenkrebs
Trimetrexat: Krebs, Infektionen

Bei Anwendung der genannten Mittel sollte strikt auf einen Verzicht auf Vitaminsupplemente geachtet werden, um den therepeutischen Erfolg nicht zunichte zu machen. (Somogyi JC: Antivitamine – ihre Bedeutung in der Ernährung und Therapie. Ernährung/Nutrition 1998/22/S.405-410)

Entnommen aus: EU.L.E.nSpiegel 1999/Heft 1/S.11