Folgen des Crispr/CAS-Urteils

Pflanzenzüchter schrecken vor Genehmigungsverfahren zurück

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Dietmar Brauer und Andreas Girke stehen in einem großen Gewächshaus zwischen großen Tischen, auf denen in Plastikfolie verpackte einzelne Rapspflanzen stehen
Dietmar Brauer und Andreas Girke im Raps-Gewächshaus. © Deutschlandradio/Silke Haselmann
Von Silke Hasselmann · 07.03.2019
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Der Ärger über das EuGH-Urteil zum Crispr-/CAS-Verfahren ist bei deutschen Pflanzenzüchtern noch groß. Die Auflagen für die "Gen-Schere" seien zu hoch. Ein Besuch beim größten Winterraps-Züchter Europas, der die außereuropäische Konkurrenz fürchtet.
"So, jetzt gehen wir ins Gewächshaus. Das ist wirklich die Kinderstube für die Pflanzenzüchter. Hier fängt mit Handkreuzung alles an", sagt der Urenkel des Malchower Betriebsgründers, Dietmar Brauer, und öffnet die Tür zu dem riesigen Glaskasten.
Unter UV- und Infrarotlichtlampen stehen auf großen Tischplatten Weidelgras, Ackerbohnen und vor allem Raps in allen Entwicklungsstadien. In einem Bereich tütet eine Kollegin die samentragenden Spitzen abgeblühter Rapspflanzen ein. In einem anderen stehen noch gelbblühende Pflanzen unter Plastiktüten, die die Pollen schützen. Pflanzenzuchtleiter Andreas Girke wiederum zeigt auf eine Anpflanztöpfchen, aus denen Rapssämlinge gerade erst aus der Erde gucken:
"Ja, hier stehen wir gerade vor den neuen Kreuzungen vom Januar dieses Jahres. Da wurden die besten Elternlinien des Jahres 2018 miteinander kombiniert mit dem Ziel, daraus in den nächsten sieben bis zehn Jahren eine neue Winterrapssorte zu entwickeln."
Eine Tafel, auf denen die Zuchterfolge der NPZ Lemke von 1897 bis 1997 aufgelistet sind, davor mehrere Holzkästen.
Das Traditionsunternehmen "Norddeutsche Pflanzenzucht Hans-Georg Lebmke KG" präsentiert eine Liste seiner Züchtungen.© Deutschlandradio/ Silke Haselmann
Vorigen Dezember erkannte das Bundessortenamt nach zehnjährigem Vorlauf drei neue Winterrapssorten der NPZ an: Fossil, Phantom und Violin. Die eine Sorte kommt besonders gut mit langer Trockenheit klar, die andere widersteht der Gefahr des Pilzbefalls in feuchten Gegenden. Passgenau für die Kunden von Australien bis zur Ukraine. Doch deutlich schneller und preiswerter funktioniert das Züchten erwünschter Eigenschaften mit neuen Methoden wie Crispr/CAS.
"Die einen machen wirklich gezielte Einzelmutationen. Die anderen können mehrere Basen am Stück austauschen. Also es ist eher ein ganzer Werkzeugkoffer, der theoretisch der Züchtung zur Verfügung stünde. Aber durch dieses Urteil dürfen wir diesen Werkzeugkoffer nicht öffnen in Europa."

Auch Kreuzen von Pflanzen ist eine Veränderung

Vorigen Sommer entschied der Europäische Gerichtshof, dass Pflanzen als "gentechnisch modifizierte", also "veränderte Organismen" gelten, wenn sie mit neuen Züchtungsmethoden wie der sogenannten Gen-Schere Crispr/CAS behandelt werden. Damit fallen sie unter die strengen Vorschriften des europäischen Gentechnikrechtes und dürfen in der EU nur nach einem aufwendigen und teuren Zulassungsverfahren in Umlauf gebracht werden. Ein Wahnsinn vor allem für die vielen mittelständischen Zuchtbetriebe wie die NPZ, findet Dietmar Brauer. Dabei:
"Unsere Wissenschaft hat das mal als 'Gen-Schere' bezeichnet. Ich finde diesen Begriff missverständlich, weil schon 'Skalpell' wäre zu groß. Es ist wirklich nur eine minimalinvasive punktuelle Mutation im Gen-Strang. Also das, was die Natur in vielfältigster Weise macht, haben wir gelernt, in der Biotechnologie gezielt einzusetzen."
Leider hätten die EuGH-Richter nicht die gezüchtete Pflanze im Blick gehabt, die so auch natürlicherweise vorkommen könnte, sondern nur das Züchtungsverfahren:
"Es wird modifiziert. Auch das Kreuzen ist letztlich eine Modifizierung. Das Gentechnikrecht ist völlig überholt und gehört schon längst novelliert, weil es zu grob ist und wir bei Crispr/CAS nicht über eine Artengrenze hinweggehen. Wir verändern ja noch nicht mal die Pflanze in einem Ausmaß."
Illustration einer Schere, die ein DNA Molekül modifiziert
Mit der "Gen-schere" CRISPR kann das Erbgut in kleinsten Schritten gezielt verändert werden© imago / Keith Chambers
Weshalb man weder bei der Zuchtsaat noch in den später daraus hergestellten Produkten nachweisen könne, ob neue Züchtungsmethoden eine Rolle spielten.

Brüssel verspürt keine Eile bei CRISPR/CAS

Züchter, Landwirte und Verarbeiter aus Ländern, wo solche biotechnischen Verfahren weiterhin erlaubt sind, hätten damit auf dem EU-Markt einen enormen Wettbewerbsvorteil gegenüber den heimischen Unternehmen, klagt Dietmar Brauer und nennt ein Beispiel:
"Wenn mit unseren Sorten und auch mit denen des Wettbewerbers in Kanada ein Rapsöl erzeugt wird, dann wird man nicht wissen, ob dieses Rapsöl nun aus dieser oder der Erzeugung hervorgegangen ist. Und das wird dann hierher importiert werden. Darin liegt natürlich ein immenses Problem, und da fordern wir natürlich Rechtssicherheit. Also jetzt ist wirklich der Gesetzgeber gefragt, und Eile ist geboten."
Doch der Gesetzgeber in Brüssel spürt diese Eile nicht. Zwar ist der Werkzeugkoffer mit Crispr/CAS und Co. in China und Nordamerika längst Standard in der Züchtung und übrigens auch ein Beitrag dazu, dass die Landwirtschaft rascher auf den Klimawandel reagieren kann. Doch hier legten vor allem die mittelständischen Betriebe wie die "Norddeutsche Pflanzenzucht" in Malchow ihre Projekte mit neuen Züchtungsmethoden auf Eis. Nun wird in den Gewächshäusern und auf den Versuchsäckern weiterhin ausschließlich klassisch gekreuzt, bis sich nach ca. zehn Jahren aus 1000 neuen Raps-Kombinationen die eine gewünschte ergibt.
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