Folge 40

Das Riesending in Mitte: Volksbühnenstart unter René Pollesch

41:16 Minuten
Auf einer Bühne sitzt im Hintergrund eine Person mit langen lockigen Haaren auf einem Gartenklappstuhl und raucht. Im Vordergrund steht ein Mensch mit Kleidung, auf die Totenköpfe gedruckt sind und scheint etwas zu verlesen. Die Decke ist mit orangenem Stoff abgehangen.
René Pollesch inszeniert das Stück "Aufstieg und Fall eines Vorhangs und sein Leben dazwischen" an der Volksbühne. © Christian Thiel
Von Susanne Burkhardt und Elena Philipp · 20.10.2021
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Vier turbulente Jahre liegen hinter der Berliner Volksbühne. Zwei Intendanzen endeten vorzeitig. René Pollesch und sein Team haben das Haus jetzt neu belebt. Was sie anders machen, erzählt der Autor und Regisseur.
Sie ist wieder da: Seit September heißt die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin erneut wie in der 25-jährigen Ära von Frank Castorf. Als "Volksbühne Berlin" taumelte sie vier Jahre lang unter zwei glücklosen Intendanten vor sich hin. Dann ging das Haus an den Autor und Regisseur René Pollesch.
Zurückgekehrt scheint auch der alte Spirit. Dass Spieler und Spielerinnen wie Kathrin Angerer, Martin Wuttke oder Margarita Breitkreiz wieder auf der Bühne stehen, freut die treuen Volksbühnen-Fans.

"Ich weiß gar nicht, was Intendanz heißt"

Dabei wolle er die alte Castorf-Volksbühne nicht als "trojanisches Pferd" zurückbringen, sagte Pollesch, als vor zwei Jahren bekannt wurde, dass er die Leitung übernimmt. Was will er dann, wo soll es hingehen?
Zuerst einmal macht Pollesch den Job nicht allein, wie er betont. "Ich weiß gar nicht, was Intendanz heißt, was eigentlich meine Aufgabe wäre. Ich weiß, dass verschiedene Leute am Haus wissen, wie so ein Theater funktioniert. Das sind Leute, die so ein Theater am Leben halten."

Kollektive Leitung an der Volksbühne

"Wir sind viele", sagte er auch schon bei seiner Berufung und meinte eine Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern, mit denen er schon lang zusammenarbeitet und auch in Zukunft seine Arbeitspraxis teilen wird. Als Kollektiv leiten sie die Volksbühne.
Ein Mann in blauem Hemd und blauer Jacke, mit Brille, schaut in die Kamera. Im Hintergrund ist ein Gebäude aus rotem und weißem Wellblech zu sehen.
Regisseur René Pollesch setzt auf die Arbeit im Team.© Thomas Aurin
Im September ist das Team Pollesch nun in die erste gemeinsame Volksbühnen-Spielzeit gestartet. Kritisch liest sich die öffentliche Bilanz nach vier Wochen: Nur eine ureigene Premiere – inszeniert vom Intendanten. Danach zwei Abende, die schon bei der Ruhrtriennale und den Wiener Festwochen Premiere hatten, von Florentina Holzinger und noch einmal von René Pollesch.

"Trotzfrigide" – gegen jede Erwartungshaltung

Fehlen noch Ideen und künstlerische Mitstreiter und Mitstreiterinnen? Eine Absage machte bereits die Runde: Der norwegische Theatermacher Vegard Vinge und die als Chefausstatterin angekündigte Bühnenbildnerin Ida Müller werden vorerst nicht mit dabei sein. Vielleicht ist es auch das Konzept von Pollesch und seinen "Vielen", jede Erwartungshaltung an den Auftakt einer neuen Intendanz zu unterlaufen – sich "trotzfrigide" zu geben: ein Wort, dass Pollesch selbst erfunden hat?
Wie er das sieht, mit wem er das Programm gestalten und warum die Titel seiner drei Eröffnungsstücke nach Brecht klingen, erzählt René Pollesch in dieser Ausgabe.

Wer macht den Theaterpodcast?
Einmal im Monat greift der Theaterpodcast die wichtigen Debatten rund um das Theater und seine Macherinnen und Macher auf. Über die Kunst und den Betrieb, in dem immer noch zu wenig Frauen das Sagen haben, sprechen zwei Theaterredakteurinnen: Susanne Burkhardt vom Deutschlandfunk-Kultur-Theatermagazin Rang 1 und Elena Philipp vom Onlineportal nachtkritik.de.

Susanne Burkhardt studierte Kulturwissenschaft, Betriebswirtschaft und Theaterwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und in London (Middlesex University). Sie ist Diplom-Medienberaterin und begann ihre Radiokarriere als Hörspielregieassistentin beim Sender Freies Berlin (später RBB). Nach einem Volontariat beim Deutschlandradio ist sie seit 2001 Redakteurin, Autorin und Moderatorin bei Deutschlandfunk Kultur.

Elena Philipp studierte in Freiburg Politik und Soziologie, entschied sich nach einer Regiehospitanz aber für ein Studium der Theater-, Film- und Literaturwissenschaft in Berlin. Dort arbeitete sie für Tanzfestivals, war Mitgründerin eines Literaturmagazins und eines Text-Ton-Festivals und etablierte beim Literaturwettbewerb Open Mike das Livebloggen. Seit 2006 schreibt sie für Tageszeitungen und Fachmedien über Theater und Tanz. 2017 wurde sie Redakteurin beim Online-Theaterfeuilleton nachtkritik.de.

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