Fördertopf für Kinder und Jugendliche

Von Matthias Rumpf · 18.12.2005
Was tun mit Kindern und Jugendlichen, die bewusst nur Naziherrschaft oder Krieg erlebt hatten? Vor dieser Frage stand die Bundesrepublik in den 50er Jahren. Viel hatte der junge Staat erst einmal nicht zu bieten, das Wirtschaftswunder zeichnete sich noch nicht ab. So war die Jugendhilfe eine der ersten Aufgaben, der sich der neue Staat nach seiner Gründung annahm. Vor 55 Jahren wurde der Bundesjugendplan in Bonn vorgestellt.
Festlich war der Rahmen, als am 18. Dezember 1950 im Bonner Plenarsaal des Bundestags der erste Bundesjugendplan verkündet wurde. Bundespräsident, Bundeskanzler und das halbe Kabinett Adenauer waren anwesend. Dabei ging es eigentlich um nicht mehr als einen Fördertopf für die Jugendhilfe des Bundes. Die Aufgabe allerdings, die dahinter stand war gewaltig. Denn fünf Jahre nach dem Krieg galt es einen Gegenentwurf zur totalitären Jugendarbeit der Nazizeit zu liefern. Theodor Heuss, der Bundespräsident.

"Ich weiß aus manchen Gesprächen mit diesen jungen Menschen, auch mit solchen, die in der Hitlerjugend Funktionäre waren, dass sie uns erzählten: so, so doch auch nicht. Es war auch bei uns manches sehr nett, manches sehr schön, ja wie gesagt, weil ihr sehr nett und weil ihr jung gewesen seid. Aber ihr seid gerade um das Schönste beraubt geblieben: Nämlich um die freie Entscheidung."

Nicht der Staat, sondern freie Träger sollten in Zukunft die Jugendarbeit übernehmen und dafür Zuschüsse aus dem Bundesjugendplan erhalten. Im ersten Jahr war er mit 17,5 Millionen D-Mark dotiert.

"Die Vielfalt der deutschen Dinge soll sich in dem Leben der Jugendverbände spiegeln. Das führt auch zu einem edlen Wettbewerb der Leistung. "

Bei der Jugendarbeit ging es vor allem um handfeste Hilfe, und die war bitter nötig. 1, 5 Millionen Kinder und Jugendliche hatten Vater oder Mutter im Krieg oder während der Flucht verloren. Viele schlugen sich als Schwarzhändler oder Tagelöhner durch - ohne Aussicht auf Ausbildung oder Beruf. Das meiste Geld des ersten Bundesjugendplans floss deshalb in den Bau von Lehrwerkstätten und Jugendheimen. 1951 besuchte ein Rundfunkreporter den Jugendberghof in Kaiserslautern.

"Wenn Sie mal sehen, wie die Jungen da feilen mit ihren großen Feilen, da kann sich ja einer dahinter verstecken.
Und einer, der fast noch viel kleiner ist als die Feile, das ist der Hans, woher kommst du denn Hans?.
Ich komm aus dem Sudetengau und bin ein Flüchtling. Ja mir gefällt es hier ganz gut. Und das Feilen ist besonders leicht, wenn man sich in die richtige Haltung stellt. So ist das ganz gut bis auf das Essen, das ist nur kalorienarm. Wenn wir nach Hause fahren, dann bringen wir uns immer ein volles Paket mit Esswaren mit. "

Weitere Schwerpunkte des Bundesjugendplans waren die politische Bildung und der internationale Jugendaustausch, der Konrad Adenauer besonders wichtig war.

"Und darum setzen wir gerade, die wir europäisch denken und fühlen, eine starke Hoffnung auf die Arbeit unserer Jugend, die das vollenden muss, was wir nur anfangen können zu bauen. Dass sie in erster Linie mit dazu beiträgt, dass die Schranken der Vergangenheit zwischen den Europäern fallen. Und dass die Europäer erkennen, dass wir alle für einen und einer für alle stehen müssen, wenn Europa weiter stehen bleiben soll."

Doch es gab auch Kritik. Denn schnell bemächtigten sich die etablierten Verbände der Mittel, die aus dem Bundesjugendplan flossen. Die Eigeninitiative von Jugendlichen fand kaum noch Beachtung. In einem Radiobericht aus dem Jahr 1960 zur Förderung des Jugendschrifttums heißt es.

"Diese neuerlichen Tendenzen lassen sich mit der Formel verwaltete Jugend umschreiben. Ein bezeichnendes Beispiel ist der Beschluss der Sonderkommission für Zeitschriften "im freien Raum", die also verbandsunabhängig sind, keine Starthilfen mehr zu geben. Das trifft vor allem Zeitschriftenprojekte, die aus der Eigeninitiative ideenreicher junger Menschen kommen, denen es nicht an Geist, aber an Startkapital fehlt."

Noch heute ist der Bundesjugendplan unter dem Namen "Kinder- und Jugendplan" die wichtigste Geldquelle des Bundes zur Jugendförderung. Neue Schwerpunkte sind der kompetente Umgang mit neuen Medien und Jugendarbeit an sozialen Brennpunkten. Rund 100 Millionen Euro gibt der Bund jährlich für seine Jugendprogramme aus.