Förderer retten historischen Bücherschatz

Von Karin Dzionara |
Luther-Schriften in der Erstausgabe, Kirchenväter, Humanisten: Die Bibliothek in der St. Marienkirche in Barth an der Ostsee beherbergt einen reichen Bestand historischer Bücher. Mit der Sicherung dieser Schätze war die kleine Kirchengemeinde bislang überfordert - doch jetzt schafft ein Netzwerk aus Förderern Abhilfe.
Hinter dieser Tür lag ein fast vergessener Bücherschatz: Handschriften, Noten und frühe Drucke stapelten sich in meterhohen Holzregalen in der alten Bibliothek im Seitenschiff der gotischen Marienkirche in Barth.

"Die Gemeinde hat sicher gewusst, was sie hier für Schätze beherbergt – 4000 Bände, teils aus dem Mittelalter und ständig wachsend. Aber diese alte Kirchenbibliothek hat natürlich das Problem, dass wir als relativ kleine Kirchengemeinde nicht in der Lage waren, sie ordentlich zu pflegen und zu sanieren. Wir haben in jedem Fall auf ihre Sicherheit geachtet und haben auch immer die Luftfeuchtigkeit gemessen, aber das war es dann auch schon."

Annemargret Pilgrim ist Pastorin der evangelischen Kirchengemeinde St. Marien und Hausherrin der "Bibliotheca Bardensis" in der kleinen Stadt am Bodden:

"Wir sind das Tor zum Darß, von daher kommen alle Besucher von Zingst, Darß, Fischland auch einmal in ihrem Sommerurlaub hierher in die Kirche, wir können daher von fünfstelligen Besucherzahlen ausgehen. Und wir haben eine sehr wertvolle Buchenholzorgel, die saniert worden ist, wir haben unsere kirchengeschichtliche Sammlung, die auch sehr bedeutend ist, erneuert, und so haben wir immer peu a peu seit einigen Jahren als Kirchengemeinde die Kirche zu sanieren begonnen."

Feuchter Ostseewind drang aber noch durch die beschädigten Fenster, Schimmel und Staub setzen den historischen Bänden zu:

"Zu wissenschaftlichen Zwecken ist sie noch genutzt worden, aber wir waren eigentlich mehr darauf aus, sie zu bewahren und auf die Zeit zu warten, wo wir vielleicht in der Lage sein werden, Teile von ihr oder sie in Gänze zu sanieren."

Das Warten hat sich gelohnt. Die Bücher wurden im Frühjahr geborgen und in Leipzig gereinigt. Im Bibliotheksraum der Kirche haben jetzt die Sanierungsarbeiten begonnen. Mit Unterstützung eines bundesweiten Fördervereins aus Experten und Netzwerkern, der – in Zusammenarbeit mit verschiedenen Stiftungen - eine sechsstellige Summe zum Erhalt der Barther Kirchenbibliothek beisteuern konnte. Der Impuls zu dieser Rettungsaktion kam aus Niedersachsen - über ein Musikprojekt in den Heideklöstern.

In den Archiven der sechs Lüneburger Frauenklöster zwischen Celle, Verden und Uelzen, die nach der Reformation nicht aufgehoben wurden, sondern bis heute als evangelische Konvente weiter geführt werden, hat die Essener Musikprofessorin Ulrike Volkhardt an der Erschließung und Dokumentation historischer Musikhandschriften gearbeitet; gemeinsam mit Wissenschaftlern aus den Niederlanden und im Verbund mit dem Institut für Musik und Gender an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. Mit dem Ensemble Devotio Moderna bringt die Expertin für mittelalterliche Musik die alten Glaubensmelodien auf historischen Instrumenten wieder zum Klingen:

"Und es war auch so, dass unsere Funde in der Lüneburger Heide doch recht viel Aufsehen erregt haben, also weltweit wurde reagiert, und so hat sich auch der Kurator des Klosters Ribnitz an uns gewandt, und bei der Gelegenheit erwähnte er die Bibliothek in Barth und hat mich hierher geführt."

"Und ich habe zunächst in Bezug auf die Musik gesehen, dass es interessant ist und dann eben sofort bemerkt, dass hier etwas passieren muss im großen Stil zur Sanierung, zur Rettung. Und so haben wir uns zur Aufgabe gemacht, auch nach Rücksprache mit unseren niedersächsischen Förderern, die dort sehr hilfreich waren, dann Möglichkeiten aufzutun, und so ist das Ganze in Gang gekommen."

In der Barther Kirchenbibliothek entdeckte Ulrike Volkhardt viele Archivalien, die die Funde aus den Heideklöstern ergänzen. Darunter ein Kantionalbuch aus der Reformationszeit, vom dem weltweit nur noch wenige Exemplare erhalten sind – davon eins in Barth und eins im Kloster Isenhagen bei Gifhorn:

"Aus dem Kantionalbuch in Isenhagen haben wir für unsere Schallplattenaufnahmen damals eine Matthäus-Passion transkribiert, das ist mit die früheste Form von Passionen – auch als formales Vorbild für die Bach-Passionen."

Diese Passionen haben die Kantoren damals selbst verfasst. Die Matthäus-Passion aus der Barther Bibliothek wurde im vergangenen Jahr in der St. Marienkirche aufgeführt:

"Es ist natürlich besonders ergreifend, dann nach 500 Jahren wieder in der Originalkirche zum ersten Mal das erklingen zu lassen."

Aus der historischen Kirchenbibliothek lasse sich in vielen Bereichen wissenschaftlich "Honig saugen", bestätigt Jochen Bepler, Direktor der Hildesheimer Dombibliothek und Beiratsmitglied im Förderverein:

"Was wir haben, ist eine Bibliothek, die die ganze Bandbreite ihrer Entstehung bis in die jüngste Vergangenheit dokumentiert, also alles, was erhalten geblieben ist, einschließlich der mittelalterlichen Handschriften, einschließlich der Inkunabeln, bis hin zu Zeitschriften des 19. Jahrhunderts, erhalten ist also eine Bibliothek, die die gesamte Bandbreite pastoraler Gelehrsamkeit auch abdeckt."

Die Barther Kirchenbibliothek soll künftig nicht nur Wissenschaftlern, sondern allen Besuchern offen stehen, betont der Vorsitzende des Fördervereins, der Stadtplaner Lüder Bach aus Nürnberg. Zum Buchbestand gehören sämtliche Luther-Schriften in der Erstausgabe sowie die herausragende Sammlung des Barther Reformators Johannes Block – mit Werken der antiken Kirchenväter und Schriften bedeutender Humanisten:

"Und von diesem Johannes Block ist als Hinterlassenschaft die sogenannte Blocksche Bibliothek vorhanden und in der Dokumentation, in der Präsentation, in der Auswertung dieser Bibliothek kann durchaus ein Beitrag gesehen werden zu den Reformationsfeierlichkeiten, die im Jahr 2017 zu erwarten sind."