Flughafenexperte rät zu neuem BER-Standort

Dieter Faulenbach da Costa im Gespräch mit Hans-Joachim Wiese · 10.01.2013
Der Flughafenexperte Dieter Faulenbach da Costa rechnet mit einer deutlichen Kostensteigerung beim Großflughafen BER und Ausgaben von bis zu zehn Milliarden Euro. Der Ingenieur plädiert deshalb für eine genaue Fehleranalyse - und für einen neuen Standort.
Hans-Joachim Wiese: Am Telefon ist jetzt der Flughafenexperte Dieter Faulenbach da Costa. Herr Faulenbach da Costa, Klaus Wowereit wird den Misstrauensantrag politisch wohl überleben und Regierender Bürgermeister bleiben.

Vom Posten des Flughafen-Aufsichtsratschefs ist er immerhin zurückgetreten. Den Job soll jetzt sein bisheriger Stellvertreter Matthias Platzeck machen. Der ist allerdings bisher auch nicht gerade als Bauexperte auffällig geworden. War es von vornherein falsch, Politikern den Aufsichtsrat zu überlassen und nicht Fachleuten.

Dieter Faulenbach da Costa: Nein, war es nicht falsch, denn nicht die Politiker haben das Projekt wirklich gegen die Wand gefahren, sondern es waren ja Fachleute, nämlich die Baufachleute und die Verantwortlichen am Flughafen, die das Projekt gegen die Wand gefahren haben. Man sollte höchstens andere Anforderungen von den Politikern erwarten, was die Kontrolle der Fachleute anging, und da könnte möglicherweise der Aufsichtsrat nach meiner Einschätzung versagt haben.

Wiese: Was erwarten Sie denn von einem Flughafenaufsichtsratschef Matthias Platzeck, was wird der besser machen können als Klaus Wowereit?

Faulenbach da Costa: Ja, das kann ich jetzt schlecht so beurteilen, weil ich ihn persönlich nicht kenne und in seiner bisherigen Arbeit nur, wie man ja gesagt hat, als Deichgraf beziehungsweise als Ministerpräsidenten beurteilen kann. Und da sage ich mal, ein Aufsichtsrat ist ja nicht derjenige, der die Baustelle leitet oder eine Bauleitung macht. Ein Aufsichtsrat sollte sich Instrumente zulegen, mit denen er die Fachleute, die er beauftragt hat, den Flughafen zu bauen, kontrollieren kann.

Und diese Instrumente hat sich der Aufsichtsrat bisher offensichtlich nicht zugelegt. Und jetzt sage ich mal, es sind ja immerhin drei Partner in dem Aufsichtsrat drin, und die sollten aufhören, sich gegenseitig die politische Schuld zuzuschieben und zu instrumentalisieren dieses Desaster, sondern jetzt Problemlösungen finden. Die Problemlösung muss heißen, wir müssen Steuerungsinstrumente des Aufsichtsrates bekommen, um ein weiteres Desaster im Flughafen zu verhindern.

Wiese: Nun sind ja die Tage des Geschäftsführers Rainer Schwarz, des Flughafengeschäftsführers Rainer Schwarz gezählt - aller Wahrscheinlichkeit nach jedenfalls. Es gibt einen neuen Technikchef, Amann, macht der seine Arbeit Ihrer Meinung denn nach richtig?

Faulenbach da Costa: Dafür ist er zu kurz im Amt, um das wirklich beurteilen zu können, ob er es richtig macht. Ich kenne Herrn Amann ja schon seit über zehn Jahren hier aus dem Projekt in Frankfurt, da allerdings, muss ich sagen, hat er sich ja weder durch Termin- noch durch Kostentreue ausgezeichnet. Ob er das jetzt in Berlin besser macht, müssen wir mal abwarten, ob was dabei rauskommt.

Wiese: Herr Faulenbach da Costa, nach der vierten Verschiebung der Eröffnung des neuen Großflughafens traut sich keiner der Verantwortlichen mehr, einen neuen Termin zu nennen. Wagen Sie eine Prognose?

Faulenbach da Costa: Nein, würde ich im Moment auch nicht machen, und ich kann da auch nur allen Beteiligten davon abraten, neue Termine zu nennen, weil man sich da wieder unnötig unter Druck setzt. Das Problem liegt ja genau in immer der fortwährenden Terminierung, wann man den Flughafen nun in Betrieb nehmen will, ohne auf die Folgen dieser Terminierung zu achten.

Dann hat man sich nämlich immer unnötig unter Druck gesetzt und hat dann versucht, diesen Termindruck durch Kosten, zusätzliche Kosten wieder glattzubügeln, und das wird nicht immer und ewig funktionieren. Ich habe ja auch schon gesagt, dass dieses Terminal zu klein gebaut wurde - wenn ich einen zukunftsfähigen Flughafen haben will, baue ich ein Terminal für 45 bis 50 Millionen Passagiere jetzt, und nicht für 27 Millionen Passagiere, oder wahrscheinlich sogar weniger, das noch nicht mal die jetzige Nachfrage abdecken kann, und ich kann dann keine aktive Geschäftspolitik mehr betreiben. Nein, man sollte jetzt die Fehler analysieren, die Fehler offenlegen und nach Problemlösungsmöglichkeiten suchen und sich nicht erneut unter Zeitdruck setzen lassen.

Wiese: Viele Experten waren ja von vornherein der Meinung, Schönefeld sei der falsche Standort für einen neuen Großflughafen. Lässt sich das Undenkbare denn denken, den bisherigen Bau wieder abzureißen, oder umzuwidmen und an anderer Stelle ganz neu anzufangen?

Faulenbach da Costa: Ich gehöre ja zu diesen Kritikern, ich war ja selbst im Raumordnungsverfahren beteiligt und habe den Standort Schönefeld immer für falsch gehalten, und halte ihn auch jetzt noch für falsch, weil er nicht zukunftsfähig ist. Wenn man in Berlin einen zukunftsfähigen Flugverkehrsstandort entwickeln will, der für Deutschland Bedeutung oder europaweit Bedeutung hat, wird man sinnvollerweise an einem anderen Standort oder in einem Flughafensystem mit mehreren Flughäfen etwas Neues entwickeln und sich nicht nur auf diesen Single-Standort konzentrieren.

Also insoweit ja, das sind Fragen, die man diskutieren muss, konzeptionelle Lösungen erarbeiten muss, die Folgekosten und die Folgen erarbeiten und diskutieren muss, um dann eine vernünftige, tragfähige und zukunftsorientierte Lösung zu finden.

Wiese: Aber es ist wahrscheinlich klar, dass die politisch Verantwortlichen unter keinen Umständen diesen Flughafen wieder abreißen werden. Das wäre ja das Eingeständnis ihres völligen Scheiterns. Es wird also wohl beim Standort Schönefeld bleiben. Werden denn wenigstens die Kosten, die sich ja schon auf über vier Milliarden Euro verdoppelt haben, zu halten sein?

Faulenbach da Costa: An der Aussage, die Sie gerade gemacht haben, dass es so kommen wird, dass es beim Standard bleibt, würde ich den Betroffenen oder Beteiligten raten, durchaus an Alternativen zu denken, wenn sie zukunftsorientiert denken wollen. Was die Kosten angeht, habe ich im Moment den Eindruck, dass da ja eher ein Kleinkrieg im Aufsichtsrat stattfindet, sodass die Kosten noch weiter davon laufen werden.

Dazu kommt, wenn man den Standort Schönefeld zukunftsorientiert bauen will, noch fertig machen, fertig stellen will, muss man noch mal mindestens drei Milliarden investieren, dazu kommen jetzt noch mal unbekannte Kosten in unbekannter Höhe dazu, sodass man später sagen kann, acht bis zehn Milliarden dürfte dieser Flughafen kosten, und dann hat man keinen zukunftsorientierten Flughafen. Da wird es billiger sein, ein Nachnutzungskonzept zu entwickeln und an einem neuen Standard mit einem privaten Investor einen neuen Flughafen zu bauen.


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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