Flüchtlinge

Die bunte Truppe aus Lindenau

Fußball spielende Kinder
Ohne Berührungsängste: Beim Sportverein Lindenau sind auch Flüchtlinge willkommen. © dpa/picture alliance/anp Koen Suyk
Von Peer Vorderwülbecke |
Der Leipziger Stadtteil Lindenau war lange geprägt von leeren Wohnungen und verfallenden Häusern. Neuerdings gibt es hier eine Unterkunft für Asylbewerber. Der Sportverein Lindenau hat die Situation als Aufforderung verstanden, Integrationsarbeit zu leisten.
Das Training der E-Jugend hat noch nicht angefangen, aber die Jungs flitzen schon durch die Halle, kicken Bälle durch die Gegend und haben offensichtlich Spaß. Es ist eine bunt gemischte Truppe:
"Ich heiße Zaico, ich bin zehn Jahre alt und komme aus Portugal.
Ich heiße Konstantin, bin zehn Jahre alt und komme aus Deutschland.
Ich bin Idris, bin elf Jahre alt und ich bin Türke.
Ich heiße Daniel, bin zehn Jahre alt und meine Mama kommt aus Jamaika."
Daniels Vater, Martin Hammel, trainiert die E-Jugend. Er hat im Verein den Anstoß gegeben, die ausländischen Mitbürger in Lindenau aktiv anzusprechen – und zwar direkt im Asylbewerberheim:
"Der Anlass war von meiner Seite, dass ich nicht zufrieden war, dass immer Integration gefordert wird von Flüchtlingen oder Asylbewerbern, aber die Angebote sind relativ begrenzt, wenn man mal ehrlich ist. Die haben eben wenig Berührungspunkte mit der deutschen Kultur und wenn man dann als Verein einfach sagt, okay, wir wollen das ein bisschen forcieren, wir gehen einfach mal hin, wir geben denen die Chance, zu uns zu kommen, dann ist man schon sehr gut dabei."
Da ist ein Ball, da ist ein Tor
Mittlerweile spielen Jugendliche aus 20 Nationen in dem kleinen Verein. In einem Bundesland wie Sachsen, mit einem Ausländeranteil von 2 Prozent ist der SV Lindenau damit eine Ausnahme. Jugendtrainer Martin Hammel hat mit den ausländischen Kindern überraschend wenige Schwierigkeiten, nicht einmal mit der Sprachbarriere:
"Da ist ein Ball, da ist ein Tor und wir spielen Fußball. Da ist also relativ wenig auf Sprache fixiert, die Jungs sind auf Sport fixiert, die wollen Fußball spielen. Das ist ja das Schöne, die Regeln sind klar, da gibt es wenig Sprachbarrieren."
Und das, obwohl manche Kinder ganz ohne Deutschkenntnisse ins Training kommen. Aber vieles funktioniert über dasNachahmen und die Hilfestellung der Kinder untereinander. Das ist für Martin Hammel schon ein riesiger Schritt in Richtung Integration. Das Projekt des SV Lindenau läuft seit knapp zwei Jahren, also viel länger als Pegida in Dresden und neuerdings auch Legida in Leipzig, deren Anhänger aus Angst vor Überfremdung auf die Straßen gehen.
"Die Vorurteile, die man ständig hört von den Pegida oder Legida, dass die nicht integrationswillig sind, dass sie eine Parallelgesellschaft bilden. Ich bin der Meinung, dass das darauf beruht, dass man wenig Kontakt hat mit den Leuten und sich gar kein Urteil leisten kann."
Für den Kontakt zwischen Ausländern und Deutschen engagiert sich auch Björn Menzfeld. Er unterstützt das Integrationsprojekt im Verein auf der organisatorischen Ebene, hilft aber auch ganz praktisch: Zum Beispiel beim Sammeln von gebrauchten Fußballschuhen und Sportkleidung. Die ausländischen Kinder besitzen nämlich häufig überhaupt keine Sportausrüstung. Im Vereinsleben hat er bereits Veränderung festgestellt:
"Das Verhältnis zu Menschen anderer Herkunft normalisiert sich. Ich selber bin ja als ostdeutsches Kind nicht mit Kontakt zu fremdländischen Kindern aufgewachsen. Das ist, glaube ich, auch so ein Defizit meiner Generation oder der noch älteren Generation, die in der DDR aufgewachsen ist."
Die Freude ist unbeschreiblich
Vielleicht ist es gerade deshalb auch wichtig, dass der Syrer Rody Meilicke beim Integrationsprojekt des SV Lindenau mitarbeitet. Der 34-Jährige weiß nämlich, wie sich die Flüchtlingskinder fühlen. Vor zwölf Jahren floh er selbst aus Syrien. Heute trainiert er die F-Jugend-Mannschaft und hilft den Kindern, vor allem aber den Eltern bei Anträgen oder Behördengängen. Und wenn er kann, macht er kleine Geschenke:
"Die freuen sich so riesig über Kleinigkeiten, die in unserer Gesellschaft eigentlich gar kein Grund zur Freude ist. Ein paar gebrauchte Fußballschuhe, das hinterlässt einen Eindruck bei einem sechsjährigen Kind aus Syrien, das acht Monate auf der Flucht war und jetzt sein erstes Paar Fußballschuhe hat, mit Stollen sogar, und darf auf einem grünen Rasen Fußball spielen – die Freude ist unbeschreiblich."
Rody Meilicke macht es Spaß, mit Kindern aus der ganzen Welt zu arbeiten. Und es macht ihm Hoffnung, dass Rassismus und die Angst vor Ausländern bald niemanden mehr zu Demonstrationen auf die Straße treibt:
"Die Kinder, die jetzt bei uns im Verein aufwachsen, die kennen Kinder, die kurdisch, arabisch oder türkisch sprechen. Die kennen Kinder, die anders aussehen, die auch ganz schwarz sind. Aber das sind trotzdem Mitspieler. Diese Kinder sind für uns ein Reichtum gegen Rassismus."