Auf der Suche nach einer europäischen Lösung
Es wäre schon eine ziemliche Überraschung, wenn sich die EU-Innenminister heute in Luxemburg tatsächlich bei diesem höchst kontroversen Thema einigen würden. Es geht um einen von der EU-Kommission vorgeschlagenen Verteilungsschlüssel von Flüchtlingen.
"Wir haben einen entsprechenden Vorschlag am 27.Mai auf den Tisch gelegt und jetzt diskutieren ihn die EU-Innenminister zum ersten Mal", sagt die Sprecherin der EU-Kommission, Natasha Bertaud, und weiß natürlich, dass die Diskussionen längst in den Hauptstädten heiß laufen, über jene 40.000 der in Italien und Griechenland ankommenden Flüchtlinge, die die EU-Kommission in einer Notfallmaßnahme jenseits der üblichen Verabredungen auf die EU-Länder verteilt wissen will.
"Wir sind der Auffassung, dass nicht alle diejenigen, die zum Beispiel in Italien ankommen, sondern diejenigen, die eine dauerhafte Bleibeperspektive haben. Bei den anderen möchten wir, dass sie ein faires und gutes Verfahren in den Erstaufnahme-Ländern haben und gegebenenfalls in ihre Heimatländer oder in die Region zurückgeführt werden", sagt Bundesinnenminister De Maiziere. Erkennbar schutzbedürftig werden augenblicklich vor allem Flüchtlinge aus Syrien und Eritrea betrachtet. Sie haben eine entsprechend hohe Anerkennungsrate von um die 75 Prozent.
Widerstand aus osteuropäischen Ländern
"Unser System, das wir vorschlagen ist eine zeitlich begrenzte, akute Notfallsituation durch viele ankommende Flüchtlinge in Griechenland und Italien. Verteilt werden sollen nur wenige, eindeutig schutzbedürftig Menschen."
Deutschland ist, wie etwa ein Drittel der EU-Länder, durchaus für eine Art Quote - wenn die Kriterien stimmen, nach denen die Aufnahmepflichten verteilt würden. Wenn also neben der Größe und Wirtschaftsstärke eines Landes auch die dortige Arbeitslosigkeit und die Zahl der schon aufgenommenen Asylbewerber berücksichtigt wird. Ein Drittel verhält sich abwartend, aber ein Drittel der EU-Länder – zu viel um eine Mehrheit für das Vorhaben zu bekommen – ist strikt dagegen. Einige osteuropäische Länder zum Beispiel. Die grüne Europaabgeordnete Ska Keller kann dafür kein Verständnis aufbringen.
"Leider gibt es sehr viel Widerstand aus den Mitgliedstaaten, obwohl es nur um so eine kleine Zahl geht. Wenige Staaten tragen eine hohe Verantwortung und viele Staaten halten sich komplett dabei raus. So kann's nicht weitergehen. So ist das nicht gemeint mit dem gemeinsamen Europa."
So ist das ganz und gar nicht gemeint, findet auch der liberale Abgeordnete im Europäischen Parlament, Alexander Graf Lambsdorff.
"Es mag sein, dass sich einige Hauptstädte sperren. Dennoch halte ich den Ansatz für ganz richtig. Wir haben immer gesagt, Europa soll bei den großen Dingen groß und den kleinen Dingen klein sein. Niemand bestreitet, dass das Flüchtlingsproblem ein großes Problem ist. Hier eine gemeinsame europäische Lösung zu suchen, wie das die Kommission tut, ist mit Sicherheit richtig."
Dass Italien und Griechenland Unterstützung brauchen, an deren Küsten die Mehrzahl der zurzeit nach Europa kommenden Asylsuchenden landen, dass sie Hilfe brauchen, darüber besteht immerhin Einigkeit. Vor allem aber beim Adjektiv "verbindlich" im Zusammenhang mit einer wie immer gearteten Umverteilung, sperren sich einige EU-Länder. Sie ziehen es vor, auf finanzielle oder technische Unterstützung für die beiden südlichen Mitgliedsländer zu setzen. Und wenn überhaupt Umverteilung, dann freiwillig. Davon hält man in der EU-Kommission wenig.
"Die Kommission glaubt, dass alle verpflichtend ihren Teil tun sollten."
Und das schnell – nicht erst in ein paar Monaten.