Flüchtlinge

Afrika profitiert von fremden Gästen

Selbst-organisiertes Flüchtlingscamp am Rande des Flüchtlingslagers Dadaab in Kenia
Selbst-organisiertes Flüchtlingscamp am Rande des Flüchtlingslagers Dadaab in Kenia © dpa / Dai Kurokawa
Von Bettina Rühl |
Hunderttausende Flüchtlinge werden in afrikanischen Nachbarländern aufgenommen, nicht selten als Gäste von Privatleuten, die selbst arm sind. Mehr noch, so die Kenia-Korrespondentin Bettina Rühl, die Gastländer würden davon wirtschaftlich profitieren.
Vor allem in den Wintermonaten ist Kenia bei europäischen Touristen beliebt. Die meisten Reisenden landen in der Hauptstadt Nairobi oder direkt in Mombasa, der zweitgrößten Metropole des Landes. Weitgehend unbekannt ist dagegen die drittgrößte Siedlung Dadaab.
Der Ort liegt im trockenen Nordosten, nur achtzig Kilometer von der somalischen Grenze entfernt. Noch vor einem Vierteljahrhundert durchzogen nur ein paar Hirten mit ihren Herden die unwirtliche Gegend, auf der Suche nach Wasser und besseren Weidegründen.
Seit 25 Jahren fliehen Somalier nach Kenia
Dann, im Januar 1991, stürzten bewaffnete Klan-Milizen im Nachbarland Somalia den langjährigen Diktator Siad Barre. Von da an eskalierte der Bürgerkrieg, der bis heute nicht völlig beendet ist. Und in Kenia entstand die Kleinstadt Dadaab.
Seit nun schon fast 25 Jahren fliehen Somalierinnen und Somalier in immer neuen Wellen über die Grenze. Provisorisch wurde eine Zeltstadt gebaut, die im Laufe der Jahre immer größer wurde. Dort lebten zeitweise über 500.000 Menschen, eingepfercht auf 50 Quadratkilometern.
Die Flüchtlinge sind in vieler Hinsicht ein Gewinn: Hunderte Kenianerinnen und Kenianer finden Arbeit bei den Hilfsorganisationen oder den Vereinten Nationen, die Gesundheitszentren und Krankenhäuser oder Grundschulen in den Lagern betreiben. Die Infrastruktur ist dort besser als in vielen Gegenden Kenias.
Flüchtlingslager sorgten für wirtschaftlichen Aufschwung
Und auch die Wirtschaft der einst menschenleeren Region erlebte einen massiven Aufschwung. Der Lagerkomplex ist heute ein Geschäfts- und Handelszentrum, von dem die Einheimischen profitieren.
Es gibt alles, nur keine industrielle Produktion, aber Autowerkstätten, Schreiner und Metzger, Restaurants, Märkte, Baustoffhändler und Prostitution. Meist sind Kenianer die Kreditgeber, verdienen an den Zinsen, bekommen einen Anteil am Gewinn. Sie machen also, an und mit den Flüchtlingen, guten Profit.
Und noch etwas ist interessant. Das Land im Osten Afrikas ist eins von vielen Beispielen dafür, dass die meisten Flüchtlinge und Vertriebenen Afrikas auf dem eigenen Kontinent Aufnahme finden. Laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat Kenia mehr als 600.000 Flüchtlinge aufgenommen, Tausende, die illegal unterwegs sind, kommen vermutlich hinzu.
Viele Migranten kommen bei Privatleuten unter
Und das bei einer Bevölkerung von gut 40 Millionen Menschen, von denen fast die Hälfte unterhalb der Armutsgrenze lebt. Diese Zahlen, dass Hunderttausende oder gar Millionen Migranten aufgenommen werden, ist für afrikanische Länder eher die Regel als die Ausnahme.
Sehr viele Flüchtlinge müssen noch nicht einmal in Zeltstädten leben, weil sie von Familien aufgenommen werden – von Menschen, die ihnen bis dahin völlig fremd waren. Und die dann ihren eigenen, oft knappen Lebensunterhalt mit ihren Gästen teilen – denn so werden die Flüchtlinge häufig gesehen, als Gäste.
Das ist Willkommenskultur auf afrikanisch. Deutschland sollte sich also angesichts der eigenen Leistung nicht allzu stolz auf die Schulter klopfen. Und könnte beim Gedanken an die finanziellen Lasten durch die Aufnahme hunderttausender Flüchtlinge auch wieder etwas gelassener werden. Denn das Geld, das die Regierung zahlt, fließt zum guten Teil in die eigene Wirtschaft zurück.
Bettina Rühl, Jahrgang1965, lebt in Nairobi und Köln. Sie berichtet seit über zwanzig Jahren aus und über Afrika, unter anderem für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sie schreibt vor allem Feature und Hintergrundberichte. In den vergangenen Jahren hat sie sich verstärkt mit dem radikalen Islam und dem Zusammenbruch von Staaten in Afrika beschäftigt.
Bettina Rühl
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