"Florian Schroeder wählt ... Peer Steinbrück“

Politischer Satiriker trifft auf satirischen Politiker

Der Kabarettist Florian Schroeder (l) und der Politiker und ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück bei der Aufzeichnung der "NDR Talk Show" in Hamburg.
Der Kabarettist Florian Schroeder (l) und der Politiker und ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück touren als Unterhaltungsduo durch die Republik. © picture alliance / dpa / Georg Wendt
Von Tobi Müller · 03.07.2017
Der Komiker Florian Schroeder und der Politiker Peer Steinbrück trinken Weißwein und talken abendfüllend um die Wette. Eine kleine Tournee führt sie auf ausverkaufte Bühnen. Start war in Berlin im Admiralspalast.
Zwei Sessel, zwei Männer. Der eine redet sehr schnell, denkt auch so und kommt von der südlichen Grenze zur Schweiz. Es ist der Komiker Florian Schroeder. Der andere denkt auch schnell, spricht aber langsamer und lakonischer, er kommt schließlich aus Hamburg. Es ist der SPD-Politiker Peer Steinbrück, der vor vier Jahren nicht Bundeskanzler wurde.
Ein ungleiches Paar – Nord-Süd-Gefälle, andere Tempi, politische Satire und satirische Politik. Das ist schon mal eine gute Voraussetzung für Komik. Eine kleine Tournee führt die Promis auf ausverkaufte Bühnen, mit dem Programm "Florian Schroeder wählt... Peer Steinbrück".
Am besten, man berichtet einen Witz:
Steinbrück: "Rainer Barzel hat mal gesagt: Wer nicht 30 Prozent seiner Partei gegen sich hat, der taugt nichts."
Schroeder: "Machen Sie das eigentlich leidenschaftlich, sich mit Zitaten rauszureden?"
(Pause) Steinbrück: "Gregor Gysi hat mal gesagt …"
Wer wohl das größere Risiko eingegangen ist: der Comedian Schroeder oder der Politiker Steinbrück? Das Risiko des Komikers ist größer, mit einem Politiker an der Seite zu scheitern, der gerne mal einen Witz macht.
Steinbrück hat nicht so viel zu verlieren: Er kann Wahlkampf für seine Partei machen, gerade wenn er sich kritisch zu ihr verhält (was er ja gerne tut), muss aber selbst nicht in den Ring, er ist ja jetzt Bankberater.

Ohne Teleprompter und Skript

Fast erstaunlicher erschien nach zweieinhalb Stunden das Risiko, das beide eingegangen sind: Da war kein Teleprompter und kein Skript, um die Texte wie im Fernsehen abzulesen. Die Themenblöcke mögen abgesprochen gewesen sein, die Schlagabtäusche aber wirkten meistens spontan (das Gegenteil merkt man bei einem Laien sofort, der Steinbrück auf einer Comedybühne trotz unverkennbaren Talents natürlich ist).
Erstaunlich, wie stark die politischen Themen an dem Abend präsent blieben. Das muss auch so sein, denn beide werfen der Bundeskanzlerin einen entpolitisierten Wahlkampf vor. Es ging also um die Wahl im Herbst, man wagte abenteuerliche Prozentprognosen (35 Prozent für die SPD, von Steinbrück allerdings mit Grabesstimme vorgetragen, einer der größten Lacher des Abends).
Nach der Pause ging es viel um Donald Trump und auch um das Internet. Am Lustigsten war es aber eigentlich dann, wenn Steinbrück über seine eigene Rolle sprach und der Politik generell mehr Punch, aber auch mehr Pointen wünschte:
Steinbrück: "Mein Eindruck ist, dass wir uns in Deutschland häufig zu ernst nehmen. Übrigens: Das gilt auch für das Genre, das wir hier haben. Wir haben entweder eine Hochkultur und die Hochkultur guckt auf eine unterhaltsame Branche wie uns ziemlich herab."
Schroeder: "Woher kenn ich das?"
Steinbrück: "Sie können sich das als Kabarettist erlauben, Politiker setzen sich damit, exponieren sich damit sehr viel stärker gegenüber einer ziemlich zu erwartenden Kritik. Sie kriegen einen Shitstorm an den Hals, wenn Sie sich entgrenzen oder wenn Sie aus diesem Gefängnis oder Korsett herausspringen."
Schroeder: "Ja, aber das ist doch auch … Was ist das für eine Angst vor diesen Shitstorms. Ja, es gibt sie. Letztlich ist aber alles, was unter diesem Stichwort läuft, eine riesige Blase."
Steinbrück: "Ja, entschuldigen Sie, darüber habe ich meine Wahl verloren, machen Sie Witze hier oder was?"
Steinbrück meinte damit die Kontroverse um seinen Stinkefinger auf dem Titelblatt eines Wochenmagazins oder auch sein Lapsus, Weißwein unter 5 Euro als untrinkbar einzustufen, das war das Pinot-Grigio-Gate. Das geschah alles im Wahlkampf um die Kanzlerschaft, den er bekanntlich verlor.

Steinbrück ganz der abgeklärte Politiker

Die Chancen von Martin Schulz, dem aktuellen Sozialdemokraten im Rennen, stehen ähnlich schlecht. Da gab Steinbrück ganz den abgeklärten Politiker, der ohne Pressesprecher auftreten darf (eine Wohltat). Der Schulz natürlich in Schutz nimmt und auch erklärt, warum man in aussichtslosen Situationen erst recht kämpfen muss, um nicht noch mehr Verluste für die Partei zu riskieren.
Und doch drang die Kritik an Schulz deutlich durch: Er verzettele sich mit seinen Vorschlägen, bräuchte drei Kernbotschaften, Europa müsse zwingend eine sein davon, damit verbunden auch die Rolle der EU im Kampf mit den internationalen Internetfirmen, die Grundrechte beschneiden und kaum Steuern bezahlen. Vorratsdatenspeicherung fand Steinbrück allerdings kein Problem.
Und dass Steinbrück als Deregulierer selbst seinen Beitrag zur Entfesselung des Finanzsektors beigetragen hatte, ging in den schnellen Schlagabtäuschen etwas vergessen, auch wenn Schroeder ein paar Mal über Bande versucht hat, das Neoliberale in Steinbrück anzusprechen.
Die Verbindung von Politiker mit loser Zunge und Comedian mit klugem Kopf ist aber toll, man fragt sich die ganze Zeit, warum es das nicht öfter gibt. Und dass so eine aktuelle politische Show so viele Leute anspricht, ist ein gutes Zeichen.
Wie immer, wenn zwei Männer etwas zu lange - und zu lange geht es ja fast immer in Kleinkunst, Comedy und Kabarett, weil man in der Pause Getränke verkaufen muss, weil man keine Subventionen kriegt wie das hehre Sprechtheater - also wie immer, wenn es Herren gar gemütlich wird, stehen tendenziell eher Frauen am Rande der Witze und die Ablehnung von Political Correctness (oder: Höflichkeit) wird als Ironie betitelt, was sie ja gerade nicht ist.
Es fällt manchen halt schwer, Schokokuss zu sagen. Ironie wäre etwas anderes, aber dazu fehlt Schroeder vielleicht doch das kleine Latinum, schreibe ich jetzt als böser Hochkulturkritiker, das er einst gefälscht hatte, um eben Philosophie studieren zu können. Das war wieder sehr lustig, als Abschluss einer gelungenen Übung in locker-ernsthaftem Politikverständnis.
Mehr zum Thema