„Florenz und seine Maler“ in der Alten Pinakothek München

Florentiner Renaissance durch die heutige Brille

Ein Mann steht in Alten Pinakothek in München in der Ausstellung "Florenz und seine Maler - Von Giotto bis Leonardo Da Vinci" vor dem Bild "Bildnisdyptichon" von Domenico Ghirlandaio. Die Schau zeigt bis zum 27. Janur 2019 rund 120 Meisterwerke des 15. Jahrhunderts.
Rund 120 Werke aus dem 15. Jahrhundert werden in München gezeigt, auch "Bildnisdyptichon" von Domenico Ghirlandaio © dpa / picture alliance / Lino Mirgeler
Von Tobias Krone · 19.10.2018
Viereinhalb Jahre wurde die Alte Pinakothek in München renoviert. Jetzt strahlt sie in neuem Glanz und zeigt in der Ausstellung „Florenz und seine Maler“ wie die Renaissance die Kunst zu neuem Leben erweckt hat und warum sie sich in Florenz so gut entfalten konnte.
Es ist ein Gag, eine Bildmontage - sie verweist auf den Auftrag der Ausstellungsmacher. Das Plakat zu "Florenz und seine Maler" zeigt das "Bildnis eines jungen Mannes" im Wams, der zeitgemäßen Bürgertracht des 15. Jahrhunderts, gemalt von Filippino Lippi. Hier trägt der junge Mann eine coole Pilotenbrille, in der sich der Geburtsort der Neuzeit spiegelt: Florenz.
"Es ist der Blick in diese Wirklichkeit, die die Künstler umtreibt. Es ist der Blick, der ganz gegenwärtige, auf die Menschen der Renaissance, der uns in diese Ausstellung hineinführt", sagt Kurator Andreas Schumann.

Eine Ausstellung, die einen mitnimmt

Schumann hat sie zusammengestellt – auf gut proportionierte und didaktisch hervorragende Weise, die einen mitnimmt. Zu den Revolutionen einer Malkunst, die sich der Natur zunächst zeichnend annäherte – und sich damit zum ersten Mal vom jahrhundertelangen Handwerk des Kirchenverzierens emanzipierte.
"Der Künstler in der Renaissance versteht sich eben gerade über das Medium der Zeichnung, als ein freier Künstler, nicht als ein Handwerker – als ein geistig Schöpfender", so Schumann.
Schon Giotto im 14. Jahrhundert hatte den als maniera greca verschmähten idealisierenden Stil durch eine Zentralperspektive und mehr Lebendigkeit bei den Figuren ersetzt. Mit dieser Begeisterung für plastische Körper studierten seine Nachfolger die menschliche Anatomie und die Skulpturen der Antike. Die bestellten Bildmotive waren dagegen noch dem religiösen Ideal des Spätmittelalters verpflichtet.

Politisch gefährdete Generation

"Es sind natürlich zu zwei Drittel Andachtsbilder, die die Maler bewältigen müssen. Wir begegnen einer Generation, die natürlich eben nicht nur in goldenen Zeiten lebt, sondern in politischen Gefährdungen. Seuchen spielen eine Rolle, und so weiter. Man wird nicht sehr alt. Man ist sehr religiös. Das ist natürlich erstmal zu vermitteln – diese Andachtsbilder: dass selbst der erfolgreiche Banker ein Marienbild nicht nur hatte, um sich damit zu schmücken, sondern weil er wirklich davor gebetet hat tagtäglich. Aber das ist diese besondere Situation zwischen Künstler und Auftraggeber in Florenz. Die Künstler verstehen diese sie umgebende Wirklichkeit lebensnah, naturnah abzubilden im Bild", meint der Kurator.
So entstehen in Florenz die wohl eindringlichsten Mariendarstellungen der Kunstgeschichte. Wie Leonardo da Vincis "Madonna mit der Nelke" – ein Gemälde, das in München zu Hause ist – nun aber in Nachbarschaft mit Madonnen des Lehrers von da Vinci, Andrea del Verocchio, und seines Mitschülers Lorenzo di Gredi hängt, Leihgaben aus London und Dresden. Vergleichen kann man hier nicht nur den Übergang der alten Tempera-Technik Verocchios hin zur Ölmalerei der Schüler. Sondern auch die Wirkungen.
"Das, was Leonardo natürlich nur allein beherrscht: Tiefenräumlichkeit auch atmosphärisch ins Bild zu bringen. Ihn treibt ja um, was er uns im Bild zeigt, so zu zeigen, wie es das menschliche Auge wahrnimmt", begeistert sich der Ausstellungsmacher.
Während die Flächen der beiden Zeitgenossen noch stark geglättet sind, spielt da Vinci mit Licht und Schatten – und dem Dunst im Hintergrund, seinem typischen Sfumato.

Vom Genie da Vinci zum Genie Boticelli

Gegenüber ein Gemälde, mit dem sich ein anderes Genie empfahl, Sandro Botticelli mit seiner Anbetung der Heiligen Drei Könige – diese finden sich in Gestalt der Medici-Brüder wieder. Ein etwas zwielichtiger Florentiner Wechselhändler hatte das Altarbild in Auftrag gegeben, um den Herrschern der Stadt zu huldigen. Botticelli führte ihn aus – ganz nach dem zeitgemäßen Kunst-Regelwerk des Humanisten Leon Battista Alberti.
"Die Varietas der Figuren, ihre Ausdrücke, ihre mimische gestische Präsenz im Bild, die führt hier Botticelli bravourös vor", erklärt Schumann.
Die Blicke der Hirten und Diener, die da teilweise aus dem Bild herausgucken, sind nicht nur verzückt von der Geburt des Heilands, sondern auch teils ratlos und zweifelnd.

Die Geburt der Venus hätte bayerisch sein können

Botticellis berühmtestes Werk freilich, die Geburt der Venus, ein Akt in der Muschelschale, ist ganz und gar nicht religiös, er fehlt in der Ausstellung. Ein historischer Fehlgriff der bayerischen Kunstankaufpolitik: König Ludwig dem Ersten, der Renaissance-Kunst sammelte, war die Venus angeboten worden – ohne Reaktion.
"Und es treibt uns natürlich wirklich die Tränen in die Augen. Der Mangel an anderem Profanen, an mythologischen Darstellungen in der Münchner Sammlung aus der Florenzer Renaissance, den wir jetzt etwas ausgleichen durch Leihgaben, der hat seinen Ursprung im Kunstverständnis des 19. Jahrhunderts", bedauert der Kurator.
In Prüderie endet auch das erste Kapitel der Renaissance. Der religiöse Eiferer Savonarola herrscht vier Jahre über Florenz – und veranlasst Botticelli zu seiner Beweinung Christi, ein verstörend unharmonisches Altargemälde, ebenfalls im Münchner Bestand. Nachdem man jüngst bemerkt hatte, dass es Restaurateure im vorletzten Jahrhundert zu 90 Prozent übermalt hatten, erstrahlt es nun nach einjähriger Restaurierung in neuem alten Glanz der Farben.

FLORENZ UND SEINE MALER: VON GIOTTO BIS LEONARDO DA VINCI
Alte Pinakothek in München
18.10.2018 ‐ 27.01.2019

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