Fliegende Menschen in Dessau
Zwischen Bauhausstühlen und Heizkörpern hat Tine Rahel Völker ein Stück über Hugo Junkers inszeniert. Als fortschrittsgläubiger Flugzeugbauer glaubt er an den Frieden, macht als Firmenchef aber auch bereitwillig Geschäfte mit der Reichswehr. Ein "materialstarkes" Drama mit wenig Schubkraft.
Das deutsche Stadttheater hat sich in den letzten Jahren nicht nur in den dekonstruierenden Kampf mit dramatischen und literarischen Texten begeben, sondern sich zugleich auch entschieden an die Erforschung von gesellschaftlicher Wirklichkeit gemacht. Dabei entwickelten die Autoren und Dramaturgen eine Fülle von dokumentarischen Geschichtstheater-Spielformen.
Deren Kennzeichen: Statt inszenatorischer Sinnlichkeit Materialfülle, die ein üppiges Programmheft zur Nachbereitung geradezu verlangt. Und: Der Theaterbesucher wird zu Fuß, per Bahn oder mit audiovisuellen Medien durch die Stadt geführt. Manchmal gibt es sogar die Möglichkeit, direkt am historischen Ort dessen Geschichte zu erzählen. Dazu braucht es Jubiläen.
Zur 800-Jahrfeier von Anhalt und Dessau fand in Dessaus jährlichem Kurt-Weill-Fest auch eine "Junkers-Saga" ihren Uraufführungs-Platz, mit der die Autorin Tine Rahel Völker die Jahre von 1921 bis 1945 beleuchtet. Die Autorin hat bei Stücken zur Ideen- und Personengeschichte Weimars bewiesen, dass sie Geschichtsstrukturen szenisch versinnlichen kann.
Ihr Stück über Hugo Junkers zeigt keinen sturen Flugzeugwaffenschmied, sondern einen fortschrittsgläubigen Flugzeugbauer, der Firmenchef und idealistischer Wissenschaftler war: "Ich bin kein Pazifist. Ich habe nur etwas gegen diesen hohlen Militarismus, wo doch alles auf eine viel produktivere Weise über Märkte zu regeln wäre. Ich hasse den Krieg, ja. Ein Flugzeug zusammenzusetzen, damit es wenige Wochen später in Flammen aufgeht?"
So versucht Junkers nach dem ersten Weltkrieg, eine zivile Luftfahrtproduktion zu entwickeln. Er verständigt sich aber auch, um die Bestimmungen des Versailler Vertrages zu umgehen, mit der Reichswehr 1922 über ein Entwicklungs- und Produktionsgeschäft mit Russland.
Völker montiert politische und private Geschichte überzeugend ineinander. Der Spielort sind die Aula und das Theater des Bauhauses. Junkers schwebte die Entwicklung einer Unternehmenskultur mit Erholungs- und Kultstätten vor, er wollte eine politikfreie Industriekultur, die im Einklang mit der Kunst stand.
Der Bauhäusler Peter Drömmer arbeitete für Junkers als Werbefachmann und entwarf das Junkers-Markenzeichen des "Fliegenden Menschen". All das erfahren wir im Spiel aber erst, nachdem uns zwei durchs Geschehen führende Erzähler über das Wesen des Bauhauses aufgeklärt haben. Das wirkt arg schulfunkhaft, gerade weil Regisseurin Andrea Moses den beiden eine Art Schein-Ironie verordnet hat.
Deren Kennzeichen: Statt inszenatorischer Sinnlichkeit Materialfülle, die ein üppiges Programmheft zur Nachbereitung geradezu verlangt. Und: Der Theaterbesucher wird zu Fuß, per Bahn oder mit audiovisuellen Medien durch die Stadt geführt. Manchmal gibt es sogar die Möglichkeit, direkt am historischen Ort dessen Geschichte zu erzählen. Dazu braucht es Jubiläen.
Zur 800-Jahrfeier von Anhalt und Dessau fand in Dessaus jährlichem Kurt-Weill-Fest auch eine "Junkers-Saga" ihren Uraufführungs-Platz, mit der die Autorin Tine Rahel Völker die Jahre von 1921 bis 1945 beleuchtet. Die Autorin hat bei Stücken zur Ideen- und Personengeschichte Weimars bewiesen, dass sie Geschichtsstrukturen szenisch versinnlichen kann.
Ihr Stück über Hugo Junkers zeigt keinen sturen Flugzeugwaffenschmied, sondern einen fortschrittsgläubigen Flugzeugbauer, der Firmenchef und idealistischer Wissenschaftler war: "Ich bin kein Pazifist. Ich habe nur etwas gegen diesen hohlen Militarismus, wo doch alles auf eine viel produktivere Weise über Märkte zu regeln wäre. Ich hasse den Krieg, ja. Ein Flugzeug zusammenzusetzen, damit es wenige Wochen später in Flammen aufgeht?"
So versucht Junkers nach dem ersten Weltkrieg, eine zivile Luftfahrtproduktion zu entwickeln. Er verständigt sich aber auch, um die Bestimmungen des Versailler Vertrages zu umgehen, mit der Reichswehr 1922 über ein Entwicklungs- und Produktionsgeschäft mit Russland.
Völker montiert politische und private Geschichte überzeugend ineinander. Der Spielort sind die Aula und das Theater des Bauhauses. Junkers schwebte die Entwicklung einer Unternehmenskultur mit Erholungs- und Kultstätten vor, er wollte eine politikfreie Industriekultur, die im Einklang mit der Kunst stand.
Der Bauhäusler Peter Drömmer arbeitete für Junkers als Werbefachmann und entwarf das Junkers-Markenzeichen des "Fliegenden Menschen". All das erfahren wir im Spiel aber erst, nachdem uns zwei durchs Geschehen führende Erzähler über das Wesen des Bauhauses aufgeklärt haben. Das wirkt arg schulfunkhaft, gerade weil Regisseurin Andrea Moses den beiden eine Art Schein-Ironie verordnet hat.
Filmbilder und Puppenspiel
Doch an diesem Spielort, wo das Publikum auf Marcel Breuers Bauhaus-Stühlen sitzt und noch von Junkers produzierte Stahllamellen-Heizkörper an den Wänden hängen, gibt es keine Theater-Aura. Die offene Bühne (Karoly Risz) ist eine Werkhalle voller silberner Transportkisten aus Eisen. In ihnen werden Requisiten oder eine neue Figur ins Geschehen geschoben, und auf ihnen flimmern historische Filmbilder.
Im Puppenspiel streiten sich der amerikanische Kapitalist Henry Ford und die russische Schriftstellerin Larissa Eisner, im Bühnenerzählspiel diskutiert Junkers mit seinen Kindern. Die Tochter hängt linken Ideen an, der Sohn möchte sich als Tänzer verwirklichen und lässt sich, nachdem die Nazis seinen Vater enteignet haben, als Leiter einsetzen. Spannend, wie sich auf politischen Druck wandelnde Verhaltensweisen vorgeführt werden.
Leider hat Andrea Moses das Redestück von Tine Rahe Völker recht uninspiriert arrangiert. Die Darsteller stehen oft nur so herum, dann wieder erscheinen sie unter mimischen Ausdruckswillen gesetzt. Das Dokumentarische siegt über das Theatralische des Abends, der bis hierhin eine dramatische Binnenspannung besitzt.
Der zweite Teil des Stücks gerät unter den Druck vieler abzuhakender historischer Ereignisse. Wir sehen die Nazis auf der Bühne und im Film: Die SA marschiert, die Synagoge wird in Brand gesteckt, Zyklon-B wird in der örtlichen Zuckerfabrik produziert, Goebbels eröffnet in der Gauhauptstadt Dessau das neue Theater, die Stadt wird zerbombt und die Junkers-Ingenieure werden als Fachleute nach Russland transportiert. Am Ende des materialstarken Abends hilft zur Vertiefung und Nachbereitung die Programmzeitung.
Fazit: Die nur eindreiviertelstündige Aufführung liefert eine Fülle von Informationen, doch als Theater-Inszenierung enttäuscht sie mächtig.
Weitere Informationen des Anhaltischen Theater Dessau zum Theaterstück Der Fliegende Mensch - Eine Junkers-Saga
Im Puppenspiel streiten sich der amerikanische Kapitalist Henry Ford und die russische Schriftstellerin Larissa Eisner, im Bühnenerzählspiel diskutiert Junkers mit seinen Kindern. Die Tochter hängt linken Ideen an, der Sohn möchte sich als Tänzer verwirklichen und lässt sich, nachdem die Nazis seinen Vater enteignet haben, als Leiter einsetzen. Spannend, wie sich auf politischen Druck wandelnde Verhaltensweisen vorgeführt werden.
Leider hat Andrea Moses das Redestück von Tine Rahe Völker recht uninspiriert arrangiert. Die Darsteller stehen oft nur so herum, dann wieder erscheinen sie unter mimischen Ausdruckswillen gesetzt. Das Dokumentarische siegt über das Theatralische des Abends, der bis hierhin eine dramatische Binnenspannung besitzt.
Der zweite Teil des Stücks gerät unter den Druck vieler abzuhakender historischer Ereignisse. Wir sehen die Nazis auf der Bühne und im Film: Die SA marschiert, die Synagoge wird in Brand gesteckt, Zyklon-B wird in der örtlichen Zuckerfabrik produziert, Goebbels eröffnet in der Gauhauptstadt Dessau das neue Theater, die Stadt wird zerbombt und die Junkers-Ingenieure werden als Fachleute nach Russland transportiert. Am Ende des materialstarken Abends hilft zur Vertiefung und Nachbereitung die Programmzeitung.
Fazit: Die nur eindreiviertelstündige Aufführung liefert eine Fülle von Informationen, doch als Theater-Inszenierung enttäuscht sie mächtig.
Weitere Informationen des Anhaltischen Theater Dessau zum Theaterstück Der Fliegende Mensch - Eine Junkers-Saga