Fleißarbeit gegen das Vergessen
Man habe nichts gewusst - Dieser Satz hat sich Tausendfach als Lüge herausgestellt. Auch Albert Speer hat nicht nur gewusst, was passierte, sondern persönlich Zwangsarbeiter aus dem KZ Buchenwald nach Mittelbau Dora geholt. 61 Jahre nach Kriegsende erfährt das KZ Mittelbau Dora die erste umfassende Aufarbeitung seiner Geschichte.
Joseph Goebbels Rede vom Totalen Krieg im Februar 1943 ist die erste Wahrnehmung beim Betreten der neuen Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Mittelbau Dora. Unter dem Bildschirm auf dem Goebbels Rede läuft, liegen Steine, Schutt und Metallschrott, so wie sie auch in der riesigen Stollenanlage des Kohnstein wenige hundert Meter entfernt zu finden sind.
Die nach Stalingrad absehbare Kriegsniederlage 1943 war es, die den Nazis nur noch die Hoffnung auf die Wunderwaffe ließ und die gleichzeitig das Leiden der KZ-Häftlinge verstärkte. In der neuen Ausstellung der KZ Gedenkstätte Mittelbau Dora werden diese Zusammenhänge deutlich gemacht: Links die Galerie der Täter vom SS-Schergen über Albert Speer bis zu Wernher von Braun. Rechts die Opfer: Juden, Sinti und Roma, Osteuropäer und auch tausende inhaftierte Widerstandskämpfer aus den besetzten Gebieten Westeuropas.
Mittelbau Dora ist Sinnbild für diese letzte Phase der deutschlandweit verteilten Konzentrationslager, deren Zahl von 260 im Jahr 1943 auf über 700 zum Ende des Krieges angewachsen war, so Prof. Volkhardt Knigge, Direktor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora.
"Also es hat tatsächlich eine bundesweite Bedeutung sogar, weil es einer der zentralen, konkreten, authentischen Erinnerungsorte für die Häftlingszwangsarbeit ist, um den hohen Preis den Menschen - Häftlinge dafür zahlen mussten, den Totalen Krieg am Laufen zu halten. Und insofern wird hier etwas gezeigt - und ich hoffe annähernd einfühlbar und vorstellbar - was in dieser Konzentration in dieser Schroffheit in den anderen Gedenkstätten, einschließlich Buchenwald, so nicht gezeigt werden kann."
Dennoch wurde Mittelbau Dora auch nach dem Krieg immer als Außenlager von Buchenwald wahrgenommen, was es bis Oktober 1944 auch war. Am 28. August 1943 kamen die ersten 107 Häftlinge aus Buchenwald am Kohnstein an. Nur wenige Tage nach dem vernichtenden Luftangriff auf Peenemünde sollte hier die Produktion der V2-Waffen vorangetrieben werden. Ein Jahr später waren es knapp 33.000, die die unterirdische Stollenanlage ausbauen sollten. Insgesamt 60.000 litten in den knapp zwei Jahren in Mittelbau Dora. 20.000 starben.
Koordiniert wurde die Ausbeutung der Zwangsarbeiter von Rüstungsminister Albert Speer, der es dennoch bis zu seinem Tod 1981 erfolgreich verstanden hatte, die im KZ-Mittelbau Dora begangenen Verbrechen zu leugnen und auf Andere abzuwälzen. Um genau das nicht mehr möglich zu machen, arbeiten die überlebenden Häftlinge von Mittelbau Dora seit Jahren mit an der Aufarbeitung der Geschichte.
"Wir sind hier um den Jüngeren diese Erinnerungspflicht weiterzugeben, die aus ihnen Zeugen einer Zeit macht, die sich nie wiederholen soll, damit die Farbe der Zivilisation nie wieder abbröckelt und dem Bösen keine neue freie Bahn gelassen wird."
Es war und ist das zentrale Anliegen der überlebenden KZ-Häftlinge von Mittelbau Dora, wie hier, vom französischen General Bernard d'Astorg: Das Vergessen darf nie die Erinnerung zerstören. Mit der neuen Ausstellung gibt es in Mittelbau Dora jetzt quasi eine Gendatenbank der Erinnerung.
Erst in den letzten Jahren konnte die Geschichte von Mittelbau Dora komplettiert werden. In den Stollen gefundene Nummernmarken beispielsweise, mit denen die Werkzeug-Ausgabe an die Häftlinge reguliert wurde, können jetzt einzelnen Häftlingen zugeordnet werden. Eine Fleißarbeit gegen das Vergessen, die ohne die überlebenden Häftlinge nicht möglich war.
Aufgeräumt wird auch mit dem Glauben, die Bevölkerung im Umland habe von allem nichts geahnt und nichts gesehen. Bilder und Biografien von Wachmannschaften belegen das Gegenteil. Jahrzehntelang gab es keine wirkliche Erinnerung, so Gedenkstättendirektor Prof Knigge.
"Dies ist eigentlich keine Überarbeitung, sondern dies ist im Jahr 2006, die erste wirkliche große Ausstellung zu Mittelbau Dora."
Mit der in den 60er Jahren in Mittelbau Dora eingerichteten antifaschistischen Mahn- und Gedenkstätte und der kleinen Ausstellung, die in einer kleinen Baracke im Bereich des Krematoriums untergebracht war, gab es diese Aufarbeitung nicht. Doch jetzt werden Täter gezeigt und genannt wie zum Beispiel der Finanzfachmann für KZ-Rüstungsprojekte Karl Maria Hettlage, der nach dem Krieg Staatssekretär im Bundesfinanzministerium war.
Auch Bundesverdienstkreuzträger Wernher von Braun war eben Täter und nicht nur Mittäter, das zeigt die neue Ausstellung in Bild und Datenlage. Unter anderem konnte man erst in jüngster Zeit auf Material aus dem US-Archiv Washington zurückgreifen oder auch auf Fotos des NS-Dokumentarfilmers Walter Frenz, die erst 1998 in seinem Nachlass gefunden wurden. Es sind auch Einblicke, wie die Vernichtung durch Arbeit funktionierte, so der Leiter der Gedenkstätte Mittelbau Dora Dr. Jens Christian Wagner.
"Einmal hat er mit der Kamera in einen Nebenstollen herein gehalten und das aufgenommen was eigentlich in den Stollen passierte nämlich Bauarbeiten. Jetzt sah man auf einmal, dass ganz oben auf dem Gerüst ganz deutlich ein Häftling erkennbar ist - und ein deutscher Ingenieur der sich das Ganze anguckt."
Für die ehemaligen Häftlinge ist auch wichtig, das Mittelbau Dora jetzt eine eigenständige Gedenkstätte ist und nicht einfach eine Unterabteilung der Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald - so wie das KZ-Mittelbau Dora eben nur als Außenstelle vom KZ Buchenwald galt in dem zum Beispiel Wernher von Braun sich die Häftlinge für die Raketenproduktion höchst selbst ausgesucht hat. Die Gedenkstätte Mittelbau Dora braucht Eigenständigkeit so Prof. Knigge.
"Doch die garantieren wir. Die muss man auch garantieren. Alle Mittelbau Dora Häftlinge haben ja die Erfahrung gemacht, dass ihre Geschichte im Schatten der großen Geschichte Buchenwalds gewissermaßen untergegangen ist und dann auch in diesen ganzen Verleugnungen und der Geschichten untergegangen ist. Jetzt ist Mittelbau Dora eine gleichberechtigte Gedenkstätte in der Stiftung. Beide Gedenkstätten werden - vielen Dank auch an den Bund - institutionell gefördert. Jetzt gibt es zwei gleichberechtigte Gedenkstätten und solange ich hier bin, werde ich dafür sorgen, das Mittelbau Dora nicht verschattet wird."
Die nach Stalingrad absehbare Kriegsniederlage 1943 war es, die den Nazis nur noch die Hoffnung auf die Wunderwaffe ließ und die gleichzeitig das Leiden der KZ-Häftlinge verstärkte. In der neuen Ausstellung der KZ Gedenkstätte Mittelbau Dora werden diese Zusammenhänge deutlich gemacht: Links die Galerie der Täter vom SS-Schergen über Albert Speer bis zu Wernher von Braun. Rechts die Opfer: Juden, Sinti und Roma, Osteuropäer und auch tausende inhaftierte Widerstandskämpfer aus den besetzten Gebieten Westeuropas.
Mittelbau Dora ist Sinnbild für diese letzte Phase der deutschlandweit verteilten Konzentrationslager, deren Zahl von 260 im Jahr 1943 auf über 700 zum Ende des Krieges angewachsen war, so Prof. Volkhardt Knigge, Direktor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora.
"Also es hat tatsächlich eine bundesweite Bedeutung sogar, weil es einer der zentralen, konkreten, authentischen Erinnerungsorte für die Häftlingszwangsarbeit ist, um den hohen Preis den Menschen - Häftlinge dafür zahlen mussten, den Totalen Krieg am Laufen zu halten. Und insofern wird hier etwas gezeigt - und ich hoffe annähernd einfühlbar und vorstellbar - was in dieser Konzentration in dieser Schroffheit in den anderen Gedenkstätten, einschließlich Buchenwald, so nicht gezeigt werden kann."
Dennoch wurde Mittelbau Dora auch nach dem Krieg immer als Außenlager von Buchenwald wahrgenommen, was es bis Oktober 1944 auch war. Am 28. August 1943 kamen die ersten 107 Häftlinge aus Buchenwald am Kohnstein an. Nur wenige Tage nach dem vernichtenden Luftangriff auf Peenemünde sollte hier die Produktion der V2-Waffen vorangetrieben werden. Ein Jahr später waren es knapp 33.000, die die unterirdische Stollenanlage ausbauen sollten. Insgesamt 60.000 litten in den knapp zwei Jahren in Mittelbau Dora. 20.000 starben.
Koordiniert wurde die Ausbeutung der Zwangsarbeiter von Rüstungsminister Albert Speer, der es dennoch bis zu seinem Tod 1981 erfolgreich verstanden hatte, die im KZ-Mittelbau Dora begangenen Verbrechen zu leugnen und auf Andere abzuwälzen. Um genau das nicht mehr möglich zu machen, arbeiten die überlebenden Häftlinge von Mittelbau Dora seit Jahren mit an der Aufarbeitung der Geschichte.
"Wir sind hier um den Jüngeren diese Erinnerungspflicht weiterzugeben, die aus ihnen Zeugen einer Zeit macht, die sich nie wiederholen soll, damit die Farbe der Zivilisation nie wieder abbröckelt und dem Bösen keine neue freie Bahn gelassen wird."
Es war und ist das zentrale Anliegen der überlebenden KZ-Häftlinge von Mittelbau Dora, wie hier, vom französischen General Bernard d'Astorg: Das Vergessen darf nie die Erinnerung zerstören. Mit der neuen Ausstellung gibt es in Mittelbau Dora jetzt quasi eine Gendatenbank der Erinnerung.
Erst in den letzten Jahren konnte die Geschichte von Mittelbau Dora komplettiert werden. In den Stollen gefundene Nummernmarken beispielsweise, mit denen die Werkzeug-Ausgabe an die Häftlinge reguliert wurde, können jetzt einzelnen Häftlingen zugeordnet werden. Eine Fleißarbeit gegen das Vergessen, die ohne die überlebenden Häftlinge nicht möglich war.
Aufgeräumt wird auch mit dem Glauben, die Bevölkerung im Umland habe von allem nichts geahnt und nichts gesehen. Bilder und Biografien von Wachmannschaften belegen das Gegenteil. Jahrzehntelang gab es keine wirkliche Erinnerung, so Gedenkstättendirektor Prof Knigge.
"Dies ist eigentlich keine Überarbeitung, sondern dies ist im Jahr 2006, die erste wirkliche große Ausstellung zu Mittelbau Dora."
Mit der in den 60er Jahren in Mittelbau Dora eingerichteten antifaschistischen Mahn- und Gedenkstätte und der kleinen Ausstellung, die in einer kleinen Baracke im Bereich des Krematoriums untergebracht war, gab es diese Aufarbeitung nicht. Doch jetzt werden Täter gezeigt und genannt wie zum Beispiel der Finanzfachmann für KZ-Rüstungsprojekte Karl Maria Hettlage, der nach dem Krieg Staatssekretär im Bundesfinanzministerium war.
Auch Bundesverdienstkreuzträger Wernher von Braun war eben Täter und nicht nur Mittäter, das zeigt die neue Ausstellung in Bild und Datenlage. Unter anderem konnte man erst in jüngster Zeit auf Material aus dem US-Archiv Washington zurückgreifen oder auch auf Fotos des NS-Dokumentarfilmers Walter Frenz, die erst 1998 in seinem Nachlass gefunden wurden. Es sind auch Einblicke, wie die Vernichtung durch Arbeit funktionierte, so der Leiter der Gedenkstätte Mittelbau Dora Dr. Jens Christian Wagner.
"Einmal hat er mit der Kamera in einen Nebenstollen herein gehalten und das aufgenommen was eigentlich in den Stollen passierte nämlich Bauarbeiten. Jetzt sah man auf einmal, dass ganz oben auf dem Gerüst ganz deutlich ein Häftling erkennbar ist - und ein deutscher Ingenieur der sich das Ganze anguckt."
Für die ehemaligen Häftlinge ist auch wichtig, das Mittelbau Dora jetzt eine eigenständige Gedenkstätte ist und nicht einfach eine Unterabteilung der Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald - so wie das KZ-Mittelbau Dora eben nur als Außenstelle vom KZ Buchenwald galt in dem zum Beispiel Wernher von Braun sich die Häftlinge für die Raketenproduktion höchst selbst ausgesucht hat. Die Gedenkstätte Mittelbau Dora braucht Eigenständigkeit so Prof. Knigge.
"Doch die garantieren wir. Die muss man auch garantieren. Alle Mittelbau Dora Häftlinge haben ja die Erfahrung gemacht, dass ihre Geschichte im Schatten der großen Geschichte Buchenwalds gewissermaßen untergegangen ist und dann auch in diesen ganzen Verleugnungen und der Geschichten untergegangen ist. Jetzt ist Mittelbau Dora eine gleichberechtigte Gedenkstätte in der Stiftung. Beide Gedenkstätten werden - vielen Dank auch an den Bund - institutionell gefördert. Jetzt gibt es zwei gleichberechtigte Gedenkstätten und solange ich hier bin, werde ich dafür sorgen, das Mittelbau Dora nicht verschattet wird."