Fleiß am Stiel

08.01.2009
Der Erlanger Historiker Gregor Schöllgen widmet dem "Eiskönig" Theo Schöller eine Biografie. Darin schildert er packend, wie es ein Junge aus Nürnberg schafft, Millionär zu werden. Was den Lesegenuss schmälert: Schöllgen hat das Buch mit Unterstützung der Schöller-Familienstiftung geschrieben. Das prägt den Band über weite Passagen.
Finanzkrise, so lautet das Wort des Jahres 2008. Die Konjunktur geht auf Talfahrt, und so sehnen sich nicht wenige zurück in die glanzvolleren Zeiten des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals schien die Bundesrepublik einem Schlaraffenland zu gleichen, in dem Vollbeschäftigung, satte Wachstumszahlen und sozialer Frieden gediehen. Dort flossen Milch und Honig – und es wurde auch kräftig Eis geschleckt. Es kam, wenn nicht von Langnese, so von Theo Schöller, einem der Familienunternehmer, die dieses Wirtschaftswunder mit seiner harten Arbeit und seinem unternehmerischen Mut erst möglich gemacht haben.

Dem selbst gekrönten "Eiskönig" hat nun der Erlanger Historiker Gregor Schöllgen eine Biografie gewidmet. Er schildert gut lesbar und über viele Strecken packend, wie es ein kleiner Junge aus Nürnberg schafft, Millionär zu werden.

Am Anfang stehen gute Ideen. Der junge Theo Schöller verdient sich Geld als Kartenabreißer in Kinos. Dort macht er 1935 eine interessante Entdeckung, die sein Leben verändern sollte: "Es war ein zylinderförmiges Stück Vanille-Eis am Stiel, in Stanniolpapier gewickelt, das aus einem Bauchladen an die Vorstellungsbesucher verkauft wurde", erinnerte sich Schöller später. Der Jungunternehmer, geboren 1917, baut die väterliche Firma, einen alten Handwerksbetrieb, um und steigt in die Massenfertigung von Eis ein.

Das lohnt sich, doch dann kommt der Krieg dazwischen. Das Geschäft läuft trotzdem weiter, denn Millionen Soldaten haben Hunger. Für sie liefert Schöller Tiefkühlkost. Die Wehrmacht zahlt gut und pünktlich. Davon profitieren die Schöllers und beschäftigen in Nürnberg Zwangsarbeiter, um die Nachfrage von Hitlers Armee zu befriedigen. Es ist eben eine deutsche Geschichte im Guten wie Schlechten, die Schöllgen erzählt.

Wieder zahlt sich der Ratschlag aus, den Mutter Schöller ihren Kindern einst auf den Weg gegeben hatte: "Wenn ihr Euch je einmal selbständig machen solltet, dann wählt ein ‚fressendes Geschäft’, denn essen müssen die Leute immer." Das klingt alles nach einem Selbstläufer, doch Theo Schöller muss immer wieder gewaltige Hindernisse überwinden. Eines davon ist sein Bruder Karl, mit dem er anfangs die Firma aufbaut. Karl trinkt mehr als gesund ist und zeigt nicht die geschäftliche Flexibilität, wie sie die dynamischen 50er Jahre verlangen. 1955 kommt es zum Bruch. Theo, der Tüchtige, führt die Geschäfte alleine weiter. Er expandiert das Geschäft und setzt neben industriell gefertigtem Eis und Massentiefkühlkost auch auf Lebkuchen, die im Winter die Fabriken auslasten, wenn die kühle Kost weniger nachgefragt wird.

Theo Schöller führt sein Imperium wie eine große Familiensippe. Er wohnt auf dem Betriebsgelände und scheint so mit dem Unternehmen quasi verwachsen. Sein ganzes Leben widmet der Chef der Firma, nur konsequent ist es da, dass er in zweiter Ehe auch eine Mitarbeiterin heiratet. "Der Mann mit der dunklen Hornbrille, der eher aussieht wie ein Lehrer als ein Fabrikant", so beschreibt ihn einmal die Abendzeitung. Dieser unprätentiöse, ja vielleicht ein wenig spießige Manager jettet nicht rund um den Globus, sondern bleibt am liebsten daheim in Nürnberg und feiert die Firmenjubiläen mit verdienten Mitarbeitern in der Kantine. Der Wert des Unternehmens ist für ihn viel mehr als ein "shareholder value".

Das stößt freilich schnell an Grenzen. Schöller muss expandieren, und nach dem Fall der Mauer fällt es dem mittlerweile alten Eistycoon schwer, mit der Zeit mitzuhalten. In den neuen Bundesländern eröffnet er eine weitere Produktionsstätte und muss sie bald wieder schließen. Er hat sich verspekuliert. 2001 kauft Nestlé die Firma, drei Jahre später geht das letzte Eis der Marke Schöller in Nürnberg vom Fließband. Eine Tradition endet. Theo Schöller muss das nicht mehr miterleben. Er ist zwei Monate zuvor gestorben und mit ihm einer der großen Familienunternehmer einer Zeit, in der das Wirtschaften auch hart, aber offenbar berechenbarer und näher am Mitarbeiter war.

Das alles schildert Schöllgen ausführlich und mit großer Sympathie für den Eiskönig. Diese Haltung ist verständlich, doch sie ist leider offenbar "erkauft", und das macht den Leser misstrauisch. Schöllgen hat das Buch nämlich mit Unterstützung der Schöller-Familienstiftung und der Witwe Schöllers geschrieben. Das prägt den Band über weite Passagen. Oft kann man die Schilderung des renommierten Historikers nicht von einer Werbeschrift unterscheiden. Schade, denn Schöller hätte eine objektivere Würdigung verdient.

Rezensiert von Hartmut Kühne

Gregor Schöllgen: Der Eiskönig. Theo Schöller – ein deutscher Unternehmer, 1917-2004.
C. H. Beck Verlag, München 2008. 190 Seiten, 19,90 Euro.
Gregor Schöllgen: Der Eiskönig. Theo Schöller - ein deutscher Unternehmer
Gregor Schöllgen: Der Eiskönig. Theo Schöller - ein deutscher Unternehmer© C. H. Beck Verlag