Fixstern der Exiltibeter in Indien

"Ohne den Dalai Lama sind wir nichts"

Tanzin ist in Majnuka-Tilla zur Welt gekommen, der größte tibetischen Siedlung in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi.
Tanzin ist zwar in Indien geboren, fühlt sich aber durch und durch als Tibeter. © Sandra Petersmann / ARD
Von Sandra Petersmann, ARD Neu-Delhi · 17.05.2016
Etwa 100.000 Tibeter leben in Indien im Exil. Sie müssen ihren Alltag ohne Pass und mit bürokratischen Hindernissen ertragen. Der inzwischen 80-jährige Dalai Lama hält die Menschen fern der Heimat zusammen: Auch wenn er seit Jahren nur noch ihr religiöses Oberhaupt ist, weil er die politische Führung abgegeben hat.
Unten tobt der Verkehr. Die Berge des Himalaya sind weit weg. Er ist höllisch laut auf der Fußgängerbrücke, die über die große Ringstraße im Norden Neu-Delhis führt. Auf der indischen Brücke flattern viele hundert Gebetsfahnen – wie in Tibet. Der Wind soll die Gebete in den Himmel tragen. Die bunten Fahnen erinnern an die verlorene Heimat im Himalaya.
"Staatenlos zu sein tut weh", klagt Dorjee. "Es gibt so viele Dinge, für die man einen Pass braucht."

Gefährliche Flucht durch die Berge

Dorjee ist mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern vor acht Jahren aus Tibet nach Indien geflohen. Eine gefährliche Flucht durch die Berge. Über Nepal in die Stadt Dhramsala im Norden Indiens. Hier haben der Dalai Lama und die tibetische Exilregierung ihren Sitz. Dann weiter nach Majnuka-Tilla, die größte tibetische Siedlung in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi, um Arbeit zu finden:
"Der Dalai Lama ist unser Gott, er bedeutet uns einfach alles. Er ist der Grund, warum wir Tibeter bis heute nach Indien fliehen."
mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern
Dorjee floh vor acht Jahren aus Tibet nach Indien, mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern.© Sandra Petersmann / ARD
Dorjee sehnt sich oft zurück in ihre Heimat Tibet. Es ist eine Heimat, die Tanzin nie kennengelernt hat. Tanzin ist ein Kind aus Majnuka-Tilla. Reiseführer preisen die exiltibetische Siedlung als das "Kleine Tibet" von Neu-Delhi an.
"Ich bin durch und durch Tibeter, auch wenn ich in Indien zur Welt gekommen bin", stellt der junge Mann klar.

Enge Gassen, windschiefe Häuserschluchten

In den engen Gassen zwischen den manchmal windschiefen Häuserschluchten ist einfach alle tibetisch. Das Essen, die buddhistische Musik, die Buchhandlungen und die vielen Läden mit Schmuck und Kunsthandwerk. Der Dalai Lama ist allgegenwärtig. Auf Plakaten, auf Postern, in Schaufenstern, auf T-Shirt. In Tibets Hauptstadt Lhasa sind seine Fotos verboten.
Tanzin ist Ende 20. Er bedruckt und verkauft T-Shirts. Auf dem hellblauen, das er selber trägt, steht in weiß: "Free Tibet" – Freiheit für Tibet. Doch am besten verkaufen sich T-Shirts mit dem Gesicht des Dalai Lama. "Er ist das Bindeglied zwischen uns", glaubt Tanzin:
"Ohne den Dalai Lama sind wir nichts. Durch ihn erkennt uns die Welt als Tibeter an. Er gibt uns eine Identität."Beten für Gewaltlosogkeit und Frieden
Er weiß, dass es in Dhramsala eine gewählte Exilregierung gibt, die ihn und die an-deren Exiltibeter seit 2011 politisch vertritt. Damals entscheid der Dalai Lama, nur noch das religiöse Oberhaupt der Tibeter zu sein und die politische Führung in gewählte Hände abzugeben. Für Tanzin scheint das keine große Rolle zu spielen.
Tanzin betet dafür, dass der Dalai Lama mit seiner Botschaft der Gewaltlosigkeit für Frieden sorgt. In Tibet und in anderen Teilen der Welt. Tanzin hat keinen Pass und keine Heimat. Er muss sich regelmäßig bei den indischen Behörden melden. Doch Tanzin hat einen Fixstern.
"Little Tibet" in Neu-Delhi: Der Dalai Lama ist in den Schaufenstern von Majnuka-Tilla allgegenwärtig.
"Little Tibet" in Neu-Delhi: Der Dalai Lama ist in den Schaufenstern von Majnuka-Tilla allgegenwärtig.© Sandra Petersmann / ARD
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