FIS-Chef Kasper über Olympias Zukunft

Hohe Berge, heile Welt

Gian Franco Kasper, Präsident des Internationalen Skiverbandes (FIS), aufgenommen am 26.2.2017 bei den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften 2017 im finnischen Lahti
Gian Franco Kasper, Präsident des Internationalen Skiverbandes (FIS) © picture alliance / dpa / Jussi Nukari / Lehtikuva
Gian Franco Kasper im Gespräch mit Jörg Degenhardt · 04.02.2018
Kurz vor den Winterspielen in Südkorea gibt sich Gian Franco Kasper optimistisch: Der Chef des Internationalen Ski-Verbandes FIS hofft trotz ungünstiger Wettkampfzeiten auf viele Zuschauer. Bei Olympia im Jahr 1972 in Japan habe es schließlich auch neue Einschaltrekorde gegeben.
Eine Woche noch bis zu den Olympischen Winterspielen in Südkorea. Langsam steigt die Vorfreude bei den bisher wenig wintersportbegeisterten Südkoreanern. Denn die Spiele bringen Hoffnung in eine Region des Landes, die als abgehängt von der schnellen Hightech-Metropole Seoul gilt.
Überschattet wird die Vorfreude allerdings weiter vom Doping. Während das IOC mögliche Einladungen an weitere 13 russische Sportler prüft, gibt es neue Hinweise, dass im Skilanglauf flächendeckend gedopt wurde. Gian Franco Kasper, seit 20 Jahren Präsident des Internationalen Ski-Verbands (FIS) hat mittlerweile resigniert.
Im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur sagte der 73-Jährige, der Kampf gegen Doper sei nicht zu gewinnen, genauso wenig wie man verhindern könne, dass gewisse Autofahrer zu schnell fahren, obwohl es nicht erlaubt sei. Also ist – angesichts des Klimawandels, immer neuer Skandale und des sinkenden Interesses – die beste Zeit des Wintersports vorbei?

"Es gibt ein Rauf und Runter"

Gian Franco Kasper: Ich hoffe nicht. Ganz ehrlich gesagt, natürlich gegen die klimatischen Verhältnisse können wir selber nichts unternehmen. Aber es ist ein Auf und Ab. Wenn ich diesen Winter anschaue, mit Schneemassen in jeder Menge. Bei uns in der Schweiz gibt´s noch viele Orte, die immer noch abgeschlossen sind wegen zu viel Schnee, also keine Verbindung zur Zivilisation haben, wenn Sie wollen.
Es gibt ein Rauf und Runter, aber dass der Skisport abgeschlossen ist, glaube ich nicht. Aber wenn es wirklich der Fall sein sollte, das wir in 50 oder 100 Jahren keinen Schnee mehr haben, in die Halle werden wir nicht ausweichen, das glaube ich kaum. Denn unser Sport hängt immer noch den Bergen, mit blauem Himmel und Schnee usw. zusammen.
Natürlich wurde viel gemacht in den letzten Jahren mit Kunstschnee. Das hilft sicher für gewisse Orte, etwas zu überbrücken und den Tourismus, den Skitourismus aufrecht zu erhalten. Aber Schwarzmalerei würde ich nicht machen.
Jörg Degenhardt: Gleichwohl, Abfahrt oder Slalom zieht nicht mehr so bei den ganz jungen Leuten. Muss man nicht auch neue Reize setzen? Muss man nicht auch überlegen, wie man das Ganze vielleicht attraktiver macht, mit Freestyleski oder Snowboard? Eigentlich ja Disziplinen, die uralt sind, die aber gerade bei jungen Leuten eine hohe Anziehungskraft haben.

Weltweit steigende Zuschauerzahl

Kasper: Das stimmt nur bis zu einem gewissen Grad. Erstens: Die Anzahl Zuschauer, die wir haben, weltweit, steigt stetig an. Hängt natürlich auch damit zusammen, dass jetzt die asiatischen Länder, vor allem China, auch mit dabei sind. Ich glaube aber nicht, dass generell die Jugend das Interesse verloren hat. Natürlich sind die modernen Spielarten, wie Snowboard, Freestyle usw., die sind bei den Jungen bis zu einem gewissen Grad beliebt.
Aber ganz generell hat die Jugend, nicht nur im Skisport, sondern in allen Sportarten, das Interesse nicht verloren, aber reduziert. Sie haben heutzutage sehr wenige junge Leute, die noch Sportveranstaltungen während zwei Stunden am Fernsehen anschauen. Man zappt irgendwo rein und wieder raus und will immer nur neue Abenteuersportarten. Das gehört mit dazu, das war schon immer der Fall.
Aber ich würde sagen, wenn ich jetzt ganz generell die Quoten, die Einschaltquoten usw. anschaue: Die traditionellen Wettkämpfe wie Abfahrt oder Slalom sind immer noch bei weitem viel, viel beliebter als Snowboard und Freestyle. Das sind Modesportarten, die kommen und gehen. Aber das Meiste am Publikum bleibt immer noch beim Traditionellen. Im Vergleich mit Fußball, da wurde seit 100 Jahren nichts mehr an den Regeln geändert und ist nach wie vor mehr oder weniger populär beim Volk.
Degenhardt: Fußball, das ist ein gutes Stichwort in diesem Zusammenhang. Wer uns möglicherweise in Gelsenkirchen hört, der könnte Ihnen recht geben von wegen, warum Schwarzmalen. In der Arena auf Schalke, also in einem Fußballstadion, findet immer am Ende des Jahres ein Biathlonwettbewerb auf Kunstschnee statt. Und vor 45.000 Zuschauern. Ich glaube, der Wettbewerb für das Jahr jetzt, 2018, Ende Dezember, ist schon fast wieder ausverkauft. Könnte das ein Fingerzeig sein, wohin es in Zukunft gehen sollte?

"Wir gehen in die Städte hinein, ins Stadion"

Kasper: Das ist sicher mit ein Fingerzeig, nicht dass das ganz generell so werden soll. Wir haben auch unsere sogenannten Cityevents. Also wir gehen in die Städte hinein, ins Stadion. Übrigens, wir waren auch schon im Olympiapark in München, wie Sie vielleicht erinnern, mit einem Parallelslalom. Ich glaube persönlich, dass man drei bis vier Mal im Winter hin zum Publikum, also in die Städte hineingehen soll, aber der Hauptteil unseres Sports findet immer noch draußen in den Bergen statt. Aber das sieht das Publikum natürlich anders. Es ist eine ausgezeichnete PR-Veranstaltung, wenn man in die Städte hineingeht.
Degenhardt: Ich komme auf meine Ausgangsthese zurück, die ich ja mit einem Fragezeichen versehen hatte. Die Spiele in Pyeongchang in Südkorea, wer wird da hinschauen? Was glauben Sie, könnten die Spiele zu einer Art Wiederbelebung des Interesses vorwiegend auch bei jungen Leuten führen für den Wintersport? Vielleicht zu einer Renaissance? Oder machen Sie sich eher Sorgen, dass man die Spiele in Südkorea vielleicht gar nicht so mitbekommt, weil sie auch relativ weit im asiatischen Raum stattfinden.
Olympische Spiele Pyeongchang 2018 - Helfer üben das Hissen der südkoreanischen (l) und olympischen Fahne im Olympischen Dorf.
Pyeongchang 2018 - Eröffnung Olympisches Dorf© YNA/dpa

"Die Wettkampfzeiten sind nicht gerade ideal"

Kasper: Ich bin positiv natürlich und optimistisch. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich ganz klar sehen, vor allem, was Deutschland anbetrifft, die Übertragungszeiten, also die Wettkampfzeiten, sind nicht gerade ideal, morgens um vier Uhr oder um fünf Uhr wird der normale Fernsehzuschauer nicht unbedingt aufstehen, um sich ein Skirennen anzuschauen. Wir sind ein Weltsport. Und das ist nun der Fall, wenn wir in einem asiatischen Land sind, haben wir diese Schwierigkeiten.
Ich erinnere, weit, weit zurück, an Sapporo, 1972, da waren die Übertragungen auch um vier Uhr morgens, und trotzdem hatten wir neue Einschaltrekorde. Gut, das hängt dann von nationalen Champions ab. Sobald Deutschland einen großartigen Sportler hat, von dem man einiges erwartet, werden wir auch Zuschauer haben. Aber es ist natürlich sicher ein Nachteil für unsere mitteleuropäischen Länder, dass wir in Asien sind. Ich hoffe aber, in Asien wird das Gegenteil der Fall sein, nicht nur jetzt, sondern auch in vier Jahren dann mit Peking als Wintersport Olympiade. Das zieht natürlich ein ganz anderes Publikum wieder an und zahlenmäßig ist es sicher positiv.
Degenhardt: Es geht ja noch weiter. Wir haben dann die Olympischen Sommerspiele in Tokio und dann möglicherweise, 2026, wieder Winterspiele in Sapporo. Ich glaube, die letzten Spiele, die in Europa stattfanden, Winterspiele, 2006, wenn ich mich recht erinnere, in Turin. Besorgt Sie diese Entwicklung, dass immer mehr Winterspiele im asiatischen Raum stattfinden? Oder ist das auch eine Chance, einen neuen Markt zu erschließen? China will wohl 300 Millionen Chinesen für den Wintersport begeistern.
Kasper: Es ist sicher eine Möglichkeit, in einen großen Markt hineinzugehen. Es ist auch mit ein Grund, warum wir die Vergabe in diese Länder unterstützt haben, aber irgendwann ist natürlich genug. Die Entwicklung für den Sport im asiatischen Raum oder auch in anderen Gegenden ist sicher wichtig. Aber irgendwann müssen wir wieder in unsere Kernländer zurückkommen. Das wird höchstwahrscheinlich 2026 der Fall sein.
Aber wir müssen zurück in unsere Kernländer, das versteht sich von selbst. Aber eine gewisse Mischung zwischen Kernländern und dann wieder mal hinaus in ein "Entwicklungsland", das kann sicher nicht schlecht sein.
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