First Lady des Dritten Reichs

19.09.2008
Da Hitler seine Geliebte Eva Braun vor der Öffentlichkeit versteckte, galt die Frau von Hermann Göring, des zweiten Mannes im Nazi-Staat, offiziell als die First Lady des Reiches, Emmy Göring-Sonnemann. 1948 wurde sie von einem alliierten Gericht als aktive Nationalsozialistin verurteilt. Buch- und Hörspielautor Werner Fritsch hat Emmy Göring in einem Hörbuch wieder zum Leben erweckt.
"… ich bin eine Süße, nicht in der Regel nur, nein ich bin die Süße pur, ausnahmslos süß, ausnahmslos süß, ausnahmslos süß. Mit der Muttermilch schon bin ich süchtig geworden, mit dem Samen des Vaters bereits. Mein Vater war Schokoladenfabrikant, Milchschokoladenkönig."

Tatsächlich, sie war die Tochter eines Schokoladenfabrikanten, - ihre Stimme für dieses Hörspiel kongenial besetzt durch die Schauspielerin Irm Hermann, der "Zicke vom Dienst" des Regisseurs Rainer-Werner Fassbinder. Akustische Grenzerfahrungen erwarten den Hörer.
Am 10. April 1935 heiratete Emmy Sonnemann die rechte Hand Hitlers, Hermann Göring.

"Mir ist, als hätte mir der Führer später beim Polkatanzen zugeflüstert: Führen Sie nur, liebe Emmy, führen Sie mich einmal im Leben, dies ist das Hochzeitsgeschenk ihres Führers. Ich kannte ihn von Weimar, wo ich als erste Sentimentale am dortigen Theater gespielt …"

Das war vor der Zeit Emmy Göring-Sonnemanns als First Lady des Reiches, "als sie noch", wie die Opernsängerin Helene von Weinmann kommentierte, "für 2.50 Mark und eine Tasse Kaffeezu haben war". Nach der Hochzeit lebten Emmy Göring und ihr Hermann in einer Art Fantasy-Kulisse in dem fürstlichen Jagdschloss Carinhall bei Berlin, oft besucht vom zweitwichtigsten Mann in Emmys leben, dem Herrn aller deutschen Theater, Gustav Gründgens.

"Ihr wart ja immer, wenn ihr Drogen genascht habt, wie so zwei kleine süße Büblein, spieltet mit Hermanns Modelleisenbahn in Carinhall, Stunden."

Wer sich nicht sehr gut auskennt in der Biografie Hermann Görings, wird Szenen wie die letzte für skurrile fantasie halten. Tatsächlich aber besaß Hermann Göring die größte Spielzeugeisenbahn der Welt in seinem Schloss. Und auch Drogen gehörten zu seinem Alltag. Einige klärende Hinweise im Begleittext des Hörbuchs wären dienlich gewiesen. Nichts ist erschreckender als die Realität.

"Hermann konnte unter Kokain oft stundenlang nicht zu lachen aufhören, nachdem er vor dem Schlafengehen seine Kollektion Rubinringe gemustert hatte, hörte ich ihn noch ewig lange Lachsalven ins Kopfkissen glucksen, haha, Hermann hat auch immer Witze gesammelt."

Die erspart das Hörbuch dem Hörer nicht. Autor Werner Fritsch ging es darum, Zitat, "vor allem den Tonfall, den Grad der Verblendung und Verblödung zu studieren." Das ist ihm gelungen. Und dazu gibt's natürlich Kunst.

"Sie werden fest gemauert in der Erde, wofür werde ich zahlen, und zwar 0190/1062669, was zum Teufel soll diese Scheiße, das ist keine Scheiße, ist keine Scheiße, ist keine Scheiße."

Können sich die Jurys dreier großer Hörspielpreise irren? Wohl kaum. "Enigma Emmy Göring" ist ein Angst einflößendes Stück künstlerischer Avantgarde. Es gibt kein Enigma, also kein Rätsel Emmy Göring, sondern nur eine ganz gewöhnliche Mischung aus Luxus, Sex, Drogen, Dummheit und Frechheit. Eine Kommentierung des in dem Hörspiel verwendeten Faktenmaterials hätte gut getan. So scheint das Ganze doch etwas für Insider zu bleiben. Warum dann trotzdem das öffentliche Echo? Das Hörspiel endet mit einem Statement Emmy Görings zur Medienwelt nach 1945.

"Und je mehr Sender ihr Sermonsammelsurium den Leuten um die Ohren schlagen und unsere Zeit somit zum Zerstreuungslager machen, um so mehr wird sich jeder Sender mit jedem Sender im Wettstreit darum befinden, wer die höchste Einschaltquote hat, wer aber hatte die höchste Einschaltquote aller Zeiten in Deutschland? Adolf Hitler, haha, Musik, klick."

Rezensiert von Lutz Bunk

Werner Fritsch: Enigma Emmy Göring
Gesprochen von Irm Hermann
Der Hörverlag, München 2008
1 CD, 14.95 Euro. Gesprochen von Irm Hermann