Finten, Volten und Intrigen

Politthriller und Wirtschaftskrimi in einem ist der fünfte Teil des achtbändigen Werks der schottischen Autorin Dorothy Dunnett über die wechselvollen Geschicke des Bankhauses Niccolò. In dem nun auf Deutsch übersetzten Roman spinnt die frisch angetraute Gemahlin des Bankiers van der Poele eine Intrige nach der anderen.
Politthriller und Wirtschaftskrimi in einem ist der fünfte Teil des achtbändigen Werks der schottischen Autorin Dorothy Dunnett über die wechselvollen Geschicke des Bankhauses Nic-colò. In dem nun auf Deutsch übersetzten Roman spinnt die frisch angetraute Gemahlin des Bankiers van der Poele eine In-trige nach der anderen.

Die Figuren sind aufgebaut, die Bauern ausgerückt, Springer und Läufer haben mit dem Plänkeln begonnen. Jetzt, in "Ein-hornjagd", dem fünften Teil des fulminanten, insgesamt acht Bände umfassenden historischen Romans, in dem die schottische Schriftstellerin Dorothy Dunnett die wechselvollen Geschicke des burgundisch-venezianischen Bankhauses Niccolò schildert, erfolgt der erste Zug der weißen Dame.

Ausgerechnet Gelis van Borselen, die frisch angetraute Gemah-lin des vom Tunichtgut zum vermögenden Bankier und Kaufmann aufgestiegenen flämischen Färberlehrlings Nicholas van der Poele, wird zu seiner ärgsten Feindin, einer Gegenspielerin, die sich ihm in allen Schlichen und Ränken ebenbürtig wähnt.

Aus Hass, weil sie ihm die Schuld am Tod ihrer Schwester gibt? Aus Eifersucht, weil er der Liebhaber dieser Schwester war? Jedenfalls weiß sie, wie sie ihn treffen kann.

Während er in Schottland weilt, um dort Geschäfte zu treiben, die Hochzeit des Stuart-Königs auszurichten und nebenbei sei-nem Erzfeind und mutmaßlichen Vater, dem ebenso eitlen wie ge-ckenhaften Simon de St. Pol von Kilmirren, Schaden zuzufügen, bringt sie in aller Heimlichkeit ein Kind zur Welt - vorgeb-lich ein Spross des nämlichen schottischen Gockels.

Und sie verbirgt den Säugling, als der Gemahl zurückkehrt. An-geblich aus Angst, er könnte ihm etwas antun. Zugleich aber versucht sie, ihn offenkundig ins Verderben zu locken, sowohl geschäftlich als auch persönlich.

Doch das sind nur die Grundstränge des raffinierten Geflechts aus Finten, Volten und Intrigen, das Lady Dunnett in diesem, den vorigen und allen weiteren Bänden um das Haus Niccolò ge-sponnen hat (Die Autorin ist 2001 gestorben, ein Jahr nach der Veröffentlichung des achten und letzten Bandes.)

Ab diesem fünften Teil wird der Schelmenroman zu einem Schach-spiel in Sachen Liebesbeziehung und geschäftlichem Geschick, eingebunden in die Geschehnisse in Europa, die ein Bankhaus zu Zeiten der Hochrenaissance zu berücksichtigen hat: die Rosen-kriege in England, die Zwistigkeiten zwischen Frankreich und Burgund, Venedigs Kampf gegen das Osmanische Reich.

Denn trotz allem wollen Geschäfte getätigt werden in dieser erstmals globalisierten Welt, die Dorothy Dunnett in aller Pracht vor uns erstehen lässt: sei es im heimischen Brügge, in den Tiroler Alpen, den Basaren von Alexandria, beim Nilfest in Kairo, als die Flutwelle eintrifft, deren Schlamm Ägypten be-fruchtet, oder am Martedi Grasso, dem Faschingsdienstag 1471 in Venedig.

Mit elegantem Stil, erzählerischer Meisterschaft, penibler Re-cherche und einer an der Malerei geschulten Kunst der Be-schreibung lässt die schottische Autorin, der für ihre litera-rischen Verdienste von Queen Elizabeth der "Order of the Bri-tish Empire" verliehen wurde, ein herausragendes Historienge-mälde erstehen, das Politthriller und Wirtschaftskrimi in ei-nem ist und zugleich Einblick in eine Ära vermittelt, in der die Neuzeit entstand.

Rezensiert von Georg Schmidt

Dorothy Dunnett "Einhornjagd"
Aus dem Englischen von Britta Mümmler und Mechthild Sandberg-Ciletti
Klett-Cotta, Stuttgart 2008
892 Seiten, 24,90 Euro