Finnlands Grenze zu Russland

Eiserner Vorhang reloaded

22:54 Minuten
Ein gelbes Schild weist in mehreren Sprachen auf den Grenzbereich zwischen Finnland und Russland hin. Es steht entlang eines verschneiten Weges am Waldrand. Im Hintergrund ist ein Haus zu sehen.
Entlang der Grenze zwischen Finnland und Russland soll ab 2023 eine neue drei Meter hohe Barriere errichtet werden. Noch ist davon in Imatra nichts zu sehen. © Deutschlandradio / Michael Frantzen
Von Michael Frantzen · 15.12.2022
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Im nächsten Jahr will Finnland entlang der 1340 Kilometer langen Grenze zu Russland "robuste Zäune mit echter Barrierewirkung" errichten. Der reguläre Grenzverkehr ist schon zum Erliegen gekommen. Die Verbindungen werden gekappt, was einige bedauern.
Der neue „Eiserne Vorhang“, noch ist er einen Spalt weit geöffnet. Kapitän Jussi Pekkola, Leiter der finnischen Grenzstation Vaalimaa an der Grenze zu Russland, zuckt mit den Schultern. Nicht viel los an Passkontrolle für russische Einreisende am Freitagmittag. Lediglich eine Familie mit Kleinkind wartet geduldig im Neonlicht darauf, dass Jussis Kollege im Wärterhäuschen ihnen ihre Pässe mit dem Doppeladler zurückgibt.
Kaum noch Grenzverkehr, das ist die „neue Normalität“ in Vaalimaa. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar, dem Entschluss der finnischen Regierung Ende September, keine Touristenvisa mehr für russischen Reisende auszustellen. Die Zeiten, als sie am 190 Kilometer östlich der Hauptstadt Helsinki gelegenen Übergang noch 5000 Grenzübertritte am Tag zählten, sind Geschichte.
"Wir haben trotzdem noch genauso viele Angestellte hier, etwa 100. Unser Arbeitspensum ist gleich geblieben. Wir kontrollieren jetzt zwar weniger Leute, dafür aber gründlicher. Das liegt an den EU-Sanktionen und Einschränkungen, die für russische Reisende gelten. Wir nehmen uns viel mehr Zeit für jeden einzelnen. Wir prüfen genau, was der Grund für die Einreise ist. Ist es geschäftlich oder nur touristischer Natur? Einige Leute aus Russland versuchen ja immer noch, mit einem Touristenvisum in den Schengen-Raum zu kommen. Wir müssen prüfen, ob sie wirklich noch einreisen dürfen."

140 Millionen Euro für neue Barrieren auf

Es ist sind frostige Zeiten, nicht nur draußen, wo sich der Schnee türmt, sondern auch im Verhältnis zwischen zwei Nachbarn, die eine 1340 Kilometer lange Grenze trennt oder verbindet, je nachdem, wie man das sieht. Jussi will sich da nicht festlegen.
Jussi Pekkola trägt eine schwarze Sicherheitsuniform und steht in dem Grenzhaus vor dem Sicherheitkontrollen-Bereich.
Jussi Pekkola ist der Leiter der finnischen Grenzstation in Vaalimaa.© Deutschlandradio / Michael Frantzen
Viel lieber redet der bullige Typ mit Bürstenhaarschnitt auf dem Weg in sein verrauchtes Büro darüber, dass es an der Grenze seit Kriegsausbruch keine Vorfälle gegeben habe und er sich weiter ein Mal im Monat mit den russischen Grenzschützern trifft, zur „Lagebesprechung“. Zuletzt ist wieder ein finnischer Jagdhund bei der Elchjagd vor lauter Jagdfieber nach Russland entwischt. Die Russen haben ihn zwei Tage später nach Vaalimaa zurückgebracht. Das dürfte bald nicht mehr passieren.
Finnland rüstet auf. Will nächstes Jahr an der Grenze die Holzzäune durch einen „robusten Zaun mit echter Barrierewirkung“ ersetzen, wie es offiziell heißt. Hauptsächlich entlang der Übergänge. Das bedeute für Grenzschützer Jussi erst mal mehr Arbeit: "Der Baubereich muss ja gesichert und überwacht werden. Aber wenn der Grenzzaun erst einmal da ist, erleichtert er unsere Arbeit. Er bietet zusätzliche Sicherheit. Wir kommen dann auch einfacher in den Grenzbereich. Parallel zum Zaun ist ja eine Straße geplant. Das Gelände hier ist unwegsam. Viele Felsen, dichter Wald, da kommst du nur schwer hin. Auf der Straße können wir uns leichter und schneller bewegen."
Mehr Details erzählt Heikki Ojala in der Grenzschutzzentrale in Helsinki: Drei Meter hoch soll die neue Barriere werden, versehen mit Stacheldraht und Sicherheitskameras. Erst einmal auf einer Länge von 130 Kilometern. Kostenpunkt: laut Innenministerium rund 140 Millionen Euro. Baubeginn ist nächstes Jahr.

Gegen "hybride Gefahr" und Geflüchtete

"Hauptzweck des Zauns ist es, die Kontrolle und Sicherheit an der Grenze zu stärken. Dieser Zaun gibt dem Grenzschutz mehr Zeit, auf Vorfälle schneller und effektiver reagieren zu können. Die Bedrohungen sind heute anders als noch vor 20 Jahren. Wir haben es heute viel mehr mit hybriden Gefahren zu tun. Mit dem Zaun reagieren wir darauf. Aber er ist nur ein Element. Ein wichtiges zwar, aber wir brauchen auch weiterhin vor Ort Personal und Überwachungssysteme."
Vom wem diese „hybride Gefahr“ ausgeht? Heikki stockt. Das könne man sich ja denken. Von Russland. In Finnland steht der große Nachbar aus dem Osten wie ein weißer Elefant im Raum. Ein umtriebiger Elefant. Der Heikki und Co. schon vor dem Ukrainekrieg auf Trab gehalten hat. Im Winter 2015/16 tauchten hoch im Norden auf der russischen Seite der Grenze hunderte Geflüchtete auf, die versuchten, ohne gültige Papiere nach Finnland zu gelangen. Wie sie dort hinkamen? Vermutlich weiß das niemand besser als der russische Präsident Putin. Das soll nicht noch einmal passieren, deshalb auch der neue Grenzzaun.

Zusammenarbeit mit russischen Unis gestoppt

Zurück zur Grenzstation Vaalimaa. 16 Uhr, Feierabend. Grenzkommandant Jussi Pekkola stapft durch den Schnee zu seinem Auto. Auf ihn wartet eine einstündige Fahrt nach Lappeenranta, der größten Stadt Südkareliens. Dabei erzählt er über die harten Zeiten, "nicht nur wegen des Kriegs, sondern auch wegen Corona".
Vielen Leuten hier fehlt die russische Kundschaft. In den letzten zweieinhalb Jahren galten in Finnland strikte Einreisebeschränkungen wegen der Pandemie. Der Grenzverkehr kam fast zum Erliegen. Die „Zsar-Mall“ und die anderen Märkte haben so gut wie kein Geschäft gemacht. Einige mussten schon schließen. Während der Pandemie haben alle noch gehofft: Wenn Corona vorbei ist, geht es schon wieder aufwärts. Doch keiner weiß, wie lange der Krieg in der Ukraine dauert. Ob sich der Grenzverkehr jemals wieder normalisiert. Also die Lage ist wirklich hart für viele dieser Geschäfte.
In Lappeenranta wohnt auch Maija Kuiri. Die 70.000-Einwohner-Stadt ist in Finnland bekannt als Ausgangspunkt für Bootsfahrten auf dem Saimaa, Europas viertgrößten See. Und als Universitätsstadt. Maija ist bei der Technischen Universität als Leiterin für internationale Studienbeziehungen die Ansprechpartnerin für die 130 russischen Studierenden an ihrer Uni. Und für über 20 russische Partneruniversitäten in Sankt Petersburg und anderswo.
"Jegliche institutionelle Zusammenarbeit ist auf Eis gelegt. Wir halten uns an die Vorgaben aus Helsinki. Wir entscheiden das nicht selbst. Egal ob Projekte oder Austauschprogramme mit unseren russischen Partnern, das liegt seit Februar auf Eis."
Wie sie das selbst findet? Maija verzieht das Gesicht. Dazu möchte sie nichts sagen. Anweisung von oben. Nur so viel: Die russischen Studierenden könnten weiter an der Uni studieren, ihren Abschluss machen. Und der Grenzzaun? Auch kein Kommentar.
Andere sind da gesprächiger: Ein Student auf dem Campus sagt, er vertraue der Regierung und dem Grenzschutz, ein anderer hält den Grenzzaun für nicht notwendig: "Ich finde ihn überflüssig. Unsere Grenze ist jetzt schon gut geschützt. Das kostet nur unnötig Geld. Wir können uns auch ohne den Zaun gegen Russland schützen."

Stimmungswandel zur NATO-Mitgliedschaft

An der Uni in Lappeenranta arbeitet auch Anna Keskisaari. Die Spezialistin für Kreislaufwirtschaft wohnt etwa eine halbe Stunde entfernt in Imatra, in einem der energieeffizientesten Häuser Finnlands. Sie wedelt mit zwei dicken Broschüren: Informationsmaterial über ihre 82 Solarpanels, den 700-Liter-Wassertank und die Wärmepumpe.
Das Holzhaus steht keine vier Kilometer entfernt von der russischen Grenze. Je nachdem wie der Wind wehe, treibe manchmal eine Abgaswolke von der nahegelegenen russischen Papierfabrik vorbei.
"Ich habe keine Angst. Die Grenze gibt es ja schon so lange. Ich bin da eigentlich nie. Ich wüsste auch nicht warum. So viel ich weiß, stehen direkt an der Grenze nur noch ganz wenige Häuser. Also nein, ich mache mir keine Sorgen, wegen der Grenznähe, den Russen. Es beeinflusst mein Leben wirklich nicht."
Keskisaari ist auch Lokalpolitikerin für die Grünen. Natürlich ist der Ukrainekrieg auch Thema im Stadtrat, wie auch nicht, meint die Frau im blauen Kleid mit Pfauenmuster lakonisch, während sie sich ein Stückchen Kuchen nimmt. Größenteils herrscht Konsens: Ja zu den EU-Sanktionen gegen Russland. Ja zum geplanten Grenzzaun. Ja zum Antrag auf NATO-Mitgliedschaft, allerdings schweren Herzens. Vor fünf Jahren hätte sie noch gesagt: Lasst uns nicht an unserer Neutralität rütteln. Wie die meisten im Land. Doch die Zeiten haben sich geändert. Laut einer aktuellen Umfrage sind 85 Prozent aller Finninnen und Finnen besorgt über den östlichen Nachbarn, will die überwältigende Mehrheit inzwischen in die NATO.
"Wir sind ein ziemlich kleines Land. Wenn bei uns das gleiche passierte wie in der Ukraine, weiß ich nicht, wie wir das alleine überstehen sollten. Wir hätten keine Chance. Als NATO-Mitglied würden uns die anderen NATO-Partner zu Hilfe kommen. Deshalb: Ja, ich bin für den NATO-Beitritt, möglichst schnell. Wir wären so besser geschützt."

Sowjetische Bomben auf Finnland

Finnland und Russland, das war immer schon ein besonderes Verhältnis, ein kompliziertes. Im 19. Jahrhundert gehörte das nordische Land als Großherzogtum zum Zarenreich, verbrachten Adlige aus Sankt Petersburg ihre Sommerfrische gerne in Imatra, um sich am berühmten Wasserfall abzukühlen. Den Sommerfrischlern folgten im Zweiten Weltkrieg sowjetische Bomben und Rotarmisten.
Hundertausende Finnen mussten aus Karelien fliehen. Die, die Glück hatten, konnten 1944 nach der Kapitulation Finnlands zurück. Wer Pech hatte, sah seine Heimat nie wieder. Ost-Karelien fiel an die Sowjetunion, ist heute russisch. Auch Annas Familie war von der Vertreibung betroffen:
"Hier auf der Rückseite des Schaukelstuhls steht in weißer Kreide der Name von meiner Großmutter mütterlicherseits: Elma Perrikula. Sie stammte aus der Gegend Ylamaa. Ihr Dorf hieß Lajnajärvi. Sie musste im Zweiten Weltkrieg vor der Roten Armee fliehen, der Schaukelstuhl war einer der wenigen Gegenstände, die sie mitnehmen konnte. Nach dem Krieg konnte sie Gott sei Dank in ihr Dorf zurück. Der Stuhl muss meiner Großmutter viel bedeutet haben. Ich habe mich häufiger gefragt, warum hat sie ausgerechnet diesen Stuhl auf ihrer Flucht mitgenommen? Ich halte ihn in Ehren. Du kannst solch ein Erinnerungsstück nicht einfach wegwerfen."
Anna Keskisaari trägt ein blaues Kleid und steht neben dem braunen Schaukelstuhl in ihrer Wohnung.
Die Großmutter von Anna Keskisaari rettete diesen Schaukelstuhl im Zweiten Weltkrieg vor der Roten Armee. Heute hält ihn die Enkelin in ihrem Haus in Imatra - nahe der Grenze zu Russland - in Ehren. © Deutschlandradio / Michael Frantzen
Anna steht auf. Es wird Zeit. Sie muss zurück an den Schreibtisch. Sich in den Uniserver einloggen. Erst vor kurzem hat die Uni die Sicherheitsvorschriften verschärft. Aus gutem Grund: Dieses Jahr hat das finnische Zentrum für Cybersicherheit bis Ende November schon elf größere Cyberangriffe registriert. Auf Universitäten, Energieunternehmen.
"Es sind gerade Krisenzeiten. Allein die Energiekrise. Wir beten alle, dass der Winter nicht so kalt wird, es keine Stromausfälle gibt. Mein Mann Antti und ich haben zwar keinen Notfallplan, aber genug Brennholz zu Hause. Genug zu Trinken. Batterien. Lampen. Wir werden schon überleben. Antti bastelt gerade an einem autarken Energiesystem für unser Haus. Aber wir sind auch so ziemlich gut aufgestellt. Strom brauchen wir nur, damit unsere Heizpumpe das Wasser in unserer Fußbodenheizung erwärmen kann. Antti tüftelt an einer Batterie, die uns bei einem Blackout mit Strom versorgt. Damit könnten wir unser Haus und die Garage warm halten."

Kulturbranche klagt über hohe Energiekosten

Eine Notstrombatterie, für den Fall der Fälle, das wäre eigentlich auch keine schlechte Idee für Juha Leskinen, den technischen Leiter des Kulturzentrums „Virka“ in Imatra.
Die Lichter in der „Karelien-Halle“, dem 500 Sitze zählenden Konzertsaal, werden nur für Konzerte angemacht. In den letzten zwei Jahren blieb es oft dunkel wegen Corona. Vor der Pandemie kamen sie im Virka auf 120 Konzerte im Jahr, 250.000 Besucherinnen und Besucher. Davon konnten sie 2020 und 2021 nur träumen. Dieses Jahr war eigentlich wieder ganz OK, meint der zurückhaltende Finne. Im Oktober und November hatten sie sogar einige ausverkaufte Konzerte. Und 2023? Schwierig.
"Es könnte ein schwieriges Jahr werden. Wegen der Energiegeschichte. Ich würde mich nicht wundern, wenn Finnland 2023 in eine große Krise schlittert. Für unser Kulturzentrum sehe ich auch schwarz. Einige Bands, die nächstes Jahr bei uns auftreten wollten, haben schon abgesagt, wegen der hohen Benzinpreise. Eine Finnlandtour würde sich nicht rentieren, sagen sie. Andere wollen die Ticketpreise erhöhen. Aber ich weiß nicht, ob unser Publikum da mitspielt. Viele denken sich, meine Energie- und Lebensmittelausgaben sind schon so hoch, da kann ich mir kein Konzert mehr leisten, erst recht kein teures. Ich fürchte, wir werden einen Schneeballeffekt erleben."

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Einmal quer durch den Backstage-Bereich zur Garderobe - bis vor kurzem war das auch der Weg, den russische Künstlerinnen und Künstler im Virka gingen, hauptsächlich Rock- und Folklorebands, die auch die Kasse klingeln ließen. Doch das ist vorbei.
Kein Kontakt mehr nach drüben, das gilt auch im Virka. Juha findet das verständlich, sagt aber andererseits, dass die Stadt in den nächsten Jahren sparen muss. Und auch wenn noch so viele einheimische Gäste nach Imatra kommen, so viel ausgeben wie die russischen Urlauber und Tagestouristinnen werden sie nicht. Aber wird schon.
"Ich denke, wir sind darüber nicht wirklich besorgt. Die Grenze nach Russland war ja schon während der Lockdowns die meiste Zeit zu. Im Nachhinein kommt es mir vor, als ob es eine Übung für den Ernstfall war. Wir konnten uns so schon daran gewöhnen, dass keine Russen mehr da sind."

Finnisch-Russische Schule hat Zulauf

Keine Russen mehr in Imatra, so ganz stimmt das nicht. Zumindest nicht an der „Finnisch-Russischen-Schule“. Im Flachbau in Bahnhofsnähe wird Russisch gesprochen. Russisch und Englisch. Martin ist 13 und stellt sich auf Russisch vor.
Seine Mutter ist vor 15 Jahren aus Russland nach Imatra gekommen, deshalb spricht er fließend Russisch. Und Schwedisch mit dem Vater. Plus Finnisch mit seinen Geschwistern, meint der Teenager grinsend. Vor ein paar Wochen war die ganze Sippe in Sankt Petersburg, den Großvater besuchen. Mit dem Auto dauert es keine zwei Stunden. War ganz nett. Sie hätten über Eishockey geredet, die Schule. Über das, was Wladimir Putin da gerade anstellt, Martin schaut entgeistert: Nein, darüber hätten sie nicht geredet.
"Nein, nein, über den Krieg reden wir zuhause nicht. Natürlich ist das schlimm, aber was soll ich schon tun. Du kannst nichts machen."
Stell dir vor es ist Krieg – und das Leben geht einfach so weiter. Anfangs dachte sich das auch Rektor Antti Mattila. Doch inzwischen ist er eines Besseren belehrt worden, auch wenn er das nur ungern an die große Glocke hängt.
"Diesen Herbst haben wir eine Menge neuer Schüler aus Russland bekommen. Ungefähr 20. Das ist nicht ganz einfach. Sie können kein Finnisch und kaum Englisch. Ihre Eltern sind nach Finnland gekommen, weil sie nicht mit Putins Krieg einverstanden sind. Also ich vermute das. Glücklicherweise haben wir genügend Russischlehrer an unserer Schule, die kümmern sich um die Neuen. Aber wir müssen sicherstellen, dass sie so schnell wie möglich Finnisch lernen. Wir erhalten dafür extra Geld vom Staat. Wegen der russischen Kinder habe ich gerade ziemlich viel am Hals."
Nur ein paar Kilometer von der Schule entfernt, ist der Grenzübergang von Imatra. Dort soll bis spätestens nächsten Sommer ein drei Kilometer langer Test-Grenzzaun entstehen, sozusagen als Blaupause für alle anderen Grenzzäune, Antti hat auch davon gehört. Der 50-jährige Rektor fährt in seinem Büro den Computer herunter. Gleich wird er nach Hause fahren. An den leeren Holzwaggons auf den Bahnschienen entlang, die früher einmal Holz aus Russland transportierten. In besseren Zeiten. Friedlicheren.
"Ich muss zugeben, es ist gerade schwierig für uns. Als Finnisch-Russische Schule können wir nicht einfach so tun, als ob es den Krieg nicht gibt. Ich fände es komisch, wenn wir uns weiter hinstellen und sagen würden: Lernt Russisch! Lernt die russische Kultur kennen! Ich glaube, das würde für böses Blut sorgen. Wir müssen abwarten. Und darauf hoffen, dass Russisch in Finnland auch in Zukunft seine Berechtigung hat. Aber ob es unsere Schule in 20 Jahre noch geben wird: Keine Ahnung."
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