Finnische und mährische Klänge beim RSB

Nationale Emanzipation

Pietari Inkinen
Der Dirigent Pietari Inkinen © RSB Berlin / Nguyen Phuong Thao
08.06.2017
Der Schritt in die nationale Eigenständigkeit vollzog sich in Finnland wie in Mähren zuerst kulturell, bevor er auch politisch realisiert wurde. Das RSB-Programm unter Pietari Inkinen lässt nachvollziehen, welche Aufbruchsenergien dabei frei wurden.
Wobei es durchaus eine Rolle spielt, dass zwischen den Kompositionen von Sibelius, die im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts entstanden, und Janačeks Opernsuite ein reichliches Vierteljahrhundert liegt – denn dadurch gehört die Musik des Finnen in die Phase vor Erringung der politischen Unabhängigkeit, die des mährischen Künstlers aber bereits in die Jahre danach; in beiden Fällen waren es die Umbrüche im Gefolge des 1. Weltkrieges, die die nationale Emanzipation vollendeten.
Demgemäß konnte es der Meister aus Brno – in jüngeren Jahren ein leidenschaftlicher Patriot, Anti-Habsburger und auf den großen russischen Nachbarn orientierter Pan-Slawist – in seiner Oper um das schlaue Füchslein, die anderen Waldbewohner und ihr seltsames, ebenso symbiotisches wie konfrontatives Verhältnis zur Menschenwelt verhältnismäßig gelassen angehen: sein Thema ist hier nicht mehr die äußere, sondern die innere Befreiung des Menschen, die Entdeckung seines humanen Potenzials als Teil des ewigen Kreislaufs der Natur. Unverkennbar national ist Janačeks Musiksprache aber dennoch – schon deswegen, weil ihre Intonationen auch in der Instrumentalfassung dem unverwechselbaren Sprachfall des Tschechischen folgen.
Jean Sibelius‘ Patriotismus hingegen zeigt sich ausgesprochen kämpferisch, erfüllt von hoch gespanntem Pathos und der Beschwörung einer mythischen Vergangenheit. Das gilt nicht nur für den letzten Satz der "Lemminkäinen"-Suite mit der Heimkehr des wiedergeborenen Helden aus dem Totenreich, sondern auch für die urwüchsige, aufbegehrend-zerklüftete 1. Sinfonie des Finnen mit ihren in unendliche Weiten schweifenden Sehnsuchtsmotiven und explosiven Klanggesten.
Live aus dem Konzerthaus Berlin
Jean Sibelius
"Lemminkäinens Heimkehr", Legende Nr. 4 für Orchester op. 22
Leoš Janáček
Suite aus der Oper "Das schlaue Füchslein"
ca. 20.35 Uhr Konzertpause, darin: Ulrike Klobes im Gespräch mit dem Dirigenten Pietari Inkinen
Jean Sibelius
Sinfonie Nr. 1 e-Moll

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Leitung: Pietari Inkinen