Finanzexperte: Zehn Jahre Euro sind kein Grund zum Feiern
Anlässlich der Konferenz der Europäischen Zentralbanken "Zehn Jahre Euro - Lehren und Herausforderungen" in Frankfurt/M. hat der ehemalige Präsident der hessischen Landesbank, Wilhelm Hankel, eine schwierige Zeit für den Euro vorhergesagt. Europäische Länder mit schwachen Ökonomien würden im Zuge der Finanzkrise bald Unterstützung brauchen.
Marcus Pindur: Groß gefeiert wird heute in Frankfurt am Main bei der Europäischen Zentralbank. "Zehn Jahre Euro – Lehren und Herausforderungen" heißt die Konferenz der EZB. Viel Notenbank-Prominenz erscheint da, unter anderem der deutsche Bundesbankpräsident Weber, der amerikanische Federal Reserve Direktor Bernanke und sogar der Vize-Gouverneur der Bank of China Su hat sein Erscheinen angekündigt. Seit 1998 gibt es den Euro als Währungseinheit. 2002 wurde dann das Euro-Bargeld eingeführt. Und die Gemeinschaftswährung ist stabil, etabliert auf den Märkten und somit eine Erfolgsgeschichte, sagen die meisten Wirtschaftswissenschaftler. Aber es gibt auch andere. Wir sprechen jetzt mit Professor Wilhelm Hankel. Er hatte damals mit drei weiteren Kollegen, Professoren für Wirtschaft, gegen die Einführung des Euro geklagt. Guten Morgen, Herr Professor Hankel!
Wilhelm Hankel: Guten Morgen, Herr Pindur!
Pindur: Wie sehen Sie das denn rückblickend? Ist der Euro doch erfolgreicher, als Sie es sich damals vorstellen konnten?
Hankel: Ich sehe keinen Grund zum Feiern.
Pindur: Warum nicht?
Hankel: Die Bürger entdecken, seit sie den Euro haben, die gefühlte Inflation und sie lernen, dass dieses die wahre Inflation ist, die sie in ihrem Alltag trifft, denn die statistisch gemessene Inflation ist eine reine Illusion.
Pindur: Die statistisch gemessene Inflation ist natürlich aber diejenige, die maßgeblich ist und die auch entscheidet, wie viel Geld ich auf dem Konto habe und wie viel ich ausgeben kann.
Hankel: Nun ja, es ist die amtliche Inflationsrate, die aber nicht im Supermarkt zur Kenntnis genommen wird, und das war von Anfang an klar. Wir haben ja in unserer Klage auf die jedermann, auch deutschen Politikern klare Situation hingewiesen: die Einkommen werden in Euro gemessen halbiert, aber die Preise steigen und sie sind seit der Euro-Einführung kräftig gestiegen.
Pindur: Das ist bei den Dingen der Fall, die ich täglich mit Bargeld bezahle. Aber das ist bei vielen anderen Leistungen nicht der Fall.
Hankel: Das ist richtig, aber kaufen Sie jedes Jahr ein neues Auto? Kaufen Sie jedes Jahr einen neuen PC, einen neuen Kühlschrank? Denn nur bei den Hightech-Gütern haben wir eine drastische Preisreduktion. Das stimmt. Aber bei allen Gütern des täglichen Lebens und nicht nur bei Sprit und Heizung sind die Preise seitdem gestiegen und für die meisten unserer Mitbürger die Einkommen leider nicht gestiegen, wenn sie nicht gerade Bankmanager gewesen sind.
Pindur: Hat der Euro aber nicht viele Länder in der Finanzkrise vor Schlimmerem bewahrt, indem er eine starke Währung ist, gegen die eben nicht so leicht auf den Devisenmärkten spekuliert werden kann?
Hankel: Leider stimmt auch das nicht, sondern das Gegenteil ist wahr, und das zeigt ja jeder Vergleich, wie jetzt die Krise in Amerika bekämpft werden kann und wie in Europa. Wenn Sie sich nur die bloßen Zahlen ansehen: In den USA wird der Steuerzahler mit 700 Milliarden Euro belastet, allein in Deutschland mit 500 Milliarden Euro - das ist ziemlich identisch -, obwohl in den USA das Bruttoinlandsprodukt über dreimal größer ist und vor allen Dingen die Finanzindustrie mindestens drei- bis viermal stärker ist und tiefer in der Patsche sitzt. Warum ist das so? – Weil in den USA die Notenbank, das Federal Reserve System, aktiv in die Sanierung eingreift und die Banken wieder herauswuchtet. Da braucht der Steuerzahler nichts zu tun. Nach neueren Zahlen werden alleine in den USA von der Notenbank zwei Billionen Dollar bereitgestellt, damit dass US-System wieder flott wird. Und genau das kann unsere Europäische Zentralbank nicht; ja sie darf es nicht einmal. Infolgedessen muss bei uns die Krise vom Steuerzahler bezahlt werden, und das ist bitter.
Pindur: Aber auch in den USA wird das Geld vom Staat gestellt und somit vom Steuerzahler bezahlt. Wenn man alle Hilfsmaßnahmen im Euro-Raum zusammennimmt, dann kommt noch eine ganze Menge mehr zusammen, als die USA aufwenden.
Hankel: Ja, und das finde ich gar nicht gut, denn sehen Sie: Hätten wir keinen Euro, dann müsste jeder Staat seine Krise, die ihm seine Banken eingebrockt haben, zu Hause mit Bordmitteln auslöffeln. Das wäre gar nicht die schlechteste Therapie. In Europa aber: Wir haben jetzt im Euro 15 Staaten, von denen die meisten ihre Krise haben. Was aber noch schlimmer ist: Wir haben 12 außen vor, die alle Anspruch haben, in den Euro reinzukommen, und das sind unsere europäischen Nachbarn, ausnahmslos schwache Ökonomien, ausnahmslos inflationsgeschädigt und ausnahmslos jetzt krisengeschädigt. Und sie alle wollen jetzt Hilfe von der Euro-Zone. Das heißt, die wahre Belastung des Euro durch diese Krise, die kommt jetzt. Das sehen wir ja auch am Kursbild. Der Euro ist in dieser Krise sehr viel schwächer geworden, der Dollar nicht. Das heißt, das eigentliche Problem mit der Finanzkrise kommt für den Euro überhaupt erst im nächsten Jahr. Deswegen bin ich gar nicht glücklich, dass wir die Gemeinschaftswährung haben, denn die Krise zeigt: Jedes Land muss, kann aber auch seine eigene Krise lösen. Und man kann doch den deutschen Steuerzahler nicht dafür haftbar machen, dass er jetzt auch noch die Krise in Lettland oder in Ungarn oder Rumänien mitbezahlt.
Pindur: In Island war das aber zum Beispiel nicht der Fall. Da musste tatsächlich dann sich der Staat Geld ausleihen, um nicht Pleite zu gehen, und das wäre vielleicht für Länder wie die Niederlande oder Belgien auch ein Problem, angesichts dieser globalen Finanzkrise. Ist man nicht trotzdem mit dem Euro besser bedient?
Hankel: Nein, ich versuche, Ihnen ja gerade das Gegenteil anhand der Zahlen zu zeigen. Heute müssen alle Länder, die schon im Euro sind ¬- also Deutschland, die Niederlande, Frankreich, Italien -, nicht nur ihre eigenen Probleme im Euro lösen, sondern sie haften bereits jetzt für die Newcomer, für die Beitrittskandidaten. Und es ist ja kein Zufall, dass die Finanzkrise gerade die schwachen Ökonomien in Rumänien, auf dem Balkan, in Osteuropa, bei den Balten viel schwerer getroffen hat. Sie alle werden gleich Island demnächst an die Tür der Europäischen Zentralbank klopfen und Hilfe wollen. Das ist auch der Grund, warum der Euro heute schon schwächelt und nicht so gut abschneidet wie der Dollar. Also ich sehe keinen Grund, daran zu glauben, dass wir in der Finanzkrise mit der Gemeinschaftswährung besser fahren, als wir es mit der D-Mark getan hätten.
Pindur: Das meint der Euro-Skeptiker Professor Wilhelm Hankel. Vielen Dank für das Gespräch im Deutschlandradio Kultur!
Wilhelm Hankel: Guten Morgen, Herr Pindur!
Pindur: Wie sehen Sie das denn rückblickend? Ist der Euro doch erfolgreicher, als Sie es sich damals vorstellen konnten?
Hankel: Ich sehe keinen Grund zum Feiern.
Pindur: Warum nicht?
Hankel: Die Bürger entdecken, seit sie den Euro haben, die gefühlte Inflation und sie lernen, dass dieses die wahre Inflation ist, die sie in ihrem Alltag trifft, denn die statistisch gemessene Inflation ist eine reine Illusion.
Pindur: Die statistisch gemessene Inflation ist natürlich aber diejenige, die maßgeblich ist und die auch entscheidet, wie viel Geld ich auf dem Konto habe und wie viel ich ausgeben kann.
Hankel: Nun ja, es ist die amtliche Inflationsrate, die aber nicht im Supermarkt zur Kenntnis genommen wird, und das war von Anfang an klar. Wir haben ja in unserer Klage auf die jedermann, auch deutschen Politikern klare Situation hingewiesen: die Einkommen werden in Euro gemessen halbiert, aber die Preise steigen und sie sind seit der Euro-Einführung kräftig gestiegen.
Pindur: Das ist bei den Dingen der Fall, die ich täglich mit Bargeld bezahle. Aber das ist bei vielen anderen Leistungen nicht der Fall.
Hankel: Das ist richtig, aber kaufen Sie jedes Jahr ein neues Auto? Kaufen Sie jedes Jahr einen neuen PC, einen neuen Kühlschrank? Denn nur bei den Hightech-Gütern haben wir eine drastische Preisreduktion. Das stimmt. Aber bei allen Gütern des täglichen Lebens und nicht nur bei Sprit und Heizung sind die Preise seitdem gestiegen und für die meisten unserer Mitbürger die Einkommen leider nicht gestiegen, wenn sie nicht gerade Bankmanager gewesen sind.
Pindur: Hat der Euro aber nicht viele Länder in der Finanzkrise vor Schlimmerem bewahrt, indem er eine starke Währung ist, gegen die eben nicht so leicht auf den Devisenmärkten spekuliert werden kann?
Hankel: Leider stimmt auch das nicht, sondern das Gegenteil ist wahr, und das zeigt ja jeder Vergleich, wie jetzt die Krise in Amerika bekämpft werden kann und wie in Europa. Wenn Sie sich nur die bloßen Zahlen ansehen: In den USA wird der Steuerzahler mit 700 Milliarden Euro belastet, allein in Deutschland mit 500 Milliarden Euro - das ist ziemlich identisch -, obwohl in den USA das Bruttoinlandsprodukt über dreimal größer ist und vor allen Dingen die Finanzindustrie mindestens drei- bis viermal stärker ist und tiefer in der Patsche sitzt. Warum ist das so? – Weil in den USA die Notenbank, das Federal Reserve System, aktiv in die Sanierung eingreift und die Banken wieder herauswuchtet. Da braucht der Steuerzahler nichts zu tun. Nach neueren Zahlen werden alleine in den USA von der Notenbank zwei Billionen Dollar bereitgestellt, damit dass US-System wieder flott wird. Und genau das kann unsere Europäische Zentralbank nicht; ja sie darf es nicht einmal. Infolgedessen muss bei uns die Krise vom Steuerzahler bezahlt werden, und das ist bitter.
Pindur: Aber auch in den USA wird das Geld vom Staat gestellt und somit vom Steuerzahler bezahlt. Wenn man alle Hilfsmaßnahmen im Euro-Raum zusammennimmt, dann kommt noch eine ganze Menge mehr zusammen, als die USA aufwenden.
Hankel: Ja, und das finde ich gar nicht gut, denn sehen Sie: Hätten wir keinen Euro, dann müsste jeder Staat seine Krise, die ihm seine Banken eingebrockt haben, zu Hause mit Bordmitteln auslöffeln. Das wäre gar nicht die schlechteste Therapie. In Europa aber: Wir haben jetzt im Euro 15 Staaten, von denen die meisten ihre Krise haben. Was aber noch schlimmer ist: Wir haben 12 außen vor, die alle Anspruch haben, in den Euro reinzukommen, und das sind unsere europäischen Nachbarn, ausnahmslos schwache Ökonomien, ausnahmslos inflationsgeschädigt und ausnahmslos jetzt krisengeschädigt. Und sie alle wollen jetzt Hilfe von der Euro-Zone. Das heißt, die wahre Belastung des Euro durch diese Krise, die kommt jetzt. Das sehen wir ja auch am Kursbild. Der Euro ist in dieser Krise sehr viel schwächer geworden, der Dollar nicht. Das heißt, das eigentliche Problem mit der Finanzkrise kommt für den Euro überhaupt erst im nächsten Jahr. Deswegen bin ich gar nicht glücklich, dass wir die Gemeinschaftswährung haben, denn die Krise zeigt: Jedes Land muss, kann aber auch seine eigene Krise lösen. Und man kann doch den deutschen Steuerzahler nicht dafür haftbar machen, dass er jetzt auch noch die Krise in Lettland oder in Ungarn oder Rumänien mitbezahlt.
Pindur: In Island war das aber zum Beispiel nicht der Fall. Da musste tatsächlich dann sich der Staat Geld ausleihen, um nicht Pleite zu gehen, und das wäre vielleicht für Länder wie die Niederlande oder Belgien auch ein Problem, angesichts dieser globalen Finanzkrise. Ist man nicht trotzdem mit dem Euro besser bedient?
Hankel: Nein, ich versuche, Ihnen ja gerade das Gegenteil anhand der Zahlen zu zeigen. Heute müssen alle Länder, die schon im Euro sind ¬- also Deutschland, die Niederlande, Frankreich, Italien -, nicht nur ihre eigenen Probleme im Euro lösen, sondern sie haften bereits jetzt für die Newcomer, für die Beitrittskandidaten. Und es ist ja kein Zufall, dass die Finanzkrise gerade die schwachen Ökonomien in Rumänien, auf dem Balkan, in Osteuropa, bei den Balten viel schwerer getroffen hat. Sie alle werden gleich Island demnächst an die Tür der Europäischen Zentralbank klopfen und Hilfe wollen. Das ist auch der Grund, warum der Euro heute schon schwächelt und nicht so gut abschneidet wie der Dollar. Also ich sehe keinen Grund, daran zu glauben, dass wir in der Finanzkrise mit der Gemeinschaftswährung besser fahren, als wir es mit der D-Mark getan hätten.
Pindur: Das meint der Euro-Skeptiker Professor Wilhelm Hankel. Vielen Dank für das Gespräch im Deutschlandradio Kultur!