Finanzen im Behinderten-Sport

Ade Gießkannenprinzip

Eine Goldmedaille der Paralympics 2014 in Sotschi.
Eine Goldmedaille der Paralympics 2014 in Sotschi. © picture alliance / dpa / Igor Russak
21.06.2015
Der Paralympische Sportclub Berlin arbeitet seit 16 Jahren erfolgreich und leistet einen großen gesellschaftlichen Beitrag zur Inklusion. Dennoch bekommt er keine öffentliche Förderung - und muss bei seinen Ausgaben daher strenge Prioritäten setzen.
Fast die gesamte Weltspitze war an diesem Wochenende bei den Internationalen Leichtathletik Meisterschaften der Menschen mit Behinderungen in Berlin am Start. Hochleistungssportler aus 40 Nationen. Angeführt von den Sprintern Ali Latin und Thomas Ulbricht schickte der Paralympische Sportclub Berlin, PSC, mit 150 Mitgliedern einer der größten Behindertensportsportvereine Deutschlands, sechs Athleten in die Wettkämpfe.
Der Verein arbeitet seit 16 Jahren erfolgreich und leistet einen großen gesellschaftlichen Beitrag zur Inklusion. Trotzdem ist es dem Präsidenten des PSC, Ralf Otto, bisher nicht gelungen, einen Hauptsponsor zu finden. Öffentliche Förderung gibt es nicht, weil der Verein weniger als 1000 Mitglieder hat, sagt Otto. Also muss der 56-jährige ehemalige Leichtathletikbundestrainer Klinken putzen, um die Kasse mit Spenden und Individual-Sponsoring zu füllen.
"Ich muss das Geld ja erst mal besorgen. Und eigentlich ist es immer ein Projekt. Ich habe einen Sportler, der braucht Material, dafür kreiere ich ein Projekt und hoffe dann, dass es durchgeht. Ich habe dann Geld und kaufe genau das, was für den Sportler notwendig ist. Ob es Prothesen sind, ob es Rollstühle sind, ob es Trainingslager sind."
"Es geht nicht darum, dass jeder irgendwas bekommt"
Ralf Otto entscheidet allein, wofür das Geld ausgegeben wird. Besonders demokratisch ist das zwar nicht, wie der promovierte Sportwissenschaftler einräumt, dafür aber ziemlich effizient. Weil Papierkrieg und Diskussionen in den Gremien entfallen, können die einzelnen Projekte schnell durchgezogen werden. Geprüft wird später.
"Die Entscheidung liegt natürlich vor allen Dingen in der Entwicklungschance des Athleten. Dass wir einfach gucken, wer kann in den nächsten zwei, drei, vier Jahren schnell in die Weltspitze kommen. Es geht nicht darum, dass jeder irgendwas bekommt."
Bevor Ralf Otto Geld ausgibt, kalkuliert er die sportliche Rendite, die der geförderte Athlet für seinen Verein abwerfen könnte. Der Präsident des Paralympischen Sportclubs hat eine klar definierte Prioritätenliste:
"Nach der Chance, dass die Leute bei Paralympics irgendwann ankommen können. Dann muss man nach dem Alter gehen. Wir haben teilweise sehr junge Nachwuchsathleten, da muss man länger dran arbeiten. Aber da weiß man, die haben sehr viel Zeit. Bei 50- oder 60-jährigen Athleten würde ich sagen, dafür jetzt Prothesen anzuschaffen, das kriegen wir auf dem Weg nicht hin. Es wäre schön, wenn wir´s könnten. Aber da muss eben einfach eine Priorität gesetzt werden."
Vielen Firmen wollen Behindertensport aus Imagegründen nicht fördern
Obwohl der Paralympische Sportclub seine finanziellen Mittel leistungsorientiert einsetzt, holt sich Ralf Otto bei der Sponsorensuche oft einen Korb. Die Firmen fänden Behindertensport zwar toll, argumentierten aber immer noch, dass er einfach nicht zu ihrem Image - jung, dynamisch, erfolgreich und gesund - passe.
Jetzt wagt Otto einen neuen Vorstoß. Wenn zum Beispiel nur 0,1 Prozent der Transfererlöse aus der Fußballbundesliga in den Behindertensport flössen, wäre auch der Paralympische Sportclub aller finanziellen Sorgen ledig. Ralf Otto hat schon Kontakt zum Bundesligisten Hertha BSC aufgenommen.
"Wenn Hertha mit seinen 18.000 Mitgliedern bei mir im PSC Mitglied wird und jeder einen Euro im Jahr bezahlt, habe ich 18.000 Euro mehr. Die können das schön verarbeiten, können sagen: Wir unterstützen das, das ist unser Co-Verein. Das wäre ein schöner Ansatz. Vielleicht würden das sogar die Mitglieder toll finden und würden sagen: Wir machen und tun. Und auf der Mitgliederversammlung gibt´s mal was Positives und nicht was Negatives. Das muss man denen nur mal nahe bringen."
Mehr zum Thema