Finale im US-Wahlkampf

Von Marcus Pindur, Deutschlandradio |
Barack Obama will den gesellschaftlichen Aufstieg durch Bildung wieder ermöglichen, der Teil des amerikanischen Traumes war und ist. Mitt Romney setzt dagegen die ebenso traditionelle wie einfallslose Agenda: weniger Bürokratie, weniger Steuern, weniger Staat.
Die Kandidaten waren sich einig, trotz aller vordergründigen rhetorischen Scharmützel. Was er denn machen würde, um die Lage in Syrien zu verändern, wurde Herausforderer Mitt Romney gefragt. Man müsse der Opposition dabei helfen, sich zu organisieren, man müsse ihnen Waffen zukommen lassen, und man müsse das Assad Regime international isolieren. Gleichzeitig müsse man aber darauf achten, dass die gelieferten Waffen nicht in die Hände derer fielen, die sie anschließend gegen die Interessen Amerikas richteten.

Das bildet so bis ins Detail die Position Barack Obamas ab, dass dieser sich fast bedankte: Es sei eine Bestätigung seiner Außenpolitik, was Gouverneur Romney dort eben gesagt habe, fand der Präsident.

Ähnliches im Umgang mit dem Iran. Mitt Romney forderte zwar noch schärfere Sanktionen und eine Anklage gegen den notorischen Holocaustleugner Ahmadinedschad, aber ansonsten kopierte die Position Romneys in der Substanz genau die Obamas.

Und das ist auch gut so, denn Obama fährt in der Politik gegenüber dem Iran einen Kurs, der klar und deutlich lesbar ist, den Iran ausreichend in die Enge treibt, und dennoch genug Spielraum lässt zur friedlichen Lösung des Konfliktes. Auch Romney ließ sich nicht dazu verleiten, die vom israelischen Ministerpräsidenten geforderte rote Linie zu ziehen.

Wenn der interessierte Wähler unterschiedliche Konzepte hören wollte, dann musste er auf die vielen Passagen achten, in denen beide Kandidaten darauf hinwiesen, dass es das gesellschaftliche Fundament sei, das die USA wieder herrichten müssten, um international zu bestehen.

Und da steht der Wahlkampf nach drei Präsidentschaftsdebatten als eine Wahl zwischen in der Tat sehr unterschiedlichen Konzepten. Barack Obama will den gesellschaftlichen Aufstieg durch Bildung wieder ermöglichen, der Teil des amerikanischen Traumes war und ist. Er will möglichst viele an den Segnungen einer reichen Gesellschaft teilhaben lassen, wie zum Beispiel an einer erschwinglichen Krankenversicherung für alle. Und er will einen Teil des gesellschaftlichen Reichtums an der Einkommensspitze dafür abschöpfen. Es darf bezweifelt werden, dass das reicht. Viele Experten sind der Ansicht, dass Obama auch von der Mittelschicht Opfer verlangen muss, um seine Vorstellungen zu finanzieren.

Romney setzt auf die uramerikanischen Kräfte der Selbstentfaltung, weniger Bürokratie, weniger Steuern, weniger Staat – und auch damit sind die Vereinigten Staaten von Amerika in ihrer über 200-jährigen politischen Geschichte nicht schlecht gefahren. Aber auch Romneys Programm hat ein Glaubwürdigkeitsdefizit: Hohe Steuersenkungen sind nicht zu finanzieren, ohne die Mittelschicht zu belasten, etwas, was er sich beharrlich weigert, einzugestehen.

Was Amerika braucht, dass ist eine verlässliche Infrastruktur für die oft bildungsfernen Einwanderer und für die Mittelschicht. Bezahlbare Universitätsausbildung, öffentliche Schulen, die den Aufstieg ermöglichen und nicht 20 Prozent der Schüler in den Analphabetismus entlassen. Auch wenn Barack Obamas Programm Fragen aufwirft, so beantwortet es doch mehr als die ebenso traditionelle wie einfallslose Agenda Mitt Romneys. Ob die Amerikaner dies mehrheitlich auch so sehen, ist derzeit nicht abzusehen.