Filmstart

Drei sind eine(r) zuviel

Hannah Herzsprung (links, als Caroline von Beulwitz), Florian Stetter (Friedrich Schiller) und Henriette Confurius (Charlotte Lengefeld) in Weimar während der Dreharbeiten von Dominik Grafs Film "Die geliebten Schwestern".
Hannah Herzsprung (links), Florian Stetter und Henriette Confurius bei den Dreharbeiten in Weimar © dpa / picture alliance / Martin Schutt
Von Hartwig Tegeler · 31.07.2014
Die leichte, spielerische Dreiecksbeziehung wie in Dominik Grafs Film "Die geliebten Schwestern" ist die Ausnahme. 2000 Jahre christliche Moral sind auch auf der Leinwand nicht einfach so wegzuwischen.
Wenn man, nein, besser, wenn die Beziehung, in Klammern Ehe, in die Jahre kommt, ...
"Was es gestern Abend gut, oder war es zu kurz?"
Klar geht es um den gestrigen Verkehr, ...
"Nein, es war schön!"
Dann kommt man, ...
"Ganz sicher?"
Also, "Mann" mit Doppel-"m", aber auch Frau, ...
"Es war sehr schön! Wie immer!"
Man kommt schoooon (!) auf Ideen.
"Wie immer?"
Oh, oh böse Bemerkung beim Frühstück am Morgen nach dem ehelichen Verkehr. Also die Frage im Film "Sex-Monster":
"Hast du nicht Lust, irgendetwas Neues auszuprobieren?"
Der Katzenjammer folgt
Zum Beispiel Sex mit einer Frau, während der, der hier fragt, zuschaut oder mitmischt. Die Ménage-à-trois als Leichtes, Spielerisches wie in Dominik Grafs Film "Die geliebten Schwestern". Nein, Missverständnis, das ist die Ausnahme. Der Titel von Mike Binders Film, "Sex-Monster", steht für die Regel dieser Beziehungsform im Film, die fast immer damit endet, dass einer die Sexgeister, die er oder sie rief, nicht wieder los wird. Solch ausdrucksstarke Titeln wie "Dreieck der Lust", "Todsünde", "Liebesspiele", "To Love Somebody" oder "Einsam, Zweisam, Dreisam" oder auch "Wild Things" sprechen eine deutliche Sprache:
"Zwei sind ein Paar. Drei sind einer zuviel."
Passend kommt die Dreiecksbeziehung im Titel von Francis Girods Schwarzer Komödie mit Michel Piccoli, Mascha Gonska und Romy Schneider auf ihren bösen Punkt: "Trio Infernal". Sie ist in der Regel im Film tatsächlich infernal, die Ménage-à-trois und am Ende ...
"Es ist schon ein Jahr her, das Pete und ich gefickt haben."
... so gut wie immer belegt mit dem Bann der Schuld.
"Was war zwischen dir und Tommy?" – "Wir haben uns nur geküsst." – "Ich denke, dass du mit Tommy vögelst."
2000 Jahre christliche Moral sind einfach nicht wegzuwischen. Auf die Ménage-à-trois folgt der Katzenjammer inklusive des Rückzugs in die befriedete Ehe. Die Dreiecksbeziehung verkommt zur Variante des Seitensprungs à la "Eine Verhängnisvolle Affäre". Psychodrama oder wahlweise der Thriller lehren uns: Der Mensch, seine Psyche, seine Verfasstheit, an sich und für sich: alles nicht geschaffen für anderes als dieses, ja, dieses Zweierding. Oder?
"So, da wäre er." – "Guten Tag, Monsieur Schiehm!" – "Guten Tag." – "Man spricht es Jim aus. Wie im Englischen, mit einem ´D´ davor."
"Jules und Jim" - der Klassiker
Glücklicherweise kann die Dreiecksbeziehung manchmal, selten, aber immerhin, auch noch einen ganz anderen Ton bekommen. Natürlich, François Truffaut und "Jules und Jim", der Klassiker unter den Ménage-à-trois-Filmen. Jules und Jim. Beide lieben Catherine. Oskar Werner, Henri Serre und Jeanne Moreau.
"Jim war, genau wie Jules, so von dem Mädchen verzaubert, dass er gar nicht erst versuchte, sich über seine Gefühle klar zu werden. Das seltsame Lächeln gehörte nun zu Catherine, war Ausdruck ihres Wesens."
"Die Begriffe Ehe, Liebe und Verantwortung gegenüber dem eigenen Kind sind in diesem Werk der französischen ´Neuen Welle so pervertiert, ..."
1962.
"... dass man trotz seiner künstlerischen Werte ..."
Zeitgemäß moralinsauer - der Evangelische Filmbeobachter zum Truffautschen mas-terpiece.
"... nur ein klares Nein zu ihm sagen kann."
Liebe jenseits der Konvention
Truffaut erzählt eine Geschichte aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Dominik Graf reist mit "Die geliebten Schwestern" in die 1790er-Jahre. Und doch atmet die Ménage-à-trois in "Jules und Jim", übrigens auch bei Woody Allen in "Vicky, Christina, Barcelona" und ebenso bei Dominik Graf einen ähnlichen Geist. Es geht um die Möglichkeit einer Liebesbeziehung für einen Moment jenseits von Konventionen. Truffaut und Dominik Graf finden wunderbare Kino-Bilder dafür. Wenn Jules, Jim und Catherine über die Brücke laufen. Wenn in "Die Geliebten Schwestern" Caroline und Charlotte den pudelnassen, nackten, zitternden Friedrich Schiller umarmen, mit ihren Kleidern wärmen.
"Ich liebe Sie beide, Caroline, Charlotte."
Und wenn auch bei Truffaut wie bei Dominik Graf die Ménage-à-trois scheitert, so haben die Filmemacher eine Utopie entworfen, die uns mit ihrer sinnlichen Leichtigkeit ansteckt. Wie lange die allerdings anhält? Tja ...
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