Filmische Aufarbeitung des Völkermords

Von Annika Butz · 10.04.2009
Im April vor 15 Jahren begann der grausame Genozid an den Tutsi in Ruanda. Dieser furchtbaren Katastrophe nahm sich mit "Hotel Ruanda" auch das Hollywood-Kino an. Inzwischen gibt es dazu auch Filme aus ruandischer Perspektive. Daddy Ruhorahoza ist einer dieser Regisseure, der sich in seinem ersten, intelligent gemachten Kurzfilm mit der Aufarbeitung der Ereignisse von 1994 beschäftigt und dafür zahlreiche Preise gewonnen hat.
Szene aus "Confession":
"Kannst du immer noch nicht schlafen?"
"Nein"
"Wann wird das ein Ende haben?"
"Ich weiß es nicht."

Ebenso ruhig und eindrücklich wie die Bilder seines Kurzfilms "Confession", "Geständnis", wirkt auch der junge ruandische Filmemacher Daddy Ruhorahoza selbst. In dem Erstlingswerk des 26-Jährigen mit dem charismatischen und feinen Gesicht begleiten wir einen Mann, den sein Verbrechen nicht ruhen lässt - die Vergewaltigung einer jungen Frau im Jahre 1994, der Zeit der blutigen und grausamen Massenunruhen in Ruanda:

"In 'Confession' fühlt sich der Vergewaltiger nicht gut - nach über zehn Jahren entschließt er sich, zu einem Beichtvater zu gehen, weil er sich bewusst ist, gesündigt zu haben. Aber nachdem er gebeichtet hat, spürt er, dass es nicht richtig ist, nur zu Gott zu sprechen. Also geht er in öffentliche Toiletten und schreibt seine Beichte an die Wände. Ich wollte damit zeigen, dass er gemerkt hat, dass es wichtig ist, zu den Menschen zu sprechen, weil er an der Menschheit gesündigt hat, mehr als vor Gott."

Leider gingen in dem katholisch geprägten Land viele der 1994 schuldig gewordenen lediglich zur Beichte, glaubt Ruhorahoza. Sie vermieden es, sich mit den Angehörigen auseinanderzusetzen und sich öffentlich zu ihren Taten zu bekennen - wichtige Schritte auf dem Weg der Aufarbeitung der Ereignisse, findet der junge Filmemacher.

"Für mich lag der Fokus darauf, einen Kriminellen zu zeigen, der versucht sich selber zu erlösen. Ob Hutu oder Tutsi war unbedeutend für mich. Kriminelle können auf beiden Seiten sein. Ich wollte zeigen, dass Menschlichkeit in jedem ist, was immer wir auch gemacht haben mögen. Und es ist wegen meiner persönlichen Geschichte: Während des Genozides wurde meine Mutter von einem Mann vergewaltigt, der viele andere Menschen getötet hat."

Der junge Autor und Regisseur wird 1982 in Kigali geboren. Hier wächst er auch auf - als jüngstes von vier Kindern. Auf seine Bildung wird viel Wert gelegt: Er wird auf eine Privatschule geschickt und entschließt sich nach seinem Abschluss für ein Jurastudium in Kigali. Aber:

""Wir haben es so gehasst. Es war eine Zeitverschwendung. Und deshalb habe ich das Studium abgebrochen und begonnen, für einen Ruandischen Produzenten zu arbeiten, der für CNN tätig war. Ich machte einfach alles, was er von mir wollte - ich arbeitete als Laufbursche, persönlicher Assistent, Produktionsassistent, einfach alles. Zu dieser Zeit hab ich auch viel Theater gemacht. Ich stand als Schauspieler einer Theatergruppe meiner Schule auf der Bühne, ich habe abends geschrieben, mir Notizen gemacht, habe einige Gedichte, einige Kurzgeschichten geschrieben."

Als der Produzent, für den er arbeitet, 2005 das erste Ruanda Film Festival initiiert, macht er ihn für die ersten zwei Jahre zum Direktor der Veranstaltung:

"Als die Leute anfingen, ihre Filme einzuschicken, begann ich, unterschiedliche Arten von Filmen zu sehen. Die Hollywoodstreifen, die kann man sehr einfach bekommen, aber die Independent-Filme, die sind wirklich sehr schwierig auffindbar. Das war die Zeit, in der ich begann, richtig neugierig auf den Independent-Film zu werden."

Ruhorahoza ist begeistert, gibt seinen Job als Organisator des Festivals auf, arbeitet als freischaffender Fernseh-Produzent und beginnt selber Filme zu machen.

In seinem zweitem Kurzfilm "Lost in the south" beobachten wir einen jungen Ruander, der als Sohn eines Diplomaten nach 20-jährigem Aufenthalt in Europa nach Ruanda zurückkehrt. Seine Freundin, eine weiße Europäerin, konfrontiert er in zynischen Kommentaren mit den unterschiedlichen Lebensstandards der Kontinente.

Seine Filme finanziert Ruhorahoza komplett selbst, denn eine Filmförderung gibt es in Ruanda nicht. Aber der 26-Jährige lässt sich nicht unterkriegen. Inzwischen hat er seinen dritten Kurzfilm über ein homosexuelles, afrikanisches Paar im deutschen Exil abgedreht. Ruhorahoza ist ein kritischer Beobachter der ruandischen Gesellschaft und gestaltet das Kulturleben in Kigali mit, wo er gemeinsam mit seiner Freundin lebt.

Vor ein paar Monaten hat er die erste Kunst-Bar Kigalis eröffnet, in der zeitgenössische Maler ihre Werke zeigen . Nun träumt er davon, seinen privaten Filmclub zu einem öffentlichen zu machen. Sobald er Geld für Stühle und eine Musikanlage zusammen hat, kann es losgehen.

"Ich bin sehr optimistisch. Ich bin sehr ehrgeizig und ich denke, ja, die Zukunft ist strahlend!"