Filmfestival Venedig ist eröffnet

Liebe, Tod und Teufel

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Szene aus "The Shape of Water" © Kerry Hayes/20th Century Fox
Von Patrick Wellinski · 02.09.2017
Filme und Filmemacher, die die Welt retten wollen: Das ist das erste dominante Thema, das sich beim ältesten Filmfestival der Welt in Venedig abzeichnet. Besonders Filme aus den USA machen sich Gedanken über die Zukunft der Menschheit.
Bereits der Eröffnungsfilm der 74 Mostra Internazionale D’arte Cinematographica hat versucht die drängenden Fragen zu beantworten: Überbevölkerung, Klimawandel, Hunger und Ausbeutung. All dies gehört der Vergangenheit an, wenn sich alle Menschen verkleinern lassen würden. Wie in "Downsizing" von Alexander Payne, da haben norwegische Wissenschaftler die Zellschrumpfung erfunden, die alle Lebewesen um ein vielfaches kleiner werden lässt und damit auch alle unnötigen Probleme. Doch leider werden die Probleme damit nur kleiner und verschwinden nicht für immer, was die Sci-Fi-Satire durch die Augen des Chiropraktikers Matt Damon erzählt.

Wenn die Konföderierten-Flagge hochgehängt wird

Damit gab das Festival schon seinen Grundton vor: Denn die ersten Tage werden vom englischsprachigen Kino dominiert. Matt Damon spielt auch die Hauptrolle in George Clooneys Regiearbeit "Suburbicon", einer tiefschwarzen Vorstadt-Satire, die vom bösen Drehbuch der Coen-Brüder profitiert. Während die weiße Vorstadt auf die Barrikaden gegen die ersten schwarzen Nachbarn geht, begeht der unscheinbare Versicherungsangestellte Matt Damon einen Mord, dessen Komplikationen ungeahnte Ausmaße annimmt. Wenn das Haus der Afroamerikaner in Brand gesteckt und eine Konföderierten-Fahne an ihr Haus gehängt wird – dann werden diese Bilder plötzlich durchlässig für eine Gegenwart, die uns aus den Nachrichtenbildern bekannt vorkommt. Charlottesville und seine Folgen sind am Lido jedenfalls sehr präsent.

Außenseiter und Weltretter

Auch der Mexikaner Guillermo del Toro will sein fantastisches Märchen "Shape of Water", den ersten ganz großen Kritiker und Publikumsliebling, als Reaktion auf Donald Trump verstehen. In Venedig sagte der Regisseur, dass immer, wenn Trump davon spricht, Amerika wieder groß zu machen, dieser sich insgeheim das Amerika der frühen 1960er Jahre zurück wünscht. Da ist auch der Film angesiedelt. Doch findet er keine romantisch verklärten Bilder. Die Liebesgeschichte einer stummen Putzfrau mit einem Wassermonster wird mit der Kubakrise im Hintergrund erzählt. Bilder von Agenten, Korruption und Zerstörung. Nur die Liebe bringt einige Außenseiter zusammen. Ein etwas anderer Solidarpakt, der sich in diesem politischen Märchen zu einer schön-traurigen Utopie vermengt.

Einen anderen Ton schlägt Paul Schrader in seinem Spielfilm "First Reformed" an. Eine strenge calvinistische Erzählung, angelehnt an Carl Theodor Dreyers Meisterwerk "Ordet", die von dem inneren Zweifel eines Pfarrer erzählt, der an den Lügen seiner Kirche zerbricht.

Ai Weiwei und seine Flüchtlingsdoku

Auch Ai Weiwei zweifelt am Unrecht der Gegenwart. In seiner groß angelegten Flüchtlingsdoku "Human Flow" (hier unsere ausführliche Besprechung) versucht er den ganz großen Wurf. Aus der Vogelperspektive will er die größte Migrationsbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg festhalten. Leider fallen dem gefeierten Konzeptkünstler reichlich konzeptarme Drohnenbilder ein, die die Balkanroute nochmal verfolgen. Das sind Bilder aus seltsam vergangenen Tagen, die nie so recht wissen, was sie über die Gegenwart sagen sollen. Eine Hilflosigkeit, die man dem chinesischen Dissidenten eigentlich nicht zugetraut hätte.

Regionale Konflikte und private Trauer

Filme aus dem Nahen Osten bilden einen weiteren Schwerpunkt an den ersten Tagen in Venedig. Ziad Doueiri erzählt in seinem Spielfilm "Insult" von einer Beleidigung die eine hitzige Gerichtverhandlung zur Folge hat. An diesem Fall exerziert der Regisseur die gesellschaftlichen und politischen Konflikte seines Landes.
Ähnliches probiert der Israeli Samuel Maoz, der bereits mit "Lebanon" den Goldenen Löwen gewinne konnte. "Foxtrot" ist die unnötig kompliziert erzählte Trauergeschichte eines Vater, den die Nachrichten über den Tod seines Sohnes an den Rand der Verzweiflung treibt. Ein Film mit einigen falschen Fährten, Rück- und Vorblenden – zu clever für den dann doch sehr privat angelegten Plot.
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