Jeanine Meerapfel ist sei 2015 Präsidentin der Berliner Akademie der Künste.
"Heimat ist eigentlich die Kindheit"
Die Filmemacherin Jeanine Meerapfel lebt seit 52 Jahren in Deutschland, dem Land, aus dem ihre Eltern vor den Nazis nach Argentinien flohen. Über Deutschland hätten ihre Eltern immer geschwiegen, sagt Meerapfel: "Das Einzige, was man mitgekriegt hat, war eine Sehnsucht nach Preiselbeeren."
In ihrer Familie wurde so gut wie nie über Deutschland gesprochen, sagt Jeanine Meerapfel, die in Buenos Aires geboren wurde.
"Das ist, glaube ich, ein Erlebnis, dass viele Kinder von Emigrierten Ihnen erzählen werden. Die Eltern haben, vielleicht um uns zu schützen, vielleicht, weil sie nicht daran denken wollten, einfach überhaupt nicht über ihre Erfahrung während der Nazi-Zeit erzählt. Und das Einzige, was man mitgekriegt hat, war eine Sehnsucht nach Preiselbeeren oder eine Sehnsucht nach Spätzle, oder sie sprachen über den Schwarzwald. Aber es gab keine Erzählung dessen, was sie erlebt hatten. Ich habe viel, viel später, als ich schon in Deutschland lebte und anfing, Filme zu machen, mich einmal mit meinem Vater hingesetzt, kurz bevor er starb, und ihn ausgefragt. Und ich musste ihm wirklich jedes Wort beinahe aus dem Mund rausziehen. Irgendwie war das ein abgeschlossenes Kapitel oder insbesondere eins, über das sie nicht reden wollten."
Auch, dass sie Juden waren, habe in der Familie kaum eine Rolle gespielt.
"Also, wir waren die typischen Reformjuden, zweimal im Jahr in der Synagoge. Solange mein Opa lebte, war das dreimal im Jahr vielleicht: also zum Neujahr, zu Ostern, zu Pessach und so weiter. Aber wir wurden nicht religiös erzogen."
"Platte Antworten bekommen wir zur Genüge"
Jeanine Meerapfel hat an vielen Orten gelebt und ist ihr ganzes Leben lang gependelt - zwischen Deutschland und Argentinien, Frankreich, Griechenland und so weiter. So etwas wie "Heimat" gebe es darum für sie nicht.
"Heimat ist ein Phantom, Heimat ist eigentlich die Kindheit und da kann man nicht hin zurück."
Ihre Auseinandersetzung mit den eigenen Wurzeln hat Meerapfel immer wieder in ihren Filmen verarbeitet. Darüber wie sie Geschichten erzählt, sagte sie selbst:
"Platte Antworten und vereinfachende Geschichten oder Gestalten bekommen wir zur Genüge. Und ich denke, wenn wir einen Film machen, mit viel Geld und mit viel Mühe, sollte dieser Film auch erreichen, dass der Zuschauer die Freiheit hat, sich selber eine Geschichte zu erzählen. Das können Sie nur tun, wenn Sie sehr präzise erzählen und wenn Sie nicht brutal mit dem Zuschauer umgehen, ihn also nicht traktieren. Ich versuche auch im Gespräch die Menschen nicht zu überzeugen, indem ich schreie, sondern indem ich argumentiere. Das Gleiche mache ich in den Filmen."