Filmemacherin Alexa Karolinski

Auch Nicht-Juden sind vom Holocaust traumatisiert

Dokumentarfilmerin Alexa Karolinski
Dokumentarfilmerin Alexa Karolinski © Edition Salzgeber
Moderation: Katrin Heise · 23.08.2018
In ihrem aktuellen Dokumentarfilm "Lebenszeichen" porträtiert die Filmemacherin Alexa Karolinski das Leben von Juden in Berlin und erkundet ihr eigenes Jüdischsein. Sie ist der Meinung, auch Nicht-Juden müssten sich mit den Traumata beschäftigen, die der Holocaust verursacht hat.
Gleich für ihren ersten Film "Oma und Bella" erhielt Alexa Karolinski den Grimme-Preis: In dem Film, ihrer Abschlussarbeit an der New Yorker School of Visual Arts, erzählt die Berliner Filmemacherin von ihrer Großmutter und deren Freundin - von Friseurbesuchen, Stadterkundungen und immer wieder vom Kochen der alten Damen. Parallel zum Film gab Alexa Karolinski ein Kochbuch mit deren Rezepten heraus. Die 34-jährige pendelt zwischen Berlin und Los Angeles, wo sie mit Mann und Hund im Grünen lebt. Auch sie liebt das Kochen und weiß an Kalifornien nicht nur die große Auswahl frischer Lebensmittel zu schätzen.

"Sehr starkes Trauma in diesem Land"

Heute läuft Karolinskis neuer Dokumentarfilm "Lebenszeichen" in den deutschen Kinos an. Darin erkundet sie ihre eigene Identität als deutsche Jüdin. Sie möchte mit ihren Gedanken und Gefühlen zum Judentum, zu Deutschland und zum Holocaust gehört werden, sagt Alexa Karolinski. Ihrer Beobachtung nach beschäftige das Jüdischsein in Deutschland aber nicht allein die Juden, sondern auch die Nicht-Juden sehr. Es gebe ein "sehr starkes Trauma in diesem Land", bei Juden und Nicht-Juden. Der Unterschied im Umgang mit diesem Trauma sei allerdings sehr groß: "In unserer Familie wurde unheimlich viel, immer, immer, immer über den Holocaust geredet. Es ist Teil unseres Lebens. Ich glaube, dass dieses Land erst wirklich geheilt werden kann, wenn auch Nicht-Juden wirklich reden und sich mit ihren eigenen Traumata in ihrer Familie auseinandersetzen."

Ein Beispiel für "Micro-Aggression"

Mehrere Szenen des Films "Lebenszeichen" zeigen ehrenamtliche Gärtnerinnen der Villa Liebermann in Berlin-Wannsee, die vor der Kamera ihrer Freude darüber Ausdruck verleihen, sich regelmäßig an einem so schönen Ort aufhalten zu können. Auf die dramatische Geschichte des Sommersitzes des jüdischen Künstlers Max Liebermann im Nationalsozialismus nehmen sie dabei nicht mit einem Wort Bezug. Alexa Karolinski lässt das im Film unkommentiert.
"Die Damen sind keine Antisemiten. Sie sagen auch nichts Antisemitisches. Was sie sagen, nennen wir in den USA eine Art 'Micro-Aggression'. Sie sagen etwas, was eigentlich eine gute Intention hat, aber es fühlt sich für die Person, die das hört, aufgrund ihrer Identität leicht diskriminierend an. Und so hat es sich für mich angefühlt."

Frage nach der Identität kann diskriminierend sein

In Deutschland werde einem das Anderssein immer vorgehalten oder bewusst gemacht, nicht nur Juden, sondern auch allen anderen religiösen und kulturellen Minderheiten, findet Alexa Karolinski. "Man definiert Leute als 'anders', die mehr als eine Identität haben." Wenn man dann diese "Anderen" zu ihrer Identität befrage, fühle sich das für die Befragten "manchmal diskriminierend an". Denn: "Es wird nicht mir überlassen, was ich preisgebe und was nicht, sondern die Person der Mehrheitsbevölkerung, die mich befragt, hat die Macht."
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