Filme der Woche

Existenzielles Drama mit feinem Humor

Tomas (Johannes Bah Kuhnke, l) und Ebba (Lisa Loven Kongsli) in einer Szene des Films "Höhere Gewalt" (undatierte Filmszene). Der Film kommt am 20.11.2014 in die deutschen Kinos. Foto: AlamodeFilm
Tomas (Johannes Bah Kuhnke, l) und Ebba (Lisa Loven Kongsli) in einer Szene des Films "Höhere Gewalt" © dpa/picture alliance / AlamodeFilm
Von Hannelore Heider  · 19.11.2014
Viele Preise und Nominierungen hat Ruben Östlund für "Höhere Gewalt" schon eingesammelt - und das Familiendrama erfüllt die hoch gesteckten Erwartungen voll und ganz: ein existenzielles Drama mit feinem Humor.
Ruben Östlunds vierter Film ist schon mit mehrfachen Auszeichnungen beladen, wenn er jetzt zu uns ins Kino kommt. Er gewann den Jurypreis "Un certain regard" in Cannes, ist zweimal für den Europäischen Filmpreis nominiert und geht für Schweden ins Oscar-Rennen.

Selbst wenn man das als Zuschauer weiß, ist "Höhere Gewalt" immer noch ein überwältigendes Erlebnis. Er erzählt über fünf Tage das Drama einer Familie im Skiurlaub in den französischen Alpen. Atemberaubende Panoramen, die in raffinierter Postproduktion fast ins Unwirkliche geteigert sind, und eine Familie wie sie vorbildlicher kaum sein könnte, empfangen den Zuschauer.

Das luxuriöse Hotel, die mit allem Komfort ausgestatteten Skianlagen, folgsame Kinder und Pulverschnee machen Tag eins zu einem Erlebnis, bis am zweiten Tag die Natur in diese Idylle einbricht und die ideal scheinenden Beziehungen innerhalb der Familie zerstört. Man hat das stetige Donnern von Kanonen noch im Ohr, mit denen Lawinen künstlich ausgelöst werden, als eine unkontrolliert auf die Ausflugsterasse zujagt, wo Thomas (Johannes Kuhnke) und Ebba (Lisa Loven Kongsli) mit ihren Kindern Vera und Harry essen. Da ergreift der Familienvater panikartig die Flucht und überlässt Frau und Kinder ihrem Schicksal. Aus Ebbas Verstörung und Thomas' Verdrängung seiner "Fehlentscheidung" wird eine Übereinkunft, wie man künftig über dieses dramatische Erlebnis berichten wird. Doch am Abend des dritten Tages bricht es aus Ebba heraus, vor Freunden, die verstört und hilflos zusehen, wie sich ein liebendes Paar zerlegt.

Unübersehbar stellt Ruben Östlund das Rollenverständis von Frau und Mann in unserer modernen Gesellschaft in Frage, ja, er delegiert diese Frage an den Zuschauer. Dabei bedient er sich feiner Psychologisierung und präziser Situationsbeschreibung, denn er konfrontiert Ebba und Thomas auch mit anderen Lebensentwürfen sowie den Konsequenzen. zum Beispiel für die Kinder.

Die ganz realistisch wirkende Ansicht eines existenziellen Dramas wird mit feinem Humor erzählt. Das pädagogisch gebildete Paar geht beispielsweise immer auf den über Etagen offenen Hotelflur, wenn es in verschiedenen Stadien das Problem diskutiert, die Kinder sollen vom Konflikt verschont werden. So gibt es in diesem Film um vielschichtige moralische Fragen und Sichten, und der Zuschauer darf bis zur letzten Minute auf das Ende gespannt bleiben.
"Höhere Gewalt"
Schweden 2014; Regie: Ruben Östlund; Darsteller: Johannes Kuhnke, Lisa Loven Kongsli, Clara Wettergren, Vincent Wettergren, Kristofer Hivju; 118 Minuten, ohne Altersbeschränkung