Filme der Woche

Vorgestellt von Hannelore Heider |
"Das Leben der Anderen" bringt das bislang nur als Kolportage oder Komödie abgehandelte Kapitel DDR als großen Kinofilm auf die Leinwand. "Und wenn sie nicht gestorben sind ... Die Kinder von Golzow" ist ein weiterer Teil der längsten Langzeitdokumentation der Filmgeschichte. Die Autoren zeichnen die Lebensporträts der Kinder von Golzow weiter.
"Das Leben der Anderen"
Deutschland 2005; Regie: Florian Henckel von Donnersmarck; Darsteller: Martina Gedeck, Ulrich Mühe, Sebastian Koch, Ulrich Tukur

Vier Bayrische Filmpreise vor dem Kinostart - das hat sicher nicht nur die Filmkritiker überrascht. Nach Sichtung des Filmes wird unisono konstatiert, dass hier ein Film ausgezeichnet wurde, der das im Kino (auch als Fernsehfilm) bisher nur als Kolportage oder unterhaltsame Komödie abgehandelte Kapitel DDR als großen Kinofilm für ein breites Publikum durchaus ernsthaft in der Konfliktgestaltung präsentiert. Mitte der 80er Jahre in Ostberlin angesiedelt, ist der Held des Filmes ein Stasimann mit moralischen und politischen Überzeugungen, der durch eine Laune seiner Obrigkeit auf eine Observierung angesetzt wird, die nicht nur das Leben der "Anderen", eines intellektuellen Künstlerkreises, sondern auch sein eigenes gründlich verändern wird.

Denn das Leben der anderen ist so viel reichhaltiger und wahrhaftiger angesichts seiner eigenen Armseeligkeit. Allein diese Erkenntnis (beim Helden und beim Zuschauer) sagt mehr über Lebensmöglichkeiten und deren Verhinderung in der DDR, als die primitive Verteufelung der Stasi als Übel an sich bisher vermochte. Ziel der Observierung eines bisher als linientreu geltenden und auch noch erfolgreichen Dramatikers ist dessen Diskreditierung aus niederen persönlichen Motiven und dieser Auftrag kommt von "ganz oben", einem Minister.

Damit kann der Film sowohl politische als auch ganz menschliche Konflikte quer durch den gewählten Gesellschaftsausschnitt entwickeln. Wobei Dissidenten aus der Künstlerszene genauso glaubwürdig agieren, wie die schöne Schauspielerin, die sich gegen die Begehrlichkeiten des Ministers wehrt und gleichzeitig ihre Karriere sichern will oder die Stasi-Mitarbeiter, die aus unterschiedlichsten Motiven ihrer unappetitlichen Arbeit nachgehen.

In allen Rollen hervorragend gespielt, stil- und zeitsicher ausgestattet und in großen, farblich wunderbar komponierten Szenenbildern ist dem jungen Regisseur ein emotional packender, kluger Film gelungen, der mit diesen Qualitäten ein großes Publikum auch wirklich erreichen kann.


"Und wenn sie nicht gestorben sind... Die Kinder von Golzow"
Dokumentarfilm; Deutschland 2006; Regie: Barbara Junge, Winfried Junge

Als letzter Film der längsten Langzeitdokumentation der Filmgeschichte geplant, versuchen die Autoren, verschiedene Lebensporträts der Kinder von Golzow zu Ende zu bringen. Wobei die Form diesmal offensichtlich nebensächlich, weil nicht geschlossen ist.

Der erste Teil des 278 Minuten langen Dokumentarfilmes beginnt mit einem Prolog, der Anlass und Sinn dieses Projektes für neue Zuschauer noch einmal rekapituliert und die ersten Aufnahmen von der Einschulung in die neu gebaute Golzower Schule 1961 zeigt. Es folgen vier kürzere Filmbiografien. Zwei Kinder von Golzow (Jürgen, Christian) haben die Gelegenheit genutzt, sozusagen "Schlussworte" zu ihrem bis in die heutige Zeit auf Film festgehaltenen Leben zu Protokoll zu geben. In zwei anderen Fällen mussten die Filmemacher den Abbruch der Filmarbeiten auf eigenen Wunsch konstatieren, wobei der Reiz darin besteht, hinter die Motive für die auch im realen Leben wohl gebrochenen Biografien zu kommen.

Der zweite Teil dieses Golzow-Filmes ist das lange und aufschlussreiche Porträt von Winfried, dem neugierigen Tüftler der ersten Jahre. Er hat sich als Diplomingenieur und SED-Mitglied voll in das Leben in der DDR eingebracht und sich jetzt, Jahre nach der Wende, in Bayern mit neuer Lebenspartnerin eine neue Existenz aufgebaut.

Dieser neue, wahrscheinlich vorletzte Golzow-Film, löst für die langjährigen Freunde dieser Reihe Erwartungen ein. Für Neueinsteiger hat er durch seine offene Form den Vorteil, nicht nur sehr verschiedenes Leben in der DDR kennen zu lernen und den Bruch vor allem auch emotional nachzuvollziehen, den die Wende für DDR-Bürger brachte. Er bietet darüber hinaus auch einen Einblick in die selbstkritisch reflektierte, konfliktreiche Filmarbeit von Winfried Junge.
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