Neu im Kino: "The Lost Leonardo"

Ein dubioses Stück Farbe auf Holz

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Zwei Männer stehen neben dem Gemälde "Salvator Mundi", das den Erlöser Christus zeigt.
Robert Simon (links) und Alexander Parish in einer Szene aus dem Film "The Lost Leonardo" © picture alliance / Associated Press / Adam Jandrup
Von Rudolf Schmitz · 21.12.2021
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Das Gemälde "Salvator Mundi" wurde 2017 für den Rekordpreis von 450 Millionen US-Dollar versteigert – Leonardo da Vinci soll es gemalt haben. Der Dokumentarfilm "The Lost Leonardo" erzählt die spektakuläre Story dieses Bildes ungeklärter Herkunft.
"Das ist die unwahrscheinlichste Geschichten aller Zeiten im Kunsthandel." Evan Beard, amerikanischer Top-Banker im Kunstmarkt, weiß, wovon er spricht. Erstaunlicherweise ist er die vertrauenswürdigste Stimme in diesem Film, der eine verblüffende Anzahl von Beteiligten aufs Offenherzigste zum Sprechen bringt.
Alexander Parish zum Beispiel, einen Kunstdetektiv, der das Gemälde 2005 bei einer Auktion in New Orleans entdeckte und gemeinsam mit dem Kunsthändler Robert Simon für 1.175 Dollar kaufte.

Nur 15 anerkannte Gemälde von Leonardo

Tatsächlich kann sich nur zum Idioten machen, wer in Kunstkreisen behauptet, zusätzlich zu den anerkannten 15 Originalen von Leonardo ein weiteres zu präsentieren. Da könne man, so Alexander Parish, genau so gut behaupten, ein Raumschiff auf der eigenen Wiese oder ein Einhorn gesehen zu haben.
Die Käufer des ramponierten Gemäldes jedenfalls geben es in die Hände der renommierten Restauratorin Dianne Modestini, die in jahrelanger Arbeit daraus das männliche Gegenstück zur "Mona Lisa" macht. Sie ist die eigentlich tragische Figur dieses Films, weil sie sich im Laufe der kommenden Jahre in eine Schmutzkampagne verwickelt sieht. Dass sie für ihr Remake äußerst großzügig entlohnt wurde, erwähnt sie so ganz nebenbei.

Günstig einkaufen, teuer verkaufen

Die Geschichte wird immer komplexer: Kein amerikanisches oder europäisches Museum will oder kann das Bild (inzwischen auf 70 Millionen taxiert) kaufen. Nachdem die National Gallery London das Gemälde 2011 in einer Leonardo-Ausstellung als Original präsentiert, landet es bei einem russischen Oligarchen, der über Vermittlung durch den Schweizer Geschäftsmann Yves Bouvier 127 Millionen US-Dollar dafür hinlegt. Bouvier allerdings hatte lediglich 83 Millionen dafür bezahlt und wird in der Folge vom russischen Oligarchen bedroht, verklagt, ruiniert.
Leonardo da Vincis "Salvator Mundi".
Ein berühmtes Bild: Leonardo da Vincis "Salvator Mundi".© picture alliance / newscom | DENNIV VAN TINE
Yves Bouvier, wie die meisten Beteiligten überaus sympathisch, unbefangen und gesprächig, versteht allerdings nicht, wie man ihn einen Betrüger nennen kann: Ein Geschäftsmann kaufe nun einmal günstig ein und verkaufe entsprechend teurer. Dass der Geschäftsmann Bouvier gleichzeitig der Besitzer eines Freihafens in Genf ist, wo die Reichen der Welt ihr Schwarzgeld waschen und ihre Kunstschätze vor dem Fiskus verstecken, ist eine weitere aparte Fußnote im Geschäft mit dem Leonardo-Phantasma.

Das Bild ist in Saudi-Arabien weggesperrt

Schließlich kommt das Auktionshaus Christie's ins Spiel, das mit einer beispiellosen Marketing-Kampagne eine Auktion im November 2017 vorbereitet, wo der "Salvator Mundi" schließlich für den Weltrekordpreis von 450 Millionen US-Dollar zugeschlagen wird.

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Wie sich später herausstellt an den Kronprinzen von Saudi-Arabien, Mohammad bin Salman. Richtig, verantwortlich für den Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018 in Istanbul. Weil der Louvre im Jahr 2019 den "Salvator Mundi" nicht, wie vom Saudi-Prinzen verlangt, als männliches Gegenstück zur "Mona Lisa" ausstellen will, ist das Bild seitdem verschwunden und weggesperrt. Es wird zweifellos irgendwann dazu dienen, Saudi-Arabien als neue "Kulturnation" zu etablieren.
"The Lost Leonardo" ist ein Wunder von einem Dokumentarfilm, nicht nur wegen großartig nachgestellter Szenen, sondern weil er an einem dubiosen Stück Farbe auf Holz das Funktionieren unserer gegenwärtigen Welt erzählt. Mächtige Interessen bedienen sich eines Phantasmas, alle kommen dabei auf ihre Kosten, und die erregungsbereite Öffentlichkeit liefert die Zubringerdienste.

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