Film

Ruhige Bilder voller Geheimnisse

Von Bernd Sobolla |
Er hat schon mit vielen deutschen Regisseuren zusammen gearbeitet: Der Kameramann Reinhold Vorschneider. Seine Bilder sind ruhig und klar, er kreiert ungern künstliche Welten. Er kann aber auch anders - und hat das bereits bewiesen.
In dem Drama „Töchter“ kommt eine Lehrerin auf der Suche nach ihrer erwachsenen Tochter in Berlin an. Sie fährt im Auto durch die Stadt: Auf der Windschutzscheibe liegen Regentropfen, die die Straßenlichter brechen. In der nächsten Einstellung ist die Scheibe frei von den Tropfen, aber um die Ampel- und Laternenlichter liegt weißer Dunst, der keine klaren Umrisse möglich macht. Die Protagonistin biegt ab, weicht dabei einem parkenden Auto aus, aber fährt eine Person an. Es ist eine ruhige Szene, die typisch für den 63-jährigen Reinhold Vorschneider ist. Auch der Mann mit dem rundlichem Gesicht, kurzem grauen schütteren Haar, Kriegerbart und sanftem Lächeln, so scheint es, ruht in sich. Das war nicht immer so. In den 1970er Jahren studiert er Philosophie und Politologie, denn er glaubt, dass die Welt „handbarer“ wird, wenn er sie sich abstrakt erklären kann.
"Und diese Idee erodierte im Lauf der Zeit. Ich habe mich so unbeholfen der Welt gegenüber gefühlt wie ohne diese philosophischen oder politologischen Überlegungen."
Er bricht das Studium ab, um lieber etwas Handwerkliches zu machen. In einem Zwischenschritt beginnt Reinhold Vorschneider zu fotografieren und dann an der „Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin“ zu studieren. Als Kamera-Assistent ist er 1987 dabei, als Dominik Graf den Kino-Actionfilm „Die Katze“ macht. Ein Jahr später dreht er alleinverantwortlich seinen ersten Spielfilm. Wahrscheinlich ist es nur ein Zufall, aber es ein schöner: Es handelt sich um Rudolf Thomes Film „Der Philosoph“. Mit dem Autorenfilmer Thome arbeitet er bald an weiteren Filmen. Aber vielleicht wichtiger noch: Angela Schanelec entdeckt Reinhold Vorschneider als „ihren“ Kameramann. Der wiederum mag es, dass sie konkrete visuelle Ideen hat, eine „Philosophie“ für ihre Filme, die er dann ausbaut, ergänzt und perfektioniert.
"Was es schon gibt, ist so ein Bedürfnis meinerseits im Zusammenhang mit der Kameraarbeit oder mit der Umsetzung eines Drehbuchs in Bilder, in Film, dass es da ein Bedürfnis nach Konzeptionalität gibt."
Filme fernab des Mainstreams
Die Ruhe seiner Bilder ist durch Klarheit im Bildaufbau bestimmt, durch meist langsame Schwenks und dadurch, dass Kamerapositionen nicht einfach nur geändert werden, um eine Szene möglichst abwechslungsreich zu gestalten. Das geht natürlich nur, wenn die Filmemacherin ähnliche Vorstellungen hat, wie zum Beispiel Angela Schanelec, die in ihrem Film „Mein langsames Leben“ eine Protagonistin zeigt, die unaufgeregt ihr Leben und die Ereignisse darin beobachtet.
"Wie war es in Rom? / Gut. Es war gut. Ich habe gearbeitet. Es war, wie soll ich sagen, irgendwie war ich die ganze Zeit ein bisschen aufgeregt und ein bisschen gelangweilt. Immer so in Erwartung. Vielleicht hätte ich länger bleiben sollen."
So einfach und klar die Bilder von Reinhold Vorschneider wirken, sie tragen auch oft etwas Geheimnisvolles in sich. Allerdings, so sagt er, hätte er dazu keinen Plan.
"Also das liegt im Begriff Geheimnis begründet, dass es etwas ist, was ich nicht konstruieren kann. Sondern was eher intuitive Quellen hat als konzeptionelle Quellen. Es ist natürlich grundsätzlich toll, wenn in Bildern etwas aufscheint, was sozusagen jenseits der Sprache ist, was jenseits der Lesbarkeit von Bildern ist. Etwas, was man nicht unbedingt in Begriffen ausdrücken kann. Das ist bestimmt ein Wunsch in dieser Art, Bilder zu schaffen. Aber wie gesagt, das ist dann etwas, was passiert. Das ist dann wie ein Unfall."
Kein „Unfall“ hingegen ist, dass nach Angela Schanelec auch Benjamin Heisenberg, Thomas Arslan, Christoph Hochhäusler und Nicolas Wackerbarth mit Reinhold Vorschneider zusammenarbeiten. Alles Vertreter der Berliner Schule, also Autorenfilmer, die in Berlin leben und Filme fernab des Mainstreams drehen - Alltagsgeschichten, in denen es keine Helden gibt. Ihnen kommt entgegen, dass Reinhold Vorschneider ungern künstliche Welten kreiert.
"Grundsätzlich ist es so, dass ich in meiner Arbeit von dem ausgehe, was vorfindlich ist. Deswegen habe ich sehr wenig Bedürfnis in einer Studiosituation zu drehen, wo die gesamte filmische Behauptung hergestellt wird. Ich habe schon das Bedürfnis, mich in Wirklichkeit zu begeben."
Dinge abbilden, die wortlos sind
Dass er aber durchaus auch einen tempogeladenen Actionfilm drehen kann, beweist er 2010 mit dem Berlinale-Wettbewerbsfilm „Der Räuber“ von Benjamin Heisenberg. Der Film erzählt die Geschichte eines Marathonläufers und Serienbankräubers.
"Du läufst wieder? / Habe nie aufgehört damit mit. Mit Laufen, da werden´s kaum a Geld verdienen. / Die Taschen her! / Polizeisirene."
Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen verfolgt Reinhold Vorschneider den Protagonisten ohne viele Nahaufnahmen zu zeigen. Im Gegenteil. Wenn der Räuber vor den Verfolgern flieht, über Scateboard-Plätze rennt oder durch den Wald, hält er oft große Distanz, die wirkt, als könne man den Räuber nie einholen. Unabhängig davon interessiert sich Reinhold Vorschneider vor allem dafür, Licht zu fotografieren. Auch wenn er Personen filmt, geht es ihm immer um das Licht, das auf diese fällt bzw. sie umgibt. Wobei er einiger seiner schönsten Szenen gedreht hat, wenn die Protagonisten nur spärliche Dialoge haben oder gar schweigen. Es sind die Dinge, die zwischen Menschen wortlos geschehen, die ihm immer wieder großartig gelingen.
"Vielleicht weil die Person, die ich fotografiere, dann stärker Personen sind oder weniger stark eine Rollenerwartung erfüllen müssen. Rollen manifestieren sich ja sehr oft dialogisch. Wo sie dann damit beschäftigt sind sozusagen der Figur zu folgen... Und in diesem Moment sind sie vielleicht mehr bei sich. Und das sind Momente, die ich gerne beobachte."