Film

"Ich kann das besser"

Von Christian Berndt · 13.02.2014
Mit ihren Filmen prangert die kasachische Regisseurin Zhanna Issabayeva die sozialen Verhältnisse in ihrem Land an. Um ihre Ideen zu verwirklich, muss sie immer wieder kämpfen. Das Filmgeschäft ist von Männern dominiert, finanzielle Unterstützung bekommt sie nicht. Trotzdem will sie in Kasachstan bleiben.
"Ich war sechs oder sieben Mal in Deutschland, wegen meiner Arbeit in erster Linie. Ich habe Postproduktionen in München gemacht, und als Executive-Producerin war ich mit unseren Filmen auf den Filmfestivals in Hamburg, Braunschweig und Cottbus. Aber auf dem Berliner Filmfestival bin ich zum ersten Mal."
Zhanna Issabayeva ist viel rumgekommen in der Welt, meistens wegen ihrer Arbeit. Die kasachische Regisseurin ist ehrgeizig, sie hat viel Kraft gebraucht, um Filmemacherin zu werden. Zum Interview im Berliner Savoy Hotel erscheint sie pünktlich, ist unauffällig gekleidet, dabei sehr präsent. Die klaren Gesichtszüge passen zum sicheren Blick. Vor ihr noch erscheint in der Hotellobby die Hauptdarstellerin des Films "Nagima", mit der Issabayeva zur Berlinale eingeladen wurde.
Wenn man den Film einmal gesehen hat, erkennt man Dina Tukubayeva, wie die Schauspielerin heißt, sofort wieder - das unbewegte, aber ausdrucksstarke Gesicht prägt sich ein. Sie spielt in "Nagima" eine 18-Jährige, die im Waisenhaus aufgewachsen ist. Nun lebt sie in den Slums von Almaty, zusammen mit Anya, die beiden sind seit ihrer gemeinsamen Kindheit im Heim unzertrennlich. Dann wird Anya schwanger, und die Situation noch verzweifelter: Anya leidet Schmerzen, aber ein Arztbesuch kommt nicht in Frage:
"Jeden Tag liege ich hier und denke nach. Ich will es nicht, aber ich kann nicht anders. Was stimmt nicht mit uns? Sind wir denn schlechter als andere?"
"Nagima" erzählt die Geschichte dieser Ausgestoßenen in nüchtern-unpathetischem Ton. Ein bedrückend trauriger Film.
Issabayeva:"Es ist ein sehr pessimistischer, deprimierender Film, es tut mir leid. Aber wenn ich von sozialen Problemen erzähle, dann muss ich das schlimmste Szenario zeigen, denke ich."
"Frauen sind normalerweise eine Art Dienstbotin"
Es ist auch das stoisch-sparsame Spiel der Hauptdarstellerin, das den Film so wirkungsvoll macht. Ihre Nagima fand die Regisseurin in einem echten Waisenhaus:
"Sie war sehr besorgt. Als ich sie zu meinem Film einlud, sagte sie: 'Ja, aber ich habe Angst, dass das zu hart für mich wird.' Ich sagte zu ihr: 'Mach Dir keine Sorgen, ich werde Dir helfen. Es ist so einfach, Schauspielerin zu sein, so einfach. Du musst einfach nur alles machen, was ich sage, das ist alles.'"
Man kann sich gut vorstellen, wie Issabayeva auf dem Set Anweisungen gibt. Die freundlich-resolute Regisseurin wirkt sehr bestimmt. Aber das musste sie wohl auch sein, um in ihrer Heimat Kasachstan ihren Traum zu verwirklichen, Filmregisseurin zu werden:
"Es ist für mich sehr hart, niemand gibt mir Geld für einen Film, weil ich eine Frau bin. Denn die meisten Entscheidungsträger sind Männer. Es ist unsere Tradition. In einer traditionellen kasachischen Familie ist eine Frau normalerweise eine Art Dienstbotin."
Zhanna Issabayeva wird 1968 in der damaligen kasachischen Hauptstadt Alma-Ata, dem heutigen Almaty geboren. Der Vater ist Autor einer renommierten Literaturzeitschrift. Als Kind schon liebt sie Filme, manche schaut sie sich bis zu zehnmal an.Nach der Schule studiert Issabayeva zunächst Journalismus, erst danach wagt sie den Schritt ins Filmgeschäft – zunächst als Produzentin:
"Als ich im Filmgeschäft begann, arbeitete ich mit einigen kasachischen Filmregisseuren zusammen, Männern. Und als ich sah, wie sie arbeiteten, da beschloss ich: 'Das kann ich besser‘. Denn einige von ihnen waren wirklich Idioten. Sie drehten dauernd Filme, und alle sagten: 'Oh, was für ein interessanter Regisseur!' Aber ich war sicher, dass ich es um einiges besser kann."
"Die ganze Familie hängt von mir ab"
Nach zehn Jahren als Produzentin kann Issabayeva ihren ersten Kinofilm, "Karoy", verwirklichen. Die Geschichte eines Mannes, der als Auftragskiller arbeitet, gleichzeitig aber liebevoll für seine Mutter sorgt, wird auf die Filmfestspiele von Venedig eingeladen. 2012 erhält sie mit dem Film "Talgat" – die Geschichte eines Jungen aus den Slums, der alleine seine Familie ernähren muss – Einladungen zu Festivals weltweit. Issabayevas Filme sind Anklagen gegen die sozialen Verhältnisse. Aber Ärger mit der Zensur in Kasachstan, das seit 1991 von Präsident Nasarbajew autoritär und mit Knebelung von Opposition und Medien regiert wird, hatte sie bisher nicht:
"Ich habe keine Probleme mit politischer Einflussnahme, denn die Regierung gibt viel Geld für die staatlichen Filmstudios aus. Und die machen nette Filme über glückliche Menschen und Melodramen. Ich mache andere Filme."
Zhanna Issabayeva hat viel erreicht, auch wenn es ihre Filme in Kasachstan, wo das Publikum amerikanische Filme bevorzugt, nicht leicht haben. Die zweifache Mutter muss immer wieder dafür kämpfen, ihre Ideen verwirklichen zu können. Sie hat auch mit dem Gedanken gespielt, ins Ausland zu gehen:
"Ja, ich habe schon oft darüber nachgedacht. Aber ich habe eine große Familie, und diese ganze Familie hängt von mir ab. Ich kann nicht nur für mich handeln, zuallererst muss ich an die mir nahestehenden Menschen denken."
Nagima im Forum der Berlinale 2014
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