Film

Die Last der Trophäe

Von Sunny Riedel · 23.01.2014
Vor einem Jahr wurde der Bosnier Nazif Mujic bei der Berlinale mit dem Silbernen Bären geehrt. Doch der Preis brachte ihm in der Heimat nur Neid und Ächtung. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, der Familie droht die Abschiebung.
Ein kahles Zimmer in einem ehemaligen Seniorenheim am Rande von Berlin. Hier lebt Nazif Mujic mit seiner Familie, Ehefrau Senada, den beiden Töchtern Sandra und Semsa und dem anderthalbjährigen Sohn Danis. Es ist ein karger Raum, zwei Pritschen, ein Babybett, ein Waschbecken und vier Plastikstühle um einen weißen Tisch. Dort sitzt Nazif Mujic, 43 Jahre alt, vor sich die Trophäe von seinem letzten Aufenthalt in Berlin. Der Silberne Bär.
"Ich bin Mujic Naziv aus Bosnien Herzegowina. Der beste Schauspieler der Berlinale.“
Vor einem Jahr geschah das Unglaubliche. Nazif, der noch nie zuvor mit Film zu tun gehabt hatte, wurde zum besten Darsteller der Berlinale 2013 gekürt.
"...for the best actor goes to... Nazif Mudschidsch for an Episode in the life of an iron picker“ (Applaus)
In dem Film "Eine Episode aus dem Leben eines Metallsammlers" spielt Nazif Mujic sich selbst: ein Rom, der seine Familie mehr schlecht als recht mit dem Sammeln und Verkaufen von Altmetallen durchbringt. Seine Frau Senada, im sechsten Monat schwanger, erleidet eine Fehlgeburt. Doch die Ärzte schicken sie weg. Sie sind arm und haben keine Krankenversicherung. Senada schwebt in Lebensgefahr, doch in letzter Minute leiht ihnen eine Verwandte ihre Versicherungskarte, Senada wird gerettet.
Es ist diese wahre Geschichte, die in Berlin so viele Leute angerührt und die Jury überzeugt hat, den Film mit dem "Großen Preis der Jury" auszuzeichnen.
Keiner glaubt ihnen die Armut
Bei seiner Ankunft im kleinen Dorf Poljice, im Kanton Tuzla, Nordbosnien, wird er empfangen wie ein Held. Doch dann schlägt der Jubel um in Ächtung. Die Leute glauben ihm nicht, dass er für seinen Preis kein Geld bekommen hat. Die früheren Kollegen lassen ihn nicht mehr mitarbeiten beim Metallsammeln.
"Was noch schlimmer ist: Wenn wir nach Tuzla ins Krankenhaus müssen, erkennen uns die Krankenschwestern und sagen, 'ah, Ihr habt den Oscar bekommen. Ihr habt Geld und könnt jetzt zahlen, was ihr wollt'. Und wir schauen uns nur an, mit Tränen in den Augen und beten zu Gott, dass keiner von uns krank wird, meine Sandra, meine Schemsa. Wir könnten es nicht bezahlen. Deshalb bin ich nach Berlin gekommen. Aus Angst.“
Seit zwei Monaten ist Nazif Mujic mit seiner Familie zurück in Deutschland, sie leben in einem Flüchtlingsheim bei Berlin
Der Asylantrag, den er für sich und seine Familie gestellt hatte, wurde abgelehnt. Die Begründung: Armut ist kein ausreichender Grund für ein Aufenthaltsrecht. Inzwischen ist auch die Berlinale auf den Fall aufmerksam geworden. Festival-Leiter Dieter Kosslick:
"Wir haben eine Verantwortung für alle Leute, die bei uns sind, ist doch klar, wir haben ihm einen Anwalt besorgt, prüfen, was man tun kann."
Ein Hoffnungsschimmer? Nazifs Frau Senada wirkt erschöpft, aber auch wütend. Zurück nach Bosnien, das kann sie sich nicht vorstellen.
"Alle unsere Hoffnungen liegen auf Berlin. Berlin hat uns einen Preis gegeben, nicht Bosnien. Dort hat uns niemand unterstützt. Daher hoffen wir, dass Berlin uns hilft. Falls nötig, geben wir den Bären zurück."
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