Film der Woche: "Endless Poetry"

Loblied auf Kunst und Leben

Als Skelette und Teufel verkleidete Menschen tanzen, von oben regnet es Konfetti.
Surreal: Bei Alejandro Jodorowsky tanzen Skelette und Teufel. © wolfberlin.org
Von Patrick Wellinski · 18.07.2018
Tanzende Teufel, überdimensionale Eisenbahnen und Zirkusclowns - der Kino-Avantgardist Alejandro Jodorowsky hat sein eigenes Leben als rauschhafte Bilderfolge inszeniert. Ein kleines Kinowunder und ein Geheimtipp, meint Filmkritiker Patrick Wellinski.

Worum es geht:

Der junge Alejandro wächst in Chile in einem strengen Elternhaus auf. Die jüdischen Eltern wollen, dass der Sohn ein Medizinstudium beginnt. Doch Alejandro trennt sich von Mutter und Vater und beschließt, Dichter zu werden.
Auf seinem Weg durch die Kunstszene des frühen 20. Jahrhunderts begegnet er kuriosen und lustigen Gestalten, freundet sich mit Surrealisten und Zirkusclowns an. Nachdem er eine junge Frau vorm Selbstmord gerettet hat, schwängert er sie. Doch das Leben als Dichter erlaubt es ihm nicht, sesshaft zu werden. Er verlässt Chile, um in Paris den Surrealismus zu retten. Doch auch da läuft alles anders als geplant.

Was ist besonders daran?

Regisseur Alejandro Jodorowsky ist vielleicht der letzte noch lebende und arbeitende Kino-Avantgardist. Seine Karriere begann er mit den Acid-Western "El Topo" und "Montana Sacra", die ihn mit einem Schlag zum Kultregisseur einer ganzen Generation machten. "Endless Poetry" ist der zweite Teil seiner autobiographisch angelegten Lebensgeschichte, die insgesamt eine Trilogie werden soll.
In jeder Szene spürt man den jugendlichen Geist des fast 90 Jahre alten Surrealisten. Die Bilder quellen über vor Fellini-haften Arrangements. Tanzende Teufel, überdimensionale Eisenbahnen, freudianische Beziehungsknoten – Jodorowsky erzählt sein eigenes Leben als Abfolge der seltsamsten Begegnungen.
Das ist so erfrischend und lebensbejahend, dass man sich sofort wünscht, auch das eigene Leben in einer solch rauschhaften Bilderorgie auf der Leinwand sehen zu können.

Bewertung:

"Endless Poetry" ist ein Loblied auf die Kunst des Lebens und auch auf das Leben für die Kunst. Kreativ und ausgefallen, aber nicht abgehoben oder hermetisch, gestaltet Jodorowsky ein leicht überhöhtes Abbild seines Lebens, ohne dabei die düsteren Seiten auszusparen. Ein kleines Kinowunder. Und ein absoluter Geheimtipp.

Regie: Alejandro Jodorowsky
Darsteller: Adan Jodorowsky, Alejandro Jodorowsky, Brontis Jodorowsky, Pamela Flores, Leandro Taub u.a.
Frankreich/Chile 2016, 128 Minuten

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