Film "Borga"
Kojo möchte als "Borga" – als gemachter Mann – aus Deutschland in seine Heimat Ghana zurückkehren. © SWR / Chromosom Film
Doppelleben zwischen Ghana und Deutschland
12:01 Minuten
Regisseur York-Fabian Raabe hat mit "Borga" gewagt, was als kulturelle Anmaßung gewertet werden kann: Ein Deutscher erzählt die Geschichte eines Ghanaers. Der Film wurde für die ghanaische Perspektive gelobt und beim Filmfest Max Ophüls ausgezeichnet.
Als deutscher Regisseur erzählt York-Fabian Raabe in seinem Film "Borga" die Geschichte von Kojo, einem jungen Mann aus Ghana. Und das durchaus gelungen aus der Perspektive seiner Hauptperson, aus einer ghanaischen Perspektive. Eine Selbstverständlichkeit, meint Raabe. "Kojo ist in Ghana geboren, deswegen ist es seine Perspektive. Das ist für mich logisch, so zu erzählen."
Das mag in sich schlüssig klingen, kann in Zeiten von Diskussionen über Identitätspolitik aber durchaus kritisch gesehen werden: Darf ein deutscher Regisseur die Geschichte eines Ghanaers erzählen? Ist dies nicht ein kulturelle Anmaßung?
Vor zehn Jahren, zu Beginn der Arbeit am Film, seien solche Diskussionen noch fast kein Thema gewesen, sagt Raabe. Letztendlich sehe sich aber jeder Regisseur und jede Regisseurin schnell mit diesen Fragen konfrontiert.
Jeder stecke in seiner "eigenen Bubble", müsse diese aber beim Geschichtenerzählen auch schnell verlassen – beispielsweise bei der Darstellung einer gebärenden Frau, so Raabe: "Ich werde mich nie in eine Frau hineinversetzen können – was es bedeutet, ein Kind zu bekommen. Nichtsdestotrotz kann es in meinen Filmen vorkommen."
Recherche, Zusammenarbeit, zuhören
Wichtig sei aus seiner Sicht nur der Umgang mit dieser Situation. Dabei gebe es zwei wichtige Pfeiler: Die intensive Recherche und das Sprechen mit Menschen aus der "anderen Bubble", um gemeinsam etwas zu kreieren.
Im Film "Borga" hat er intensiv mit dem Schauspieler Eugene Boateng zusammengearbeitet, der Kojo spielt, den Hauptcharakter der Geschichte. Boateng habe vollständig den kreativ-kulturellen Teil übernommen, so Raabe.
"Und deswegen ist es auch ein Film, der zum Beispiel den ghanaischen Zuschauern, den wir den Film bisher gezeigt haben, super gefällt." Dies sein ein guter Weg, "denn wir wollen ja zusammen Sachen machen, wir sollen zusammen tolle Geschichten erzählen."
Vom Tellerwäscher zum Millionär
Anfangs war Eugene Boateng allerdings schwer zu dem Projekt zu bewegen. Der Schauspieler ließ das Drehbuch ungelesen liegen. "Ich war ein bisschen voreingenommen. Es gibt zu viele Anfragen, die einfach sehr unschön sind", erklärt er. Beim Blick ins Drehbuch habe ihn die Geschichte dann aber sofort gefesselt.
"Ich habe mich verliebt und dachte: Oh, mein Gott, wir müssen das unbedingt machen. Wenn wir das machen, muss das so authentisch wie möglich sein, weil das genau das Ding ist, worauf ich alle Jahre gewartet habe."
Die Geschichte erzählt aus dem Leben Kojos, eine "Vom Tellerwäscher zum Millionär"-Story, so Raabe.
Kojo wächst in Ghanas Hauptstadt Accra in ärmlichen Verhältnissen nahe einer Elektroschrott-Müllhalde auf. Als junger Mann erhält er die Möglichkeit, nach Deutschland zu gehen. Er sucht dort sein Glück und versucht seine Familie zu unterstützen.
Als gemachter Mann, als "Borga" will Kojo in die Heimat zurückzukehren. So werden diejenigen in Ghana genannt, die es im Ausland anscheinend zu Geld gebracht haben.
"Borga haben mitgeholfen, die Illusion zu kreieren, dass die westliche Welt der Ort ist, wo jeder hin muss. Und sie waren sehr präsent", sagt Eugene Boateng.
"Über die Jahre hat man aber auch erkannt, dass Borga eine Illusion ist, dass es da drüben nicht so einfach ist." Mittlerweile würden viele es besser wissen und über Borga eher lachen, so Boateng.
Kojo landet schließlich auch in Deutschland als Arbeiter auf einer Müllkippe, muss weiter nach seinem Glück suchen und die Herausforderungen des Lebens annehmen. Doch statt eine mitleidige Opferperspektive einzunehmen, war es Regisseur Raabe wichtig, die Situation als Herausforderung, "als Challenge" zu zeigen.
Ein Film, von einem Deutschen gedreht und aus ghanaischer Perspektive geschildert: Hier scheint dies gelungen zu sein.
Voneinander lernen
Darsteller Boateng vermutet, dass gute Quoten im Fernsehen sicher wichtig seien, um für mehr Diversität zu sorgen – und auch Entscheider würden diesbezüglich durch öffentliche Diskussionen unter Druck gesetzt. Doch was viele machen sollten, sei, sich mit den Betroffenen zusammenzutun.
"Das ist das, was am wichtigsten ist. Die Menschen, um die es geht, müssen sprechen können. York und ich haben etwas kreieren können, weil wir uns zuhören und weil wir voneinander lernen."